Fraunhofer IAO

Web 2.0: "Hohe Motivation zur aktiven Teilnahme"

Stuttgart, Dezember 2008 (von Kirsten Seegmüller) "Was wir brauchen, sind Menschen an der Schnittstelle zwischen Technologie und Markt", sagt Professor Dieter Spath, Leiter Fraunhofer-Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Wie Mitarbeiter diese Qualifikationen erwerben können, war Thema der IAO-Tagung Professional Training Facts.




In insgesamt sechs englischen und drei deutschen Tracks konnten sich die Teilnehmer - darunter Wissenschaftler, Anbieter und Anwender im Bereich neuer Lernmedien - informieren, wie man Kompetenzen modelliert, Lernmanagement einführt, Performance und eLearning in der Industrie sinnvoll kombiniert, intellektuelles Kapital bewertet und Wissensbilanzen erstellt.


"Man muss die organisatorischen und individuellen Levels der Kompetenzentwicklung synchronisieren und dabei das mittlere Management unterstützen", erklärt Spath. Diese Aufgabe ist bisher meist in der Personalabteilung angesiedelt. Klaus Herrmann, stellvertretender Leiter im Festo Lernzentrum, hält das nicht für die optimale Lösung: "Wer Verträge schließt, Personen einstellt und wieder entlässt, ist nicht in der Lage, Kompetenzen der Mitarbeiter auf- und auszubauen", ist er überzeugt.


Normalerweise werden Kompetenzen und Weiterbildung Top-down definiert. "Doch diese Vorgaben werden selten auf Arbeitsplatz heruntergebrochen", lautet seine Kritik, "mit diesem Abstraktionsniveau können viele nichts anfangen." Er plädiert für ein Bottom-up-Prinzip, bei dem die Mitarbeiter enger in die Gestaltung ihrer Weiterbildung eingebunden sind. "Top-down-Organisationen vertragen keine Bottom-up-Tools", ergänzt Carsten Ritterskamp, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum. Das heißt: Vor allem anderen müsse man die Hierarchien überdenken.


Ein besonderes Augenmerk legten die Organisatoren der Tagung auf das Web 2.0, das heißt: Lernen über Blogs, Wikis, Social Networks und Tagging von Dokumenten und Menschen. "Dadurch entsteht eine hohe Motivation zur aktiven Teilnahme", findet Ritterskamp, "die Killerapplikation heißt User-generated Content." Doch manchmal erhoffen sich die Unternehmen zu viel von diesen Methoden. Beispiel Blogs: "Nicht jeder hat Gelegenheit und Interesse, am Arbeitsplatz zu bloggen."


Auch Social Networks werden seiner Ansicht nach überbewertet: "Studien haben ergeben, dass nur 17 Prozent der User Social Networking nutzen, um neue Businesspartner zu finden", so Ritterskamp, "87 Prozent wollen dagegen lediglich mit den Menschen in Kontakt bleiben, die sie sowieso schon kennen."


Künftig muss Arbeit ganzheitlich betrachtet werden, "und das schließt Qualifizierung und Kompetenz, Lernen, Sicherheit, Gesundheit, Technologie, Organisation und Netzwerke mit ein", zählt Claudio Zettel auf, Projektträger im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) und Projektträger des BMBF. In dem 2007 gestarteten Projekt Working, Learning, Developing Competencies - Innovation Competence in the Modern Working World, das voraussichtlich bis 2013 läuft, will er diese Einflussfaktoren näher untersuchen.


Spath ergänzt: "Über 90 Prozent der Befragten aus einer IAO-Umfrage sagen, dass auf Grund der stärkeren Wissensarbeit eine neue Organisation und Gestaltung von Jobs erforderlich ist."
Die Veranstaltung war jedoch nicht nur für Anhänger von Lerntheorien interessant, sondern auch für Anwender, denn die Referenten präsentierten konkrete Best-Practice-Beispiele und stellten Tools vor.


So demonstrierte beispielsweise Barbara Kump, Lernforscherin am Institut für Wissensmanagement der TU Graz, die Features von Aposdle: "Die Mitarbeiter definieren dort ihr Profil und ihre Qualifikationen selbst, und sobald sie eine weitere Aufgabe ausführen, wird das Profil vom System ergänzt", erklärt sie die Funktionsweise.


Ein so genannter Resource Viewer schlägt den Beteiligten automatisch Lerninhalte oder Experten vor, die für bestimmte Aufgaben geeignet oder erforderlich sind. Der Vorteil: "Man benötigt keine detaillierte Prozessbeschreibung mit ausführlichen Kompetenzprofilen." Dieser Aufwand ist häufig ein Hindernis bei der Einführung von Kompetenzmanagement.