Lernen und Arbeiten in einem
Berlin, August 2005 - Die arbeitsplatzorientierte Weiterbildung, wie sie für den IT-Bereich vom Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik Berlin entwickelt wurde, ist prädestiniert für die Verschmelzung von formellem und informellem Lernen. Walter Mattauch und Martin Schmidt beschreiben die Verbindung von Lernen und Arbeiten.
ELearning bietet zahlreiche Vorteile gegenüber Printmedien oder zur Unterstützung des Präsenzlernens. Die noch vor kurzem prognostizierte Revolution des Bildungswesens durch eLearning ist aber ausgeblieben. eLearning hat häufig sogar mit einem schlechten Image zu kämpfen. In der beruflichen Bildung gilt dies besonders für kleine und mittlere Unternehmen. Verschiedene Marktstudien [z. B. Teleman/SME, vgl. Schulmeister 2001] haben gezeigt, dass trotz vorhandener Infrastruktur das Potential von eLearning in den Unternehmen nicht genutzt wird.
Ausschlaggebend hierfür ist nicht zuletzt, dass eLearning in der Regel auf tradierte Instruktionsszenarien ausgerichtet ist, mit der Idee, klassische Trainings ganz oder teilweise durch "Lernprogramme" ersetzen zu können. Die dahinter stehende Motivation ist vor allem, Kosten zu sparen - um das Ziel problemnaher Lernunterstützung geht es hingegen nur selten.
Das Vermitteln expliziter Wissensinhalte als Konzept beruflicher Bildung ist jedoch spätestens seit der von Staudt und Kriegesmann [1999] vorgelegten Analyse als "Mythos Weiterbildung" in die Kritik geraten, nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Industrie.
Die tatsächlichen Effekte tradierter Formen der Weiterbildung wurden in der Vergangenheit deutlich überschätzt, im Gegenteil sind sie durch hohe Streuverluste und mangelnde Verwertungsmöglichkeiten für die betriebliche Praxis charakterisiert. So macht die Vermittlung expliziten Wissens nur einen Bruchteil der im Betrieb benötigten Handlungskompetenz eines Mitarbeiters aus.
ELearning führte in einigen Fällen dazu, das Lernen kostengünstiger zu gestalten. Es führte aber nicht zu der erhofften Qualitätsverbesserung, weil in Standard-Produkten in der Regel die individuell an die Person gebundenen Elemente der Handlungsfähigkeit unberücksichtigt bleiben. Um dies zu tun, müssten eLearning-Materialien modular nutzbar sein und sich vor allem auf typische oder sogar betriebsspezifische Abläufe, Verfahren und Gegebenheiten, auf den Arbeitsprozess und seine Anforderungen und Hintergründe beziehen.
Andererseits ist eLearning viel mehr als ein billiger Ersatz für Standardkurse: PC und/oder Laptop unterstützen den "Knowledge Worker" bei der täglichen Arbeit. Für viele Tätigkeiten ist die Nutzung des Internets als Informationsbasis (Portale, Online-Zeitschriften, Newsletter etc.) bzw. zum Erfahrungsaustausch (synchrone und asynchrone Kommunikationswerkzeuge) inzwischen unverzichtbar geworden.
Mit einem Verständnis, das über "Abarbeiten von elektronisch aufbereiteten, didaktischen Lerneinheiten" hinausgeht, gehört eLearning also zum unmittelbaren Berufsalltag. In diesem zweifachen Sinne - als formelles Lernen zur Vorbereitung auf neue Arbeitsprozesse und als informelles Lernen on Demand ist eLearning auch ein wichtiges Element zur Unterstützung von arbeitsprozessorientierten Weiterbildungen.
Arbeitsprozessorientierte Weiterbildung in der IT-Branche
Das Konzept der Arbeitsprozessorientierten Weiterbildung entstand im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der IT-Weiterbildung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Sozialpartner [BMBF 2002]: Das IT-Weiterbildungssystem definiert auf drei Ebenen bundesweit anerkannte Abschlüsse (IT-Spezialisten, operative und strategische Professionals) und schafft damit Transparenz und neue Karrierechancen.
Hauptzielgruppen des Systems sind Absolventen der IT-Ausbildungsberufe sowie Seiteneinsteiger mit langjähriger Berufserfahrung. Das Fraunhofer ISST Berlin war im Projekt "Arbeitsprozessorientierte Weiterbildung in der ITBranche - APO" beauftragt, Konzepte und Materialien zu entwickeln und zu erproben, mit denen das IT-Weiterbildungssystem in die Praxis umgesetzt werden kann.
Im Ergebnis wurde eine neue Form der Weiterbildung entwickelt, die sich konsequent an den Arbeitsprozessen der im IT-Weiterbildungssystem definierten 29 Spezialisten und sechs Professionalprofilen orientiert [Mattauch & Caumanns 2003].
Das APO-Konzept lässt sich kurz wie folgt charakterisieren:
- Curriculare Grundlage für die Weiterbildungen zu den IT-Profilen sind "Referenzprojekte", die auf einer Analyse von Arbeitsabläufen der IT-Praxis basieren und gemeinsam mit Partnern aus der IT-Industrie entwickelt wurden. Den Kern der Curricula bilden die sachlogischen Abläufe von Arbeitsprozessen sowie die Beschreibungen der hierfür notwendigen Tätigkeiten, Kompetenzen, Methoden und Werkzeuge. Aus diesen Analysen ergeben sich zahlreiche inhaltliche Ansatzpunkte für die Entwicklung von eLearning-Materialien.
- Im APO-Konzept werden Lernprozesse bewusst in die betrieblichen Arbeitsabläufe integriert. Im Rahmen ihrer Weiterbildung führen die Teilnehmer reale Kunden- oder Entwicklungsprojekte durch, die in Umfang und Anspruch dem für das Spezialistenprofil entwickelten Referenzprojekt angemessen entsprechen. Die Aufgabe des Teilnehmers besteht darin, sämtliche Arbeitsaufgaben selbständig durchzuführen, daran zu lernen sowie seine Vorgehensweise und Ergebnisse zu dokumentieren. Der Teilnehmer weist so seine Kompetenz als IT-Spezialist nach und lässt sich dies von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle bescheinigen [Grunwald und Gamer 2002].
- Das Lernen in den Projekten erfolgt weitgehend selbst gesteuert. Die Teilnehmer werden aber von einem "Lernprozessbegleiter" (ein Fachkräfte-Coach) und einem fachlichen Berater unterstützt. Dabei werden individuelle Lernzielvereinbarungen (Schwerpunktsetzungen, Zeitabläufe) mit dem Teilnehmer getroffen, in regelmäßigen Reflektionsgesprächen wird die Weiterbildung auf ihren Fortschritt hin gemeinsam diskutiert.
Bei der Durchführung des Projekts sammelt der Teilnehmer wichtige Erfahrungen, das Lernen mit elektronischen Medien ist daneben eine essentielle Komponente, um sich im Projekt über anstehende Aufgaben und über die Hintergründe des eigenen Handelns zu informieren. Traditionelle Seminare spielen hingegen eine nachgeordnete Rolle im APO-Konzept, allerdings kommen flankierende, teilnehmerzentrierte Workshops zum Einsatz.
ELearning zur Unterstützung von APO-IT
ELearning bezieht sich in der arbeitsprozessorientierten Weiterbildung einerseits auf den Kompetenz- und Wissenserwerb und andererseits auf die Unterstützung der Dokumentation (Reflektion, Kompetenzdarstellung im Hinblick auf die Zertifizierung).
Insbesondere benötigen die ITFachkräfte einen situationsspezifischen Zugriff auf Informationen und dabei auf inhaltlich möglichst hochwertige Bausteine [Mattauch & Caumanns 2002], Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch in Virtual Communities [vgl. Brückner 2002] sowie eine Kommunikations- und Kooperationsinfrastruktur, die den Austausch von Informationen und Dokumentationsunterlagen mit Coaches und Weiterbildungsorganisatoren ermöglicht, aber Interna schützt (z. B. BSCW).
Im Rahmen des APO-Projekts hat das Fraunhofer ISST Berlin den "APO-Pilot" entwickelt [Fuchs- Kittowski & Walter 2002]: Diese Software ermöglicht es, sich zur Durchführung der Qualifizierungsprojekte an den als Prozess dargestellten Arbeitsabläufen zu orientieren. Von den einzelnen Prozess-Schritten wird auf relevante Lernmaterialien referenziert. Die Teilnehmer können Informationsbausteine ebenso selbst einstellen, diese stehen dann potentiell auch anderen Teilnehmern zur Verfügung.
Zu jedem Prozess-Schritt kann im entsprechenden Forum eine Diskussion geführt werden. Insgesamt unterstützt der APO-Pilot die Teilnehmer dabei, sich zu Fragestellungen und Problemen, die sich aus konkreten Arbeits- bzw. Projektsituationen ergeben, selbständig und kompetent zu orientieren (Auswahl, Bewertung) und zu informieren.
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