Standortbestimmung in Sachen Nachhaltigkeit
Karlsruhe, September 2022 – Digital-Experte time4you diskutiert u.a. im Rahmen der ZP Europe aktuelle Trends und Themen der HR- und Corporate Learning-Community. Eine der größten aktuellen und künftigen Herausforderungen ist das Thema "Nachhaltigkeit". time4you hat einen Nachhaltigkeits-Self-Check entwickelt, der auf den praxisnahen Kriterien des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) basiert. Geschäftsführerin Beate Bruns erläutert die Hintergründe.
Im Markt für Corporate Learning und Weiterbildung wird zunehmend neben den Technologieansätzen, dem Ansatz der leichten Implementierung und Kosten-Nutzen Aspekten des digitalen Lernens auf Sicherheit und Nachhaltigkeitsaspekte verwiesen und dass das nicht gerade trivial sei. Wie gelingt so etwas und wie können sich Unternehmen sicherer aufstellen?
Beate Bruns: Das ist ein extrem hoher Anspruch für die Dienstleister, aber auf jeden Fall zu meistern, wie unser Ranking bei der letzten PUR-HR Studie 22 klar gezeigt hat.
Wir haben allerdings festgestellt, dass insgesamt beim Thema Nachhaltigkeit noch viel Unsicherheit besteht.
Konzentrieren wir uns auf die Nachhaltigkeitsaspekte: Wie definiert man CSR aktuell, was gehört auf jeden Fall dazu? Wo sind wir ggf. noch weit von Green Learning entfernt?
Beate Bruns: CSR steht für Corporate Social Responsibility, ist als Aufgabe nicht neu und wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer umfassender definiert - in engem Bezug zur Nachhaltigkeit, der "sustainability". Schon das Konzept und Modell des "ehrbaren Kaufmanns" enthält viele Elemente, die sich in den Konzepten von CSR und Nachhaltigkeit wiederfinden. Letztlich geht es darum, so zu wirtschaften und zu haushalten, dass die aktuelle und die folgenden Generationen gut leben können, dass wir als Unternehmerschaft also auf eine ganz grundsätzliche und umfassende Weise Verantwortung für unser wirtschaftliches Handeln übernehmen.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir auch verantwortlich gemacht werden können für Schäden, die wir mit unserem Tun verursachen. Im Konzept der Nachhaltigkeit ist hierfür der Ausgleich und die Harmonisierung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Interessen verankert.
Muss jedes Unternehmen ab 2023 einen Nachhaltigkeitsreport erstellen?
Beate Bruns: In den EU-Mitgliedsstaaten wird in der Tat ab 2023 von einer weitaus größeren Anzahl von Unternehmen als bisher gefordert, dass sie als integrales Element ihrer Berichterstattung ihre Nachhaltigkeitsziele, -ergebnisse und -maßnahmen aufnehmen. Das bedeutet für die Wirtschaftsakteure, dass die finanziellen Ziele den sozialen und ökologischen Zielen nicht mehr übergeordnet sind bzw. dass alle Aktivitäten auf ein insgesamt nachhaltiges Wirtschaften ausgerichtet sind.
Auch Lieferanten können davon betroffen sein, selbst wenn sie nicht selbst zur umfassenderen Berichterstattung verpflichtet sind. Das liegt daran, dass ihre Abnehmer auch über ihre Lieferketten berichten und dafür die entsprechende Mitwirkung ihrer Lieferanten benötigen.
Warum hat time4you einen Online Self-Check erstellt? Wie muss man sich das Procedere vorstellen? Ist mit dem Self-Check ein Branchenvergleich möglich?
Beate Bruns: Claus Lang-Koetz von der Hochschule Pforzheim und ich haben uns im Rahmen unserer Arbeit im Nachhaltigkeits-Circle (eine Initiative der Copetri GmbH) die Frage gestellt, wie wir Organisationen bei einer Standortbestimmung in Sachen nachhaltige Unternehmensführung unterstützen können. Da lag es nahe, in Richtung Reifegradmodelle zu denken. Unser Online-Self-Check ist frei im Internet verfügbar und implementiert in der aktuellen Fassung einen einfachen, praxisnahen Self-Check mit Online-Auswertung, der auf dem deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) basiert.
Der DNK ist wiederum an den internationalen Standards ausgerichtet und hat in unseren Augen gegenüber anderen Modellen den großen Vorteil, dass er sehr pragmatisch und praxistauglich ist. Zunächst ist der Online-Self-Check ein individuelles Instrument, mit dem ich feststellen kann, wie fit meine Organisation aktuell in Punkto Nachhaltigkeit (gemessen in zwanzig Kriterien) ist.
Mittelfristig planen wir, die Auswertung mit einem Benchmark zu kombinieren, um auch zu sehen, wo ich im Vergleich mit anderen stehe, wie weit ich im Markt-Vergleich bin. Aktuell sind dafür jedoch noch zu wenig Daten (anonymisiert) vorhanden.
Was ist ein guter Wert in Punkto Nachhaltigkeit?
Beate Bruns: Das zugrunde liegende Reifegradmodell sieht fünf Stufen vor - ab Stufe 3 ist man schon auf einem guten Weg. Zum anderen hängt es von der eigenen Zielsetzung und den Randbedingungen ab, was Nachhaltigkeit für die eigene Organisation bedeutet und welchen Entwicklungspfad man einschlägt. Mich persönlich - auch als Unternehmerin - hat eine Frage sehr beeindruckt, die Mike Berners-Lee in seinem Buch "There is no Planet B" stellt: Wann ist es gut, dass ein Unternehmen existiert? (in: Mike Berners-Lee, There is no Planet B, Cambridge University Press 2021, S. 179)
Seine Kriterien sind sehr weitreichend:
1. Wenn es einen nützlichen Job macht, also nützliche und wertvolle Güter und Dienstleistungen bereitstellt, die das Wohlergehen ("wellbeing") von Menschen und Planet jetzt und in Zukunft verbessert.
2. Wenn es die Mitarbeitenden erfüllt, für dieses Unternehmen zu arbeiten und
3. wenn es die angemessene Verteilung von Wohlstand ermöglicht, wenn das Unternehmen also einen Beitrag zur angemessenen Verteilung des Wohlstands ("wealth") leistet, sodass alle Menschen über die Ressourcen verfügen, die sie für ein gutes Leben benötigen ("to have quality in their lives").
Gerade das letzte Kriterium finde ich extrem anspruchsvoll und das Fazit von Berners-Lee ist im Grunde "vernichtend": "Businesses that don't meet all these criteria should sort themselves out as a matter of priority and those that meet one or fewer should probably simply close down." Um besser schlafen zu können, betrachte ich die Frage und die Kriterien als heuristisches Instrument, mit dessen Hilfe ich immer wieder unser eigenes Wirtschaften überprüfen kann.
Haben Sie beim Check auch Schwachstellen bemerkt, an denen Sie persönlich arbeiten wollen?
Beate Bruns: Aus meiner Sicht ist für die meisten deutschen Unternehmen und auch für die time4you GmbH der ökologische Aspekt der Nachhaltigkeit der aktuell und in den nächsten zehn bis 50 Jahren dringendste. Zugleich ist das Thema sehr komplex, weil es alle Lebensäußerungen betrifft. Digitalisierung und Virtualisierung von Prozessen und Produkten kann zur Reduktion von Ressourcenverbrauch beitragen, aber auch nur dann, wenn wir mit den für die Digitalisierung benötigten Ressourcen selbst nachhaltig umgehen.
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