eBooks im Unterricht: "Das Lernen wird lebendiger"
Stuttgart, November 2020 - Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung des Unterrichts einen enormen Schwung versetzt. Dazu gehört auch der Einsatz von eBooks. Der Autor und Konrektor der Realschule am Hemberg in Iserlohn, Jochen Ciprina, unterrichtet Physik und Chemie und spricht über die Vorteile des digitalen Lernens.
Wie unterscheidet sich ein eBook von einem Schulbuch als Printprodukt? Was ist ähnlich, wo liegen die Unterschiede?
Jochen Ciprina: Bis vor kurzem war ein eBook häufig einfach nur die digitale Version des Printprodukts. Da gab es kaum Unterschiede, außer natürlich in der Haptik und dass sie weniger wiegen als ein herkömmliches Schulbuch. Inzwischen leisten eBooks viel mehr. Die Schülerinnen und Schüler können Notizen oder Markierungen einfügen und Zusatzfunktionen nutzen. Um ein Beispiel zu nennen: Der Platz im Schulbuch ist begrenzt. Wer mehr zu einem bestimmten Thema erfahren möchte, erhält über Lehrwerkcodes Zugang zu weiteren Materialien auf der Verlagswebsite.
eBooks sind also sehr flexibel einsetzbar. Was können sie noch?
Jochen Ciprina: Den größten Nutzen sehe ich in den diversen Zusatzmodulen. Das Lernen wird abwechslungsreicher und dadurch lebendiger. Die Schülerinnen und Schüler können sich passend zum Lernstoff ein interaktives Experiment ansehen oder das Tafelbild meines Unterrichts abfotografieren und bearbeiten. Normalerweise geht ja viel Unterrichtszeit dafür ´drauf, ein Tafelbild oder einen Versuchsaufbau abzuschreiben bzw. abzumalen.
eBooks machen den Unterricht demnach nicht nur flexibler, sondern auch schneller. Profitieren davon alle Schülerinnen und Schüler?
Jochen Ciprina: Ja, denn ich kann als Lehrer in Kombination mit dem digitalen Unterrichtsassistenten steuern, welche Aufgabe oder welche Übung für einen Schüler relevant ist, was er überspringen oder auch vertiefen kann. Der Einsatz von eBooks macht überhaupt nur dann Sinn, wenn ich auch mit einem digitalen Unterrichtsassistenten arbeite. Darin enthalten sind das Schülerbuch, der Lehrerband sowie weitere Materialien und Arbeitsblätter, die auf die digitalen Schulbuchseiten abgestimmt sind. Ich würde sagen, durch den digitalen Unterricht können wir Lehrkräfte individueller auf das Lerntempo der Schülerinnen und Schüler eingehen. Und auch die Kinder selbst können ihr Lerntempo besser bestimmen.
Diese schöne neue Unterrichtswelt braucht die passende digitale Ausstattung. Wie haben Sie diese Herausforderung an Ihrer Schule gelöst?
Jochen Ciprina: Da kam uns Corona zu Hilfe. Das muss man ganz klar so feststellen. Dadurch stieg die Aufgeschlossenheit sowohl bei den Kolleginnen und Kollegen als auch bei den Eltern. Konkret heißt das: Inzwischen arbeitet jeder meiner 49 Kolleginnen und Kollegen mit einem iPad, und in einem Pilotprojekt nehmen zurzeit zwei Klassen 7 an dem Projekt iPad-Klasse zum tabletgestützten Unterricht teil. Ich beobachte dabei, dass die Kinder ganz unbefangen und mit viel Spaß zugange sind.
Ein Schüler hat zum Beispiel beim Ausprobieren einfach mal eine Seite im digitalen Buch durchgestrichen. Macht ja nichts. Kann man rückgängig machen. Geplant ist, dass alle Klassen der Jahrgangsstufe 7 iPad-Klassen werden. Das ist bereits von der Schulkonferenz abgesegnet. Wir haben die Eltern, die zum vergangenen Schuljahr ihre Kinder bei uns angemeldet haben, bei den Aufnahmegesprächen informiert und sie haben zugestimmt. Was noch wichtig ist, wenn Sie nach Technik fragen: Wir haben jetzt im ganzen Gebäude WLAN.
Warum konzentrieren Sie sich auf die Klassen 7?
Jochen Ciprina: Unsere iPads werden durch die Eltern finanziert. Wenn wir in der Klasse 5 beginnen würden, müssten die Schülerinnen und Schüler die iPads über mindestens sechs Schuljahre verwenden. Ob die Geräte technisch so lange durchhalten, ist fraglich. Für die Eltern hätte dies dann erneute Anschaffungskosten zur Folge. Da wir in der Klasse 7 beginnen, können wir davon ausgehen, dass das iPad vier Jahre bis zum Ende der Schulzeit an der Realschule genutzt werden kann.
Eine Frage zur Digitalisierung in den Elternhäusern: Während des Lockdowns hatte sich gezeigt, dass viele Familien für einen Online- oder auch Hybrid-Unterricht nicht gut genug ausgestattet waren. Passt das auch zu Ihrer Beobachtung?
Jochen Ciprina: Allerdings. Eltern und Kinder haben Smartphones – und das war es dann auch schon. PCs und Drucker fehlen in vielen Familien. Was mich aber noch mehr gewundert hat: Emails gelten bei den Kindern als absolutes „oldschool“-Medium zur Kommunikation. Inzwischen hat bei uns jede Schülerin und jeder Schüler eine eigene Schulmail und auch alle Eltern.
Zurück zu dem Einsatz von eBooks im Unterricht. Haben Sie noch Wünsche an die Hersteller?
Jochen Ciprina: Ja, es wäre zum Beispiel gut, wenn die Nutzung der eBooks für zwei Jahre statt nur für ein Jahr möglich wäre. Wir arbeiten an unserer Schule in Doppeljahrgängen und müssen nach jedem Jahr neu bestellen. Außerdem sind manche Lizenzen daran gebunden, das Printprodukt ebenfalls zu kaufen. Das finde ich nicht so gut.
Was meinen Sie: Wie sieht der Unterricht der Zukunft aus?
Jochen Ciprina: Ich denke, die Zukunft liegt eindeutig im digitalen Lernen. Ich habe zum Beispiel bei einer Englisch-Kollegin gesehen, wie die Schülerinnen mit Hilfe der Green Screen-Technik – dafür braucht man ein grünes Tuch – ihre englischen Dialoge vor dem Piccadilly-Circus in London sprachen. So kann man authentische Sprachanlässe generieren, ohne dorthin reisen zu müssen. Eine super Sache! Andere Kollegen experimentieren mit Stop-Motion-Filmen, dafür gibt es inzwischen eigene Apps. Die Möglichkeiten sind einfach enorm!
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