Generation Y: Lernanforderungen für 2020
Gütersloh, Dezember 2014 - Vielen HR-Abteilungen wird heute nahegelegt, sich auf die "Andersartigkeit" der Generation Y vorzubereiten, wenn sie im sich - unter Demographie-Aspekten - verschärfenden Wettbewerb um den Nachwuchs mithalten wollen. Dr. Nico Rose ist Dipl.-Psychologe und arbeitet neben seiner Verantwortung für das Employer Branding bei Bertelsmann als freiberuflicher Coach. 2010 wurde er mit dem deutschen "Coaching Award" ausgezeichnet. Sein Beitrag im LEARNTEC-Kongress fragt danach, welche strategischen Kompetenzen künftig wichtig werden.
Die Generation Y gilt als individualistisch und u. a. dadurch geprägt, dass sie – während ihres Aufwachsens – immer eine Wahl hatte und diese auch im Arbeitsleben einfordert. Welche Kompetenzen sind dadurch angelegt und welche fehlen tendenziell?
Dr. Nico Rose: Wenn man jetzt die Schablone eines typischen Generation Y‘lers nimmt – ob es ihn real gibt, ist eine andere Frage – dann fehlt wahrscheinlich ein wenig die Fähigkeit, mehr noch aber: der Wunsch, sich in bestehende Systeme einzufügen, „Ja und Amen“ zu sagen, wie das früher hieß. Das war aber immer schon das Privileg der Jugend. Und irgendwie hat es ja dann doch meistens funktioniert.
Neu ist, dass die zukünftige Generation von Berufseinsteigern eine ganz andere Verhandlungsmacht haben wird, weil ihnen der demographische Wandel in die Hände spielt. Wir bewegen uns in Deutschland sehenden Auges in Richtung eines Arbeitsmarktes, wo es praktisch keinen Sinn macht, Stellenanzeigen zu schalten, einfach weil „draußen“ keiner mehr ist, der sie lesen wollen würde. Dann können offene Stellen fast nur noch durch Abwerbung besetzt werden, und das stärkt massiv die Seite der Arbeitnehmer.
Je mehr Alternativen, desto geringer die Loyalität, behaupten Untersuchungen. Werden Spezialisierung und Zuverlässigkeit 2020 im Arbeitnehmer-/Arbeitgeber-Verhältnis wichtiger sein als Loyalität?
Dr. Nico Rose: Ich prognostiziere, dass unsere Lebensläufe im Durchschnitt deutlich fragmentierter werden, dass die Tendenz also zu kürzeren Gastspielen in Unternehmen geht. Viele werden in ihrem Leben 10, 20 oder mehr Arbeitgeber gehabt haben – und das ist völlig OK. Das hat erst einmal nichts mit Loyalität zu tun. Man ist loyal, aber eben nur für drei Jahre. Dann zieht man weiter und kommt vielleicht ein paar Jahre später wieder.
Der Trendforscher Sven Gabor Janszky sagte vor einigen Tagen in einem Vortrag, dass das für einige Firmen sogar eine Kernkompetenz in den HR Abteilungen werden könnte: Menschen freiwillig und gezielt nach wenigen Jahren aus dem Unternehmen herausentwickeln, damit sie vielleicht nach zehn Jahren in bestem Einvernehmen wiederkommen.
Der Generation Y wird einerseits internationale Mobilität aber gleichzeitig auch eine hohe Wertschätzung von Privatleben und Familie nachgesagt. Welche Formen der Work-Life-Balance sind Ihres Erachtens mit den Anforderungen globalisierter Märkte und ebensolcher Arbeitgeber vereinbar? Welche Kompetenzen ermöglichen unter derartigen Bedingungen künftige Karrieren?
Dr. Nico Rose: Hier würde ich erst einmal ein Fragezeichen setzen. Ich lese regelmäßig die Auswertungen unter Studenten und Berufseinsteigern von Instituten wie Trendence, Universum, oder auch die Befragungen unter den Mitgliedern des Karrierenetzwerkes e-fellows.net. Bei dem Thema "international" lohnt es sich, nochmal nachzuhaken. Und dann erfährt man: dem größeren Teil der jungen Leute in Deutschland geht es um "gefühlte Internationalität", nicht so sehr um Mobilität. Sprich: Man will gerne in Berlin in einem coolen Office arbeiten, wo dann noch Leute aus 20 anderen Ländern tätig sind.
Man sucht ein internationales Umfeld, aber am liebsten zuhause. Jedoch: eine "Hardcore-Expatriate-Karriere" – sieben Länder in zehn Jahren – das sucht nur ein ganz kleiner Teil der jungen Menschen. Ich habe das Gefühl, viele absolvieren heute zwei Auslandssemester, nach dem Studium geht man dann noch für drei Monate backpacken in Südostasien – und dann "ist erstmal gut". Außerdem muss man so ein Thema immer auch lebensphasenorientiert betrachten. Wenn man Mitte 30 ist, verheiratet, und vielleicht ein oder zwei Kinder da sind, dann sinkt der Wunsch nach (internationaler) Mobilität eh nochmal deutlich.
Welchen Stellenwert billigen Sie künftig sozialen Kompetenzen zu? Werden sie wichtiger oder weniger wichtig werden in der Personalarbeit 2020?
Dr. Nico Rose: Sie bleiben unverändert wichtig, aber das Spektrum dessen, was man "draufhaben" muss, erweitert sich wahrscheinlich noch deutlich. Stichworte sind hier beispielsweise "Führung von virtuellen Teams", oder auch geteilte Führung. Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft viel mehr Teilzeit-Führungspositionen sehen werden, oder eben auch, dass sich zwei Personen eine Führungsposition teilen. Das stellt dann die Stelleninhaber, aber auch die Geführten, vor neue Herausforderungen. Ganz allgemein werden Belegschaften noch viel fragmentierter werden.
Was wir mit großer Wahrscheinlichkeit vielerorts sehen werden, ist ein ziemlich bunter Mix aus eher wenigen Festangestellten, vielen "festen Freien" und "freien Freien", Outsourcing, Near-Shoring und Off-Shoring. Hier den Überblick zu behalten und jeden Menschen in seiner Individualität und den zugehörigen Bedürfnissen zu würdigen – das wird die große Kunst sein. Und dann fangen ja bald auch noch alle Geräte an, miteinander zu kommunizieren. Das war auch so ein Satz, den ich mir von Herrn Janszky gemerkt habe: "In Zukunft entscheiden Menschen vor allem dann, wenn sich zwei Computer auf gleicher Hierarchieebene nicht mehr einig werden".
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