Industrie 4.0

"Das Lernen wird weiter vereinfacht"

Thomas JeneweinWalldorf, Dezember 2015 - Für SAP ist das Thema "Digitalisierung" seit Jahren immanenter Bestandteil des täglichen Geschäfts. Schon früh machte das Unternehmen fünf Kernfaktoren aus, die die Digitalisierung begleiten und sich auch in Lernformen und Weiterbildung niederschlagen. Thomas Jenewein, langjähriger Bildungsspezialist bei SAP wird diese Zukunftsszenarien auf der LEARNTEC 2016 skizzieren.

 

Inwiefern wird Industrie 4.0 Einfluss auf die Formen des eLearnings von morgen nehmen?

Thomas Jenewein: Industrie 4.0 bedeutet auf der einen Seite Qualifizierungsbedarf. Von Meistern in der Produktion über Servicetechniker bis hin zu den Entwicklern neuer vernetzter Produkte.

Ich hoffe wir werden dann auch den Begriff "eLearning" los und reden künftig mehr von digital unterstütztem Lernen und Arbeiten. Alle Trends, die mit der Digitalisierung kommen, werden sich auch darin niederschlagen, wie wir lernen.

  • Hyperconnectivität: Alles ist vernetzt. Konsumenten und Firmen, Firmen untereinander, Menschen, Communities sowie Dinge wie Maschinen, Geräte oder Sensoren sind über das Internet vernetzt. Bestehende Regeln und Geschäftsprozesse werden dadurch radikal verändert. Die Vernetzung bestimmt das Management von Gütern, Services, Menschen oder Wissen.
  • Supercomputing: Rechenleistungen bzgl. Datenmengen oder Verarbeitungsgeschwindigkeit sind extrem fortgeschritten. Vernetzung und In-Memory-Computing ermöglichen ganz neue Geschäftsmodelle. Vorteile sind noch mehr Geschäftsabwicklungen in Echtzeit und höhere Produktivität bei gleichzeitig mehr Agilität. Denken Sie nur an die Möglichkeiten der Amazon Cloud, Google oder SAPs In-Memory-Datenbank SAP HANA.
  • Cloud Computing: Die Einführung neuer Technologien und Geschäfts-innovationen wird immer schneller und einfacher. Technologische Infrastruktur und Plattformen können bei Amazon oder anderen Anbietern schnell und planbar gemietet werden. Hinzu kommen Geschäftsnetzwerke zwischen Kunden, Lieferanten oder Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Gepaart mit neuen modernen Nutzerschnittstellen und mobilem Zugang wird all dies durch Software aus der Cloud ermöglicht.
  • Smartere Welt: Sensoren, Robotik, 3-D Drucker, Wearables und künstliche Intelligenz verbreiten sich immer stärker. Firmen werden mehr und mehr Produkte aus der Entfernung managen und dabei von Produkt- zu Service- Anbietern. Smartere Produkte wie selbstfahrende Autos oder das "Smart Home" mit z.B. intelligenter Heizung oder Beleuchtung sind hier erst der Anfang.
  • Cyber Security: Die verstärkte Vernetzung bringt auch Risiken der Sicherheit von Spionage bis Online-Betrug mit sich. Firmen müssen daher vermehrt ihre Daten, Transaktionen und ihr intellektuelles Eigentum sichern.

Mit welchen Veränderungen müssen Anbieter und Anwender rechnen?

Thomas Jenewein: Lernen wird weiter vereinfacht z.B. über mobile Apps. Es wird vernetzter geschehen mithilfe von Social Media sowie noch stärker auf den Bedarfsfall ausgerichtet.

Adaptives Lernen, individuelle Lern-Vorschläge und Personalisierung werden stärker automatisiert. Anwender erwarten dabei von Lernangeboten ähnliches wie sie es aus ihrer privaten digitalen Welt kennen, - sei es über Amazon, Google, Facebook oder Apple.

Kennen Sie bereits praktische Beispiele?

Thomas Jenewein: Der Wissenstransfer und die Informationsvermittlung kann noch besser im Bedarfsfall erfolgen: Mobile Geräte können in der Wartung von Maschinen wie Stromgeneratoren eingesetzt werden. Kontextspezifisches Wissen kann dann durch QR-Codes oder RFID-Chips zugänglich gemacht werden. Erste Kunden nutzen dies schon mit dem SAP WPB.

Selbstlernende Algorithmen können passend auf Datenanalysen personalisiert Lerninhalten vorschlagen – solche Recomendations sind z.B. schon seit dem aktuellsten SuccessfactorsLearning Release möglich.

Wearables wie die Apple Watch sind im Gesundheitsbereich ideal einsetzbar, um regelmäßig Feedback zum Lernfortschritt zu geben. Aber auch um evtl. kurze Unterweisungen zu ermöglichen.

Im vergangenen Jahr hatten wir bereits eine SMART Vending Machine auf der LEARNTEC dabei – ein intelligenter vernetzter Snackautomat mit Touchpanel incl. Gamification Szenarien. Neben optimierten Snackverkauf haben wir mit Besuchern auch die Möglichkeiten solcher Geräte zum Wissenstransfer diskutiert.

Wer treibt die Neuerungen voran? Von wem gehen die maßgeblichen Impulse aus?

Thomas Jenewein: Auf der einen Seite sehen wir Technologieanbieter und Beratungshäuser, die durch technische Innovationen wie neue Apps oder Geräte wie Wearables oder Smartphones neue Technologie anbieten. In Zukunft werden jedoch auch immer mehr heute noch analoge Produkte vernetzt werden – das selbstfahrende Auto ist nur der Anfang. Diese ändert nicht nur komplette Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse sondern auch die Art wie wir arbeiten werden.

Auf der anderen Seite haben wir die Nutzer. Nicht nur junge Menschen leben vermehrt einen digitalen Lebensstil und sorgen damit auch für die Verbreitung dieser neuen Impulse.

Leider sehe ich selten die Bildungsabteilungen als Treiber innerhalb von Firmen. Obwohl lebenslanges Lernen und digitale Kompetenz ja immer wichtiger werden. 

Welchen Zeithorizont betrachten Sie dafür als realistisch?

Thomas Jenewein: Das kann man nicht pauschal sagen. Manche Industrien, Firmen und Berufsbilder werden früher und stärker die Notwenigkeit haben, Neuerungen einzusetzen. Und nicht jeder ist gleich agil in der Umsetzung. Es hat auf jeden Fall bereits angefangen. Derzeit sehen wir viel Bewegung in der Automobilindustrie – was Deutschland stark betreffen wird.

Für wen haben die zu erwartenden Veränderungen die größten Auswirkungen?

Thomas Jenewein: Durch die zunehmende Digitalisierung erhöht sich die Komplexität und Geschwindigkeit im Arbeitsleben. Menschen, die sich weniger anpassen wollen oder können sowie diejenigen, die durch weitere smarte Automatisierung wegrationalisiert werden, betrifft es sicher am stärksten.

Sicher auch die eine oder andere Bildungsabteilung, die sich nicht anpasst und weiter nur am formellen Training festhält. Sie wird dann früher oder später "gehackt" – da Mitarbeiter sich heutzutage zu vielen Themen einfach selbstorganisiert oder vernetzt weiterbilden können – ohne Hilfe der Schulungsabteilung.