Der "stern" entdeckt Augmented Reality
Karlsruhe/Hamburg, Januar 2012 - Dem Betrachter ragt der Hamburger Michel in 3D entgegen, Wasser platscht, ein virtueller Udo Lindenberg philosophiert über seinen Hut und die Welt. Der "stern" hat mit Augmented Reality experimentiert. Und wer weiß, vielleicht erlebt der Leser ja eine Fortsetzungsgeschichte. Werner Hinzpeter, Redakteur für Sonderaufgaben bei dem auflagenstarken Hamburger Nachrichtenmagazin, beschreibt auf dem Kongress der LEARNTEC den Entstehungsprozess solch eines neuartigen Angebots und daraus resultierende Erfahrungen. Sein Fazit: "Es war Bildung am entstehenden Objekt."
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Sie haben in einer Ausgabe des "stern" nicht nur anschaulich über Augmented Reality berichtet, sondern dem Leser erstmals mittels kostenloser App auch 15 Anwendungen zur Verfügung gestellt. Hat Augmented Reality für den "stern" vorher keine Rolle gespielt?
Werner Hinzpeter: Innerhalb der Redaktion natürlich schon, in unserem Ressort verfolgen wir alle technischen Entwicklungen kontinuierlich. Aber so eine Aktion war erst möglich, als es einen nennenswerten Anteil von Smartphone-Besitzern im Land gab. Außerdem waren die ersten AR-Anwendungen für Verbraucher eher was für Technikfreaks. Erst im Frühjahr waren wir überzeugt, dass es genügend ausgereifte und nützliche Software gab, um sie unseren Lesern vorzustellen.
Heißt das, dass die gesamte Redaktion total angetan war von der Idee?
Werner Hinzpeter: So ein außergewöhnliches Projekt bringen sie vermutlich in keinem Blatt der Welt unter, ohne Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber tatsächlich hat es mich überrascht, wie viele Kollegen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Redaktion sofort begeistert waren. Etwa unsere Infografiker, die Video-Kollegen von stern.de und dem eMagazine und auch die Cartoonisten Gerhard Haderer, Til Mette und Tetsche.
Letztlich war es doch unbekanntes Terrain...
Werner Hinzpeter:Es war für fast alle komplettes Neuland, wir haben uns also am lebenden Objekt fortgebildet. Und unser Anspruch war hoch: Wir wollten von Anfang an nicht irgendwas mit Augmented Reality machen, sondern die technischen Möglichkeiten so weit wie möglich ausreizen. Und dabei haben wir uns das Ziel gesetzt, die ganze Bandbreite unseres Hefts sinnvoll erweitern. Das Ergebnis, das sie in unserer AR-Ausgabe sehen können, reicht von Unterhaltung über zusätzlichen Nutzwert bis hin zu ernsthaften journalistischen Angeboten wie ergänzende Videos mit Hinterbliebenen des Anschlags auf das World Trade Center.
Was waren die größten Herausforderungen?
Werner Hinzpeter: Ganz sicher die technischen Hürden. Zunächst einmal mussten wir klären, welche unserer Ideen überhaupt schon für Smartphones realisierbar waren und wie das geht. Es war uns wichtig, die Inhalte so weit wie irgend möglich selbst zu produzieren. In die App bringen konnte sie aber nur die Firma Metaio in München, die mit ganz anderer Technik arbeitet. Die Softwares haben sich nicht immer auf Anhieb vertragen. Besonders die Konvertierung unserer 3D-Grafiken hat einigen Beteiligten viel Hirnschmalz abverlangt. Die Lernkurve war steil, und am Ende hat tatsächlich alles geklappt, was wir uns vorgenommen hatten.
Wie lange haben Sie denn für diese besondere Ausgabe gebraucht?
Werner Hinzpeter: Das AR-Projekt hatte drei Monate Vorlauf, fünf Wochen waren wir mit der Produktion beschäftigt. Für ein aktuelles Magazin wie den stern ist soviel Vorlauf natürlich eine Hürde. Es war gut, dass in der letzten Woche vor dem Druck nichts passiert ist, dass den geplanten Titel beansprucht hätte. Denn es wäre kaum möglich gewesen, zu einem anderen Titelthema so kurzfristig gute AR-Inhalte zu produzieren. Zum Glück entwickelt sich diese Technik gerade mit hoher Geschwindigkeit weiter, das heißt: dieses Problem würden wir wohl nicht noch einmal haben.
Wer sollte sich denn die Anwendungen anschauen können?
Werner Hinzpeter: So viele Leser wie möglich. Die Software, mit der wir gearbeitet haben, gab es für iPhones und Android-Handys - also haben wir beide Systeme genutzt. Außerdem haben wir uns bei den Datenmengen beschränkt, damit sie nicht nur von den leistungsstarken Smartphones der neuesten Generationen verarbeitet werden können. In der Praxis ist das allerdings leider in einigen Fällen daran gescheitert, dass es für Android-Handys keinen einheitlichen Standard gibt. Eine Kollegin hat extra für das Heft ein Smartphone gekauft. Das war zwar nagelneu, aber der Chip darin veraltet, so dass unsere App darauf nicht lief.
Und wie war das Interesse generell?
Werner Hinzpeter: Unsere Anwendungen sind gut 100.000 Mal angeschaut und genutzt worden. Fachleute finden diese Zahl sensationell. Andererseits heißt das, dass wir nur einen Bruchteil unserer mehr als sieben Millionen Leser erreicht haben. Das liegt natürlich daran, dass längst noch nicht jeder ein modernes Smartphone hat und nutzt. Möglicherweise hätten wir auch im Heft noch stärker darauf hinweisen können, welche schönen Zusatzangebote mit den AR-Seiten verknüpft sind. Ich glaube, da waren wir bei unserem ersten Versuch zu hanseatisch zurückhaltend.
Wo sehen Sie den Mehrwert von Augmented Reality für ein renommiertes Printmagazin?
Werner Hinzpeter: Damit wird es möglich, die natürlichen Grenzen zu sprengen, die Print gesetzt sind - also die Geschichten um Bewegtbild, Ton und dreidimensionale Darstellungen zu erweitern. Voraussetzung ist allerdings, das man dieses Mittel nicht einsetzt, nur um es zu haben. Wenn ich mein Handy nehme, die App starte und darauf warte, dass der Inhalt lädt, möchte ich hinterher auch mit etwas Sehenswertem belohnt werden. Startet dann stattdessen ein müdes oder veraltetes Filmchen, ärgere ich mich. Und wenn sich das wiederholt, mache ich mir irgendwann nicht mehr die Mühe, mein Handy zu zücken.
Wie geht es weiter beim "stern"? Wollen Sie auch künftig Augmented-Reality-Anwendungen einbinden?
Werner Hinzpeter: Zumindest denken wir darüber nach. Wir wissen jetzt, wie es geht. Und die Technik dafür entwickelt sich mit so großen Schritten weiter, dass man AR-Inhalte bald mit überschaubarem Aufwand mit einem Magazin verknüpfen könnte.
Besuchen Sie den Vortrag von Werner Hinzpeter im Rahmen des LEARNTEC Kongresses am 31. Januar 2012 im Workshop von 11 bis 13 Uhr, Raum K 10/11 auf der Konferenzebene.
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