Adaptive Learning zwischen Euphorie und Skepsis
München, November 2015 - (von Wolfgang Hanfstein, Pink University) Vergegenwärtigt man sich die enormen Fundings, die die Adaptive-Learning-Schmiede Knewton in den letzten Jahren erzielen konnte, so zeigt das zumindest, dass im Thema Adaptives Lernen viel Phantasie steckt. Und Phantasie heißt, wenn Investoren dahinter stecken, immer Skalierbarkeit. Und was skaliert werden soll, ist das Lernen als Prozess. Aber lässt sich das Lernen wirklich skalieren?
Legt man die derzeit dominierende konstruktivistische Lerntheorie (zur Vertiefung siehe Vortrag von der Zukunft Personal 2015) zugrunde, ist Skalierbarkeit erst einmal weit weg. Lernen ist demnach eine subjektive Angelegenheit, die weder verordnet noch beschleunigt und schon gar nicht skaliert werden kann. Aus der Sicht der Bildungsinstitutionen und Unternehmen sieht das aber schon anders aus. Die haben ein natürliches Interesse an effektiven Lernprozessen – also an weniger Aufwand für gleichen oder im besten Fall höheren Ertrag. Und hier kommt Adaptive Learning ins Spiel.
Adaptive Learning heißt, den Lernenden genau die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die an ihren derzeitigen Kenntnisstand anknüpfen und auf kürzestem Weg zum angestrebten Lernziel führen. Im Prinzip ist das eine grundlegende didaktische Anforderung an jegliche Art von Lernszenarien. Es geht darum, den Kenntnisstand zu evaluieren (Eingangstest) und darauf aufbauend das Weiterlernen zu ermöglichen. Das machen seit Jahrzehnten alle Sprachschulen so und soll auch durch die vielen tausend "Eignungstests" gewährleistet werden. Und es gibt natürlich den inzwischen längst wieder eingemotteten Karl Klammer – Windows-User der 1990er Jahre werden sich erinnern – als frühen Protagonisten und frühes Opfer des Adaptive Learning.
Je klarer die Lernziele und Lernschritte definierbar sind, desto besser lassen sich "Lernpfade" erstellen. Eine großer Entwicklungsschritt in diese Richtung sind mit modularen Inhalten bestückte Online-Academies (wie die Pink University sie zum Beispiel auch anbietet). Führungskräfte oder Personalentwickler weisen ihren Mitarbeitern damit gezielt genau die eLearning-Module zu, mit denen die Mitarbeiter am besten und schnellsten zum gewünschten Ergebnis kommen.
Der nächste logische Schritt ist es, diese Zuweisung zu automatisieren. Voraussetzung sind dafür allerdings mehr oder minder umfassende Datensammlungen, die aus der Dokumentation der Usersessions und dem umfassenden, teils ebenfalls automatisierten User-Feedback generiert werden. Und da wird es für Unternehmen in der Regel knifflig. Zum einen werden nur große Unternehmen überhaupt in der Lage sein, relevante Userdaten evaluieren zu können. Zum anderen dürfte der Datenschutz allzu wissbegierigen Wissensmanagern einen Riegel vorschieben. Auch die Option, die Daten, wenn auch anonymisiert, an einen Drittanbieter zu übermitteln, ist nur schwer mit der Unternehmensrealität vereinbar.
Es gibt aber auch inhaltliche Euphoriebremser, was Adaptive Learning anbelangt. Woher soll die Maschine denn wissen, was ich wissen will und muss? Was, wenn sich mein Tätigkeitsfeld verändert? Was, wenn ich kurzfristigen Lernbedarf bei einem bestimmten Thema habe, das aber nicht weiter vertiefen will? Der eLearning-Vordenker Nick Shakleton-Jones behauptet deshalb "Adaptive Learning is dead end" und plädiert stattdessen für gute Suchmaschinen. Wenn schon, dann bräuchten emanzipierte Lerner "Adaptive Goals", nicht Adaptive Learning.
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