Jeder Tag ist ein Endspiel!
Karlsruhe, Januar 2006 - "Wissensweltmeister Deutschland - Wege aus der Abseitsfalle?" heißt die zentrale LEARNTEC-Sektion, die den Bogen vom Wissensmanagement zur Fußballweltmeisterschaft schlägt. Wie die Nationalelf muss sich auch jedes Unternehmen dem internationalen Vergleich stellen. Wie erlangt man im globalen Wissenswettkampf den entscheidenden Spielvorteil? CHECKpoint eLearning sprach mit Günther M. Szogs, Commerzbank AG, der die Sektion mitkonzipiert hat.
Das Ziel für die Nationalmannschaft ist klar: 2006 wollen wir Weltmeister werden! Welches Ziel muss sich ein Unternehmen vorgeben, um in der globalen Wissensgesellschaft bestehen zu können?
Günther M. Szogs: Unternehmen konkurrieren um Märkte, nicht um Wissen. Das verleitet manchen dazu, exzellentes Wissen als dafür unabdingbare Voraussetzung zu unterschätzen. Auch wenn der Volksmund sagt, der dümmste Bauer ernte die dicksten Kartoffeln, gilt: Exportweltmeister ist man nicht mit zweitklassigem Know-How geworden. Überschätzung ist allerdings ebenso fehl am wie auf dem Platz.
Die Welt ist nicht die verlängerte Werkbank, bei der hierzulande die "geist-reichen" Entwürfe entstehen, die andernorts "geist-los" umgesetzt werden. Jährlich Millionen von Hochschulabsolventen allein in China zeigen, dass diese Gesellschaften ihre künftige Rolle anders definieren. Ziel muss sein: Den Stellenwert des Wissens weder zu unterschätzen noch zu überschätzen sondern ihn einzuschätzen. Wird das im Handeln umgesetzt, behaupten sich Unternehmen nicht nur in der Wissensgesellschaft.
Trainingslager, Testspiele, Fitness-Checks - die Nationalelf bereitet sich stufenweise auf die WM vor. Wie definiert sich der optimale Trainingsplan für ein Unternehmen?
Günther M. Szogs: Wie im Sport hat jede Unternehmensmannschaft sehr spezifische Trainingspläne. Auch da gilt: Wissen ist Voraussetzung für erfolgreiches Handeln, ersetzt es aber nicht. Die Commerzbank ist bei schwieriger Ausgangslage gut damit gefahren, alle Bereiche auf den Prüfstand zu stellen und Unternehmenspolitik dabei ganzheitlich zu sehen. Dazu gehört nicht nur zu wissen, sondern auch, wissen zu wollen: z.B. im Rahmen einer aufwändig und ernsthaft betriebenen Mitarbeiterbefragung Aufschluss zu gewinnen über die Schwachpunkte im Zusammenspiel der Unternehmensmannschaft.
Mitarbeiter geben dabei auch kritisch Auskunft über empfundene Defizite beim Wissenserwerb, beim Informationsaustausch und bei der erlebten Führungskultur. Die Berücksichtigung solcher Hinweise aus den eigenen Reihen hilft auch, bedeutende Herausforderungen wie aktuell bei dem Zusammengehen von Eurohypo und Commerzbank zu bestehen.
Welche Konsequenzen hat das für die Organisation und für den Einzelnen? Wie macht ein Unternehmen seine Wissensspieler auf den Punkt fit?
Günther M. Szogs: Es wäre anmaßend, allgemeingültige Patentrezepte zu geben. Beobachten lässt sich allerdings, dass auch im Unternehmen gelegentlich auf den Tageserfolg geschielt wird, was zu Lasten der mittel- und langfristigen Unternehmensziele gehen kann. Anders als bei der Fußball-WM steht nicht ein Tag des Endspiels im Fokus, sondern jeder Tag ist Endspiel bei einem im Sekundenrhythmus genauso wie im Langzeittest argwöhnisch beäugten Aktienkurs. Insofern müssen Wissensarbeiter dauerhaft und nicht nur "auf den Punkt" fit sein. Eine Analogie zum Sport gilt allerdings uneingeschränkt: "Wer der Schnellste sein will, muss sich viel Zeit nehmen, es zu werden." (B. von Mutius).
Jürgen Klinsmann hat die Nationalelf gründlich umgekrempelt und moderne Trainingsmaßnahmen eingeführt. Er hat dafür teils herbe Kritik einstecken müssen. Wie schwierig ist es für Unternehmen, neue Wege zu gehen?
Günther M. Szogs: Leif Edvinsson, renommierter internationaler Vordenker und Mitgestalter unserer Sektion auf der LEARNTEC, provoziert gern mit der Frage: "Are you rule-maker, rule-taker or rule-breaker?" Dabei zeigt sich, dass Innovation ohne ein Infragestellen von Gewohnheiten, die sich oft zu korsett-haften Regeln verewigen, nicht möglich ist. Selbstbewusste Zeitgenossen müssen jenseits ihrer unmittelbaren Zuständigkeit, bei der sie bekanntlich "ständig zu" sind, im Unternehmen Position beziehen.
Allerdings: Neuerungen sind ein Strohfeuer, wenn sie fundamentalistisch vertreten werden. Erfolgreich sind Unternehmen, die sich von falschen Alternativen verabschiedet haben wie: Tradition oder Innovation, hierarchisch- oder Matrix-organisiert, zentral oder dezentral, Insourcing oder Outsourcing etc. Eher hilft situationsadäquate wertschätzende Beurteilung, die Pole aufeinander bezieht, wo es Sinn macht: Tradition - State of the Art, wie es neulich mal in der Werbung zu lesen war.
Ihre Prognose: Holen wir den Titel? Werden wir Fußball- und Wissensweltmeister?
Günther M. Szogs: Prognosen hierzu nach der LEARNTEC. Da haben wir weltmeisterliche Ratgeber zu Gast: Renate Lingor und Nia Künzer, die für die Nationalmannschaft der Frauen das "Golden Goal" zur Weltmeisterschaft im doppelten Wortsinn mit dem Kopf erzielte. Mit von der Partie sind auch Leif Edvinsson und Günter Koch, die in Europa und Asien unterwegs sind, um den internationalen Stand der Kopfarbeit über Wissensbilanzen nachzuhalten. Das alles aufgemischt von Erwin Staudt, der als ehemaliger IBM-Chef und jetziger Präsident des VFB Stuttgart die Symbiose der wissenden Sport- und Unternehmenswelt darstellt. Prognose: diese Sektion wird ein Highlight!!!
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