Warum digitale Medien in den Schulen noch immer problematisch sind
Osnabrück/Köln, März 2010 - Im Herbst 2001 verkündete die damalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, dass nun alle Schulen in Deutschland einen Internet-Zugang hätten. Knapp neun Jahre später, im Januar 2010, belegte eine Umfrage der Initiative D21 - durchgeführt von TNS Infratest -, dass digitale Medien und Unterricht an deutschen Schulen immer noch getrennte Welten darstellen.
Besonders kritisch wurde das von den Eltern bewertet: Nur vier Prozent beurteilen den Einsatz von Computern in Schulen als ausgezeichnet.
Was also ist mit all den Computern und Netzwerken in den Schulen passiert? Stehen sie ungenutzt in Schränken und Kellern, wurden Millionen von Euros falsch investiert? "Unsere seit 1986 gemachten Erfahrungen zeigen, dass nach einer Neuinvestition der anfängliche Enthusiasmus sehr schnell der Ernüchterung weicht", berichtet Josef Seitner, Geschäftsführer der MTS Reinhardt GmbH.
"Die Motivation bei den Lehrkräften sinkt sehr schnell, wenn das erforderliche Managementsystem nicht da ist oder nur halbherzig berücksichtigt wurde. Die Folge sind leider nur all zu oft Investitionsruinen. Das gilt übrigens auch für öffentlich geförderte 'Pilotprojekte', die nach Auslaufen der Fördermittel wieder in der Versenkung verschwinden. Beispiele gibt es genug."
Mit anderen Worten: Zwar wurden Computer, Laptops und Server angeschafft, was aber fehlte, war die Infrastruktur, zum Beispiel für die weitere Systempflege.
"Lehrerweiterbildung für PC-Nutzung ist stark betriebssystem- und netzwerklastig. In den Betrieben sieht das ganz anders aus. Welcher Mitarbeiter muss zum Beispiel bei Hewlett Packard wissen, wie man das Netzwerk 'tuned', oder Windows7 Upgrades selber am Arbeitsplatz ausführt?" kritisiert auch Dietmar Frick, Sales Manager des Public Sectors von HP Deutschland.
In der Schule hat diese Aufgabenverteilung oft dramatische Auswirkungen: Ist der IT-Fachmann, zum Beispiel Chemie-Lehrer, krank, dann fällt in dieser Woche der Computerbetrieb aus, weil irgendwo ein Server nicht funktioniert. Die "Patchwork"-Umgebung durch gespendete Altgeräte aus der Industrie, Open Source Software, von IT-Lehrer für IT-Lehrer entwickelt, tut ihr Übriges.
"Schulträger sind technikverliebt und schreiben Hardware aus, ohne die bestehende Infrastruktur der Schule und die folgenden Wartungskosten einer Billigbeschaffung zu berücksichtigen", berichtet Josef Seitner. "Das fördert wartungsaufwendige und heterogene IT-Landschaften. Unsere internen Berechnungen gehen bei rund 31.000 Schulen in Deutschland von mindestens 51.000 Unterrichtsstunden pro Woche aus, die von Lehrkräften für die Systemadministration aufgewendet werden. Bei den Lehrkräften handelt es sich zu 90 Prozent um Mathematik- und Physiklehrer." Und gerade die werden dringend zum Unterrichten gebraucht.
Gefördert wird diese Situation durch die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Während die Länder für Lehrergehälter zuständig sind, zeichnen die Kommunen für die Ausstattung verantwortlich. Zugespitzt: Was kümmert es die Kommune, wenn Lehrerstunden investiert werden, damit die Technik funktioniert? Und die kommt oft genug zum Erliegen - nicht nur weil der IT-Lehrer der Schule krank oder auf Klassenfahrt ist. So "fördern" fehlende Sicherheitskonzepte die Kreativität der Schüler, es werden Trojaner und Viren eingeschleust oder die Rechner werden anderweitig manipuliert.
Einige Kommunen und Kreis haben unterdessen die Problematik erkannt und sich auf den Weg zu einem einheitlichen IT-Konzept gemacht. So werden in einem mehrjährigen Projekt im Kreis Offenbach alle 90 Schulen - von der Grundschule bis zur Gesamtschule - standardisiert ausgestattet. Bisher verfügen 70 Schulen über den definierten Standard und entlasten so die Lehrkräfte.
Nach der Erstinstallation übernimmt ein ausgebildeter Dienstleister, der die installierten Komponenten sowie das Managementsystem kennt, die Hotline und den Vor-Ort-Support. Die pädagogische Komponente findet ihren Niederschlag in dem an einer Schule eigens eingerichteten IT Kompetenzzentrum, wo sowohl Weiterbildungen stattfinden als auch Systemerweiterungen getestet werden, bevor diese in den Schulen eingeführt werden. Ähnlich verfahren auch der Landkreis Fürstenfeldbruck sowie die Städte Lüdenscheid und Höxter.
Gerade wurden im Rahmen des Konjunkturprogramms II nicht wenige Schulen mit interaktiven Whiteboards beglückt. Bevor wiederum viele Lehrerstunden, die dringend zum Unterrichten gebraucht werden, für Installation und Pflege dieser Technik investiert werden, sollten die Verantwortlichen in Kommunen und Ländern über die Effektivität einheitlicher IT-Konzepte nachdenken. Ein Besuch bei funktionierenden Projekten wie in Offenbach oder Lüdenscheid könnte dazu hilfreiche Impulse liefern.
Auf der didacta:
Sowohl für den schulischen Bereich als auch für den Bereich Aus- und Weiterbildung stellen viele Unternehmen auf der Messe IT-Ausstattungen und -Konzepte vor.
Sonderschau "Kompetenz fördern, Qualifizierung stärken, Orientierung vermitteln: Medienbildung 2.0". Während der gesamten Messe von 9 - 18 Uhr, Halle 10.1 Stand E88
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