Online Community of Practice
Münster, August 2005 - (Anja Johanning, Friederike Ruth Bliss, Hildegard Schicke) Organisations-übergreifenden Online Communities of Practice werden insbesondere von lernaktiven Mitarbeitern geschätzt. In der Personalentwicklung haben sie allerdings bisher noch keinen festen Platz erobert. Und das obwohl sich in diesen informellen Praxis-Gemeinschaften Probleme am Arbeitsplatz just-in-time und just-on-demand lösen lassen.
Fehlermeldungen oder undefinierbare Ausfälle von Kopiergeräten versetzen Servicekräfte des Kopiergeräteherstellers Xerox nicht in Panik. Der Grund dafür sind nicht alleine die regelmäßig durchgeführten Weiterbildungsmaßnahmen oder die ständig aktualisierten Wartungshandbücher. Es sind Kollegen-Gespräche über Erfahrungen aus der Arbeitspraxis, die beim Pausenkaffee ("hang around the coffee pot") oder in der Kantine nebenbei ausgetauscht werden.
Die kooperative Publikation ist im Rahmen des ABWF/QUEM-Forschungs- und
Entwicklungsprogramms "Lernkultur Kompetenzentwicklung" entstanden. Das Programm wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert.
Diese Erkenntnis erbrachte eine vom Kopiergerätehersteller Xerox 1991 beauftragte Studie: Für die Effizienz und den Erfolg des Kundendienstes waren nicht ausschließlich die zeit- und kostenaufwändigen Weiterbildungsmaßnahmen verantwortlich. Servicemitarbeiter bewältigten unvorhergesehene Probleme im Arbeitsalltag, in dem sie informelle Wege suchten, um möglichst rasch beim Kunden vor Ort Lösungen zu finden.
Wollte das Management von Xerox zunächst mit der Studie Hinweise und Tipps gewinnen, um die Weiterbildungsmaßnahmen effizienter zu gestalten, so diskutierten sie nun, wie diese informellen Wissensgemeinschaften, die die Servicemitarbeiter im Arbeitsalltag selbstorganisiert aufgebaut haben, systematisch gefördert und unterstützen werden könnten.
Diese in den 90er Jahren in der Personal- und Organisationsentwicklung als "the invisible key to success" oder Ort ganzheitlichen Wissensmanagements diskutierten Praxisgemeinschaften hielten insbesondere in Großunternehmen wie McDonalds, Hewlett Packard, Siemens, IBM, Shell, Weltbank und DaimlerChrysler verstärkt Einzug.
Treiber für die systematische Unterstützung dieser informellen Praxis-Gemeinschaften war, dass sich mit diesem Instrument Probleme am Arbeitsplatz just-in-time und just-on-demand lösen lassen, gefachsimpelt, verschiedene Perspektiven offen ausgetauscht und diskutiert werden können und daraus neues Wissen, Ideen und Innovationen entstehen können.
Parallel zu den organisations-internen Communities of Practice, die zunehmend auch auf Internet-Dienste wie Foren oder Chat als (zusätzliche) Kommunikations- und Interaktionsplattform der Mitarbeiter (zu Kantine und zur Kaffeeküche etwa) setzten, entwickelten sich so genannte organisations-übergreifende Communities of Practice.
Diese organisations-übergreifenden, meist auch onlinebasierten Communities of Practice passen in die gegenwärtige Zeit, in der sich Arbeitsverhältnisse und Arbeitsorte flexibilisieren mit der Folge, dass Mitarbeiter nicht mehr ein Arbeitsleben lang in einem Unternehmen beschäftigt sind. Angesprochen werden von den virtuellen Communities of Practice Mitarbeiter verschiedener Unternehmen mit ähnlichen oder verschiedenen beruflichen Hintergründen.
Das vorrangige Ziele der Betreiber (u.a. IT-Unternehmen, Verlage) dieser Communities ist nicht wie bei organisations-intern aufgesetzten Communities of Practice eine Kommunikations- und Interaktionsplattform für arbeitsprozessbegleitendes Lernen zu schaffen, sondern es geht darum, neue Einnahmequellen für Inhalte zu erschließen oder für das eigene Unternehmen Marketing zu betreiben.
Dennoch zeigte sich in einer Befragung von 814 Online Community of Practice-Nutzern im deutschsprachigen Raum (durchgeführt vom Bundesinstituts für Berufsbildungsforschung 2004), dass die Mitglieder einen Nutzen aus diesen organisations-übergreifenden Gemeinschaften ziehen, der auch Personalentwickler und Vorgesetzte in Organisationen interessieren dürfte.
Danach schätzen die Mitglieder dieser Communities besonders die Option,
- Lösungen auf konkrete Probleme und Fragen im Arbeitsalltag erhalten zu können.
- Aber auch die Anerkennung und Bestätigung der eigenen Kompetenzen ist ein Grund für die Nutzer, ihre Zeit zu opfern und ihr Wissen in den Online Communities Preis zu geben.
- Darüber hinaus wird auch in den allgemeinen Tipps und Anregungen für den beruflichen Alltag sowie
- Hinweisen auf Neuerungen wie z.B. Produktentwicklungen oder Gesetzesänderungen jeweils ein Mehrwert gesehen. Ebenso wie Nutzer die
- Diskussion und Auseinandersetzung mit anderen nicht missen möchten.
Wer also glaubt, der Nutzen solcher organisations-übergreifenden, online-basierten Gemeinschaft ergebe sich alleine durch das Aufsetzen einer Internet-Plattform, die Akquise von anerkannten Fachexperten oder ein attraktives redaktionelles Umfeld, hat die Rechnung ohne die Mitglieder gemacht.
Online Communities of Practice sind Gemeinschaften, die durch die Teilhabe der Mitglieder an der Gemeinschaft getragen werden. Die Herausbildung einer Gemeinschaft kann von außen gestützt werden, die Gemeinschaft selbst muss jedoch von innen wachsen.
"Gut funktionierende Communities of Practice", so Community-Expertin Gabi Reinmann-Rothmeier, "entstehen nicht selten aus einem Leidensdruck heraus, der den Austausch in der Gemeinschaft zur Notwendigkeit macht; oft ist es aber auch ein geteiltes, gemeinsames Anliegen, das als Anknüpfungspunkt dient und aus dem sich die Gemeinschafts-Kultur speist".
Derartige Communities of Practice finden sich v.a. bei Softwareentwicklern, aber auch bei so unterschiedlichen Berufsgruppen wie Viehzüchtern, SekretärInnen, Ausbildern oder Personalverantwortlichen.
"Wenn keiner dieser Faktoren vorhanden ist", schlussfolgert Gabi Reinmann-Rothmeier, "sind echte Communities of Practice, ganz gleich ob auf Initiative von Mitarbeitern oder Privatpersonen (bottom up) oder von Organisationen (top down) aufgesetzt, mehr Traum als Wirklichkeit".
Communities of Practice leben davon, dass sich Mitglieder aktiv einbringen, sich austauschen, kooperieren aber auch mal streiten. Nur dadurch kann sich so etwas wie Gemeinschaftsgefühl, eine Vertrauensbasis und ein Verantwortungsgefühl entwickeln, das Mitglieder dazu bringt, sich fortlaufend einzuloggen und Beiträge zu posten.
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