Aufstieg durch Bildung: Wettbewerb fördert Durchlässigkeit
Bonn/Berlin, Dezember 2011 - (von Prem Lata Gupta) Wer sein Studium abgebrochen oder wegen Familiengründung ausgesetzt hat, wer sich nach Jahren der Berufstätigkeit akademisch weiterbilden möchte, hat es heute leichter als früher: Immer mehr Hochschulen bieten Möglichkeiten zur Weiterbildung an. 26 besonders überzeugende Vorhaben werden jetzt im Wettbewerb "Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen" vom Bundesbildungsministerium (BMBF) gefördert. Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen sieht eine Win-win-Situation: Im Sinne von Durchlässigkeit, die den erwachsenen (Wieder-)Einsteigern zugute kommt, aber auch als "Chance für die Wirtschaft".
Inwiefern steht der Wettbewerb "Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen" für einen wichtigen Schritt?
Cornelia Quennet-Thielen: Der demographische Wandel, der weltweite Wettbewerb und die zunehmende Bedeutung von wissensbasierten Berufen: Sie führen dazu, dass lebenslanges Lernen in unserer Gesellschaft immer wichtiger wird. Auch die Hochschulen müssen sich darauf einstellen. Immer mehr Studierende werden nicht über den "klassischen" Weg des Abiturs kommen, sondern im Erwachsenenalter, etwa nach Jahren der Berufstätigkeit oder nach einer Familienpause. Das macht neue Studienformate erforderlich.
Mit dem Wettbewerb "Offenen Hochschulen" will das BMBF zusammen mit den Ländern diese Profilbildung im Hochschulsystem im Bereich des lebenslangen wissenschaftlichen Lernens fördern. Damit trägt der Wettbewerb zur Öffnung der Hochschulen für weitere Zielgruppen - etwa Menschen mit einer Berufsausbildung - bei. Wir erhöhen also die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung und tragen gleichzeitig zur Sicherung des Fachkräftebedarfs bei.
Wie sehen Sie aktuell die Situation von weiterbildungswilligen Berufstätigen?
Cornelia Quennet-Thielen: Nur wenige deutsche Hochschulen richten bisher ihr Profil am Lebenslangen Lernen aus. Speziell auf Berufstätige zugeschnittene Studienangebote werden nur an wenigen Hochschulen angeboten. Selten sind sie in langfristig ausgerichtete hochschulpolitische Strategien eingebunden. Eine Verzahnung von beruflicher Bildung und Hochschulbildung, von Wissenschaft und Wirtschaft/Verwaltung bei Entwicklung und Management des Studiengangs ist auch nur vereinzelt erkennbar.
Was können Politik, Wirtschaft und Gesellschaft leisten, um dieses Potenzial zu vergrößern?
Cornelia Quennet-Thielen: Die Politik hat für durchlässige Bildungsstrukturen gesorgt. Dies ist beispielsweise mit der Zulassung von Meistern - auch ohne Abitur - zum Studium geschehen, wie sie heute überall die Regel ist. Auch dass Masterstudierende seit unserer Gesetzesnovelle Ende letzten Jahres bis 35 Jahre BAföG erhalten können - statt wie früher bis 30 - ist ein Schritt in Richtung Durchlässigkeit und Flexibilität. Die Bologna-Reform mit ihrer gestuften Studienstruktur befördert dies ebenfalls.
Für die Wirtschaft liegen große Chancen darin, mit den Bildungsinstitutionen, vor allem mit den Hochschulen, zusammen zu arbeiten. Gemeinsame Studiengänge oder duales Studium sind Beispiele. Auch mit der Einführung des Deutschlandstipendiums hat die Bundesregierung einen Anreiz für partnerschaftliches Zusammenwirken gesetzt: Zu jedem monatlichen Stipendium von 150 Euro, das Unternehmen oder auch Alumni aufbringen, gibt das Bildungsministerium noch mal 150 Euro dazu. Insgesamt erhalten die Stipendiaten auf diese Weise 300 Euro monatlich.
Inwiefern entwickeln Hochschulen in diesem Land ein Profil und reagieren damit auf neue Anforderungen?
Cornelia Quennet-Thielen: Unser Leitbild ist das der autonomen Hochschule. Immer mehr Hochschulen entwickeln eigene Profile, sowohl, was Lehre, Forschungsschwerpunkte und übergeordnete Zielvorstellungen anbelangt, als auch im Hinblick auf ihre Zielgruppen. Weiterbildung ist hier ein vielversprechendes Feld, mit dem ganz neue Zielgruppen erreicht werden können: Berufstätige, Berufseinsteiger, Eltern mit familiären Verpflichtungen.
Bund und Länder befördern das mit vielfältigen Maßnahmen, darunter der Exzellenzinitiative, dem Qualitätspakt Lehre und dem Wettbewerb Offene Hochschulen. Darüber hinaus wird in die Hochschulgesetze der Länder zunehmend das Lebenslange Lernen eingebracht. Immer mehr Hochschulen nehmen sich des Themas an. Es müssen aber noch viel mehr werden!
Was zeichnet die Sieger des Wettbewerbs aus? Nach welchen Kriterien wurden sie ausgewählt?
Cornelia Quennet-Thielen: Es geht darum, die Hochschulen zu öffnen: für beruflich Qualifizierte, für neue Studienformate. Eine unabhängige Jury hat die eingereichten Konzepte bewertet. Dabei wurden insbesondere die Schlüssigkeit des Vorhabens, die Durchführbarkeit, die Nachhaltigkeit und die finanzielle Angemessenheit betrachtet.
Viele Projekte setzen auf neue Angebote in der Weiterbildung und nutzen diese für eine strategische Neuausrichtung der Hochschulen auf neue Zielgruppen. Beispielhaft nenne ich das Projekt "best - berufsbegleitendes Studium nach dem Heilbronner Modell". Lernen an der Hochschule und Arbeiten wird hier miteinander verbunden: Die Praxiserfahrung fließt ins Studium ein, die Studienerfahrung in die Praxis.
Spielten bei der Auswahl der Projektsieger auch eLearning- Ressourcen oder Fernlern-Angebote eine Rolle? Schließlich kann nicht jeder Berufstätige sich beliebig lang und oft für seine Weiterbildung ausklinken...
Cornelia Quennet-Thielen: Ressourcen für eLearning oder Fernlern-Angebote waren kein formales Auswahlkriterium. Dennoch setzt eine Vielzahl der ausgewählten Projekte auch diese Lehr-/Lernform ein, da sie die Vereinbarkeit von Studium und Beruf sowie Studium und Familie einfacher macht.
Das Programm wiederum wird von Weiterbildungsexperten wissenschaftlich
begleitet: Was verspricht sich das BMBF davon?
Cornelia Quennet-Thielen: Das Programm wird zum einen wissenschaftlich begleitet. Damit wollen wir ein Kooperationsnetzwerk zwischen den Projekten aufbauen und den Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen den Projekten, in die Hochschullandschaft und die Öffentlichkeit hinein befördern. Zum zweiten wird das Programm evaluiert, das heißt in seinem Aufbau und seinen Wirkungen analysiert. Damit schaffen wir die Basis für die bessere Steuerung im Sinne eines "lernenden Programms".
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