"Agile Praktiken sind emergente Praktiken"
Berod, Mai 2020 - Dass sich agiles Arbeiten zunehmend verbreitet, ist unbestritten. Doch es bleibt die Frage, wann der Griff in den agilen Werkzeugkasten sinnvoll ist. Ein Gespräch mit Daniel Räder, Agile Coach und Teil des Podcast-Duos "Unboxing Agile". Der Scrum Master, Product Owner und Agile Coach Daniel Räder versteht sich als Sparringspartner für Zusammenarbeit, (Business-) Agilität und Organisationsstrukturen.
Agil heißt das neue Zauberwort. In welchen Zusammenhängen empfehlen sich agile Vorgehensweisen?
Daniel Räder: Überall dort, wo Menschen selbstorganisiert arbeiten und Verantwortung übernehmen sollen, ist aus meiner Sicht die Einführung agiler Methoden besonders sinnvoll. Dass Menschen selbst organisiert arbeiten und Verantwortung übernehmen, ist für den Erfolg von Projekten in jenen Kontexten notwendig, in denen Ursache und Wirkung erst im Nachgang ersichtlich werden.
Ein weiteres Indiz für die Sinnhaftigkeit agiler Methoden ist der Umgang mit Projektplänen. Wenn Pläne andauernd angepasst werden müssen, weil es ständig Änderungen gibt, kann diese Art der Arbeit hier ebenfalls ihre volle Wirkung entfalten. Ganz nach dem Motto des Agilen Manifests "Begrüße die Veränderung".
Ob Agiles Arbeiten sinnvoll ist, ist auch abhängig von der Frage, die man sich stellt. Wenn die Antwort auf die Frage "Wie ist das zu lösen?" noch unbekannt ist, sollte man iterativ und agil vorgehen. Das gilt auch für alle Zusammenhänge, in denen emergente Praktiken gebraucht werden und herkömmliche Best-Practices nicht funktionieren.
Was haben agile Methoden mit der Weiterentwicklung von Menschen zu tun?
Daniel Räder: Agile Praktiken sind für mich emergente Praktiken, also Dinge, die aus der Situation heraus entstehen. Insofern sind sie die beste Basis für die Weiterentwicklung eines Menschen. Man muss sich selber, sein Team und sein Projekt immer wieder überprüfen und anpassen. Das birgt großes Potenzial für eigenständige Weiterentwicklung. Vor allem, weil Selbstorganisation bei agilen Methoden nicht verhindert wird, sondern sogar notwendig für deren Erfolg ist. Kommt noch als weitere Zutat die Freiwilligkeit hinzu, übernimmt man die Verantwortung für sein Handeln und schaut so viel bewusster hin, wie und wohin man sich gerade entwickeln möchte.
Haben Sie einen persönlichen Favoriten im agilen Tool-Set?
Daniel Räder: Das sieht für jeden anders aus. Ich persönlich lerne viel durch offene Communities. Das kann online zum Beispiel via Twitter sein oder offline auf einer Unkonferenz oder OpenSpace. Überall da, wo ich mit Menschen netzwerken und mich austauschen kann, entstehen immer gute Ideen; sowohl für die Überraschungen des Alltags, als auch für Herausforderungen im Beruf. Um es noch greifbarer zu machen, würde ich sagen: Mein Favorit ist schnell in Verbindung bringende Moderation. Überall da, wo Menschen in den Dialog gebracht werden, kann agiles Arbeiten echte Probleme lösen.
Und wie kann man KollegInnen oder Mitarbeitende für diesen Ansatz gewinnen?
Daniel Räder: Am erfolgreichsten ist für mich meistens, andere Menschen es ausprobieren zu lassen. Einmal selbst erlebt ist, tausendmal überzeugender als Berichte, Zahlen oder Stories. Das Selbsterleben ist einfach am besten - Menschen vertrauen ihrer Erfahrung.
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