Leben, Arbeit und Bildung unter Einfluss von KI-Technologie
München, Juli 2020 - Das Projektteam "Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung" veröffentlichte gemeinsam mit dem MÜNCHNER KREIS e.V. die Zukunftsstudie VIII Leben, Arbeit, Bildung 2035+. Die Studie fragt nach Veränderungen in unseren zentralen Lebensbereichen, die bis 2035 durch KI herbeigeführt oder beeinflusst werden.
Wie werden sich KI-Technologien mittelfristig auf den beruflichen und sozialen Alltag auswirken und welche Handlungsfelder werden sich daraus für die Politik und die Gesellschaft ergeben? Sie gibt die Stimmen der ExpertInnen wieder, die realistischere und vor allem positivere Narrative für die zukünftige Nutzung und Entwicklung neuer KI-Technologien fordern.
Die Grundannahme:
Künstliche Intelligenz wird unser Leben nachhaltig verändern, wird die Art und Weise, wie wir künftig arbeiten, weitreichend beeinflussen, wird die Inhalte und die Ausrichtung unsers Bildungssystems neu definieren und wird durch die Corona Pandemie wesentlich an Bedeutung gewinnen.
Das internationale Delphi, welches im Zeitraum von November 2019 bis März 2020 mehr als 500 ExpertInnen erreichen konnte, wurde von elf starken Partnern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft unterstützt.
Es ist uns Menschen gemein, dass uns Unsicherheit und offene Fragen belasten. Wir suchen nach Antworten, um mit ihnen unsere Lebenswelten zu strukturieren. Die wissenschaftliche Begleitforschung zu der fortschreitenden Digitalisierung in Deutschland nutzt bei ihrer Suche nach Antworten das immer breiter werdende Themenspektrum und den zunehmenden Facettenreichtum des Untersuchungsgegenstandes. Das Team "Zukunft der Arbeit" der Bertelsmann Stiftung hat sich genau deshalb dazu entschieden, gemeinsam mit dem MUENCHNER KREIS deren inzwischen achte Zukunftsstudie durchzuführen.
Je nachdem, ob wir zu der digital affinen Gruppe unserer Bevölkerung gehören und dabei in Chancen und Möglichkeiten denken, oder ob wir die unaufhaltsame Weiterentwicklung der Technologie als bedrohlich wahrnehmen und künstliche Intelligenz als etwas, das womöglich irgendwann dem Menschen übermächtig sein wird, bewerten wir die entstehenden Bilder positiv oder negativ.
Forscher und Wissenschaftler haben diese Annahmen über die Zukunft jedenfalls dazu gebracht, weiter- und tiefergehende Fragen zu stellen. Inhaltlich wichtige Fragen wie: Werden sich diese Veränderungen eher wirtschaftlich oder gesellschaftlich auswirken? Sind diese durch eine sich immer weiter entwickelnde KI hervorgerufenen wirtschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Veränderungen positiven oder negativen? Wie tief wird KI in unser privates Leben eingreifen? Werden personalisierte KI-Systeme uns wie ein Schatten begleiten und werden wir sie akzeptieren oder tolerieren?
Wie wird künstliche Intelligenz Einfluss nehmen auf unsere Art zu konsumieren, zu wohnen, mobil zu sein und Medien zu nutzen? Wo wird die große Stärke von KI, nämlich den Menschen zu unterstützen, am ehesten spürbar werden und ihm helfen, Dinge zu tun, die er selbst zwar verrichten kann, dafür aber mehr Zeit, Kraft oder andere Ressourcen bräuchte? Wird sich KI auf unsere Bildungswege und –chancen auswirken? Wird KI unsere privaten Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse verändern, sodass nicht mehr wir selbst als Mensch entscheiden (Stichwort Berufswahl, Wahl des Wohnortes usw.)? Und falls ja, wie wird das sein? Und wann? Kurzfristig bis ungefähr 2025, oder langfristig bis 2035 und darüber hinaus? Oder womöglich sogar nie?
Fantasiereisen und das Zeichnen möglichst positiver Zukunftsszenarien reichen für die Beantwortung dieser Fragen leider nicht aus. Man muss vielmehr eine übergeordnete Perspektive einnehmen und klären, wer künftig das Heft des Handelns in die Hand nehmen und den Diskurs zur Nutzung und Entwicklung von KI gestalten wird.
Die Zukunft der Arbeit und KI
Wenn wir an Themen wie die Zusammenstellung von Teams durch KI, die Veränderung administrativer Führungsaufgaben, die Entstehung neuer Unternehmen mit hoher KI-Durchdringung und auch die durch KI mögliche stärkere Transparenz von Arbeitsleistung denken, dann ist zu erwarten, dass hier besonders starke Veränderungen stattfinden werden.
Das menschliche Kompetenzen in der Mensch-Maschine-Interaktion von Unternehmen nach wie vor vorrangig betrachtet und entsprechend zielgerichtet weiterentwickelt werden zeigt, dass das Vertrauen in die menschliche Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit unangefochten ist. Sowohl für die Wirtschaft (87 Prozent) als auch für die Gesellschaft (76 Prozent) sehen die BefragungsteilnehmerInnen hier positive Tendenzen.
83 Prozent der ExpertInnen schätzen weiterhin, dass die menschliche Arbeitsleistung kurz- bis mittelfristig transparenter und damit kontrollierbarer wird. Die positiven Auswirkungen dieser Entwicklung verorten sie dabei eher einseitig auf Seiten der Wirtschaft.
Skeptisch sind die ExpertInnen bei der Annahme, dass ohne KI, oder anders, ohne personalisierte Assistenten, der Mensch nicht mehr arbeitsfähig sein wird. Der Zeitpunkt des Eintreffens dieser daher eher langfristig nach 2035 gesehen, wobei 15 Prozent sogar davon ausgehen, dass dies nie der Fall sein wird. Und falls doch, dann hat dies eher positive Auswirkungen auf die Wirtschaft, als auf die Gesellschaft.
Beeindruckend einig sind sich die Experten dahingegen bei der Frage, ob der Einsatz von KI die Aufgabenbereiche des Managements verschieben wird: 76 Prozent meinen, dass KI administrative Aufgabenbereichen wie Aufgabenplanung, Zielerreichung und Kontrolle übernehmen wird. Da nach Aussage der ExpertInnen (73 Prozent) in Unternehmen so ein Großteil der Entscheidungen künftig von KI-Technologien vorbereitet wird, ist das Management hauptsächlich für Personalführung, Motivation und Kreativleistungen verantwortlich und weniger in betriebliche Entscheidungsprozesse eingebunden. Ein neues Verständnis von Management wird sich entwickeln. Beeindruckende 80 Prozent der ExpertInnen erwarten dadurch sogar positive Effekte für die Wirtschaft.
Anknüpfend an die Studie zur Plattformarbeit in Deutschland wird die Frage nach dem Wandel der Beschäftigung hin zu überwiegend hybriden Tätigkeiten in der Zukunftsstudie ganz ähnlich beantwortet: 59 Prozent der Befragten meinen, dass langfristig der überwiegende Teil der Menschen in Deutschland als Freelancer tätig sein wird.
Die hohe Flexibilität hinsichtlich der Auswahl von Arbeitsinhalten und Unternehmen führt dazu, dass Beschäftigung kaum noch im Sinne langjähriger Betriebszugehörigkeit erfolgt. Skeptischer als in der Studie zur Plattformarbeit wird allein der Aspekt der positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft eingeschätzt. Hier erwarten nur 25 Prozent einen echten Nutzen für die Gesellschaft (bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben, bessere Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Handicaps usw.). 57 Prozent prognostizieren sogar negative Effekte.
Ein Wehmutstropfen noch zum Schluss: fast die Hälfte der Befragten glaubt nicht daran, dass sich durch den Einsatz von KI unsere wöchentliche Arbeitszeit reduzieren wird. Die andere, dahingehend optimistischere Hälfte hingegen sagt, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit sowohl der Wirtschaft (65 Prozent) als auch der Gesellschaft (64 Prozent) zu Gute kommen würde.
Weitere Studienergebnisse – Ein Schwenk in die Zukunft
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Kräfteverhältnisse auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz verschieben werden. 31 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass aktuell die Wirtschaft den KI-Diskurs dominiert. Nur 15 Prozent sehen sie auch künftig noch als den mächtigsten Akteur. 34 Prozent sind der Meinung, dass in Zukunft vielmehr die Gesellschaft (34 Prozent) sowie die Politik (20 Prozent) die größte Gestaltungskraft ausüben werden.
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