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Visionen auf der Campus Innovation


Hamburg, September 2005 - Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts HWWI, Thomas Straubhaar, fordert, dass die deutschen Hochschulen ihr Marketing und ihre Dienstleistungen ausbauen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Außerdem sollten sie neue Zielgruppen über das Internet erschließen. Vor der Hamburger Konferenz "Campus Innovation" über die Visionen der vernetzen Hochschule, die vom 20. bis 21.9. in Hamburg stattfindet, sprach Professor Straubhaar mit den Veranstaltern über die Defizite im deutschen Hochschulsystem.




Herr Straubhaar, durch die so genannte Bologna Reform sollen das deutsche und das europäische Hochschulsystem stärker harmonisiert und im Vergleich zum US-amerikanischen Wissenschaftssystem auch wettbewerbsfähiger werden. Glauben Sie, dass das gelingen wird?


Thomas Straubhaar
: Die Einführung von ECTS, BA und MA Abschlüssen - das sind eher strukturelle Änderungen, die nicht zwingend eine höhere Qualität oder Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulsystems bedingen. Zusammen mit der Einführung von Studiengebühren sind es aber alles Veränderungen, die stärker bewusst machen, wie wichtig die Qualität der Lehre ist, wenn man künftig international attraktiv sein möchte.


Auf dem Gebiet der akademischen Aus- und Weiterbildung wird die Konkurrenz enorm zunehmen - nicht zuletzt auch von privatwirtschaftlichen Anbietern. Ich finde es deshalb sehr wichtig, dass unsere Hochschulen nicht nur die didaktische Qualität ihrer Lehrangebote, sondern auch die Services darum herum, wie z.B. Beratung, Betreuung, Evaluation, Online-Angebote usw. offensiv ausbauen - und dazu gehört auch das Marketing.

Würden Sie den letzten Aspekt - das Marketing - noch ein wenig konkretisieren? An Hochschulen hat das Thema Kommerzialisierung und Vermarktung ja nicht gerade ein besonders positives Image.

Thomas Straubhaar: In der Tat gehört die Marktorientierung traditionell eher nicht zu den Stärken deutscher Hochschulen - wenngleich sich da in den letzten Jahren manches verändert hat. Für US-amerikanische Hochschulmanager ist es selbstverständlich, einen guten Teil ihrer Energie und Arbeitszeit für Gespräche mit Bewerber(innen) um Studienplätze sowie mit Treffen mit Kommunalpolitikern und Vertretern aus Verbänden, Unternehmen und anderen Bildungseinrichtungen aufzuwenden. Daraus entstehen Kooperationsbeziehungen und man lernt die Interessen potenzieller Kunden und Partner genauer kennen. Auch die deutschen Fachhochschulen sind in dieser Beziehung schon viel weiter als Universitäten. Ich bin ziemlich sicher, dass unsere Hochschulen das Lifelong Learning für die globale Informationsökonomie noch nicht ausreichend erschließen.

An welche Zielgruppen oder Bedarfe denken Sie dabei?


Thomas Straubhaar
: Unsere Hochschulen fixieren sich meines Erachtens immer noch viel zu sehr auf den Standardstudenten: Anfang 20, ohne Familie, grundständig und fulltime studierend. Das Problem der hohen Abbrecherquoten bei fortgeschrittenen weiblichen Studierenden mit Kind zeigt schon, wie wenig flexibel die üblichen Studienstrukturen sind. Part-Time Studienmodelle sind bislang eher die Ausnahme. Oder Angebote speziell für Alumni, Berufstätige, Unternehmen, Senioren usw. Da könnte man in viele Richtungen denken. Die inhaltlichen Ressourcen sind ja da. Es geht eigentlich nur darum, neue Wege der Vermittlung und Vermarktung zu nutzen - und da bietet das Internet exzellente Möglichkeiten.


Noch einmal nachgefragt: Welche Möglichkeiten haben Sie dabei im Auge?


Thomas Straubhaar
: Da ich leider kein Experte für Internet bin, kann ich nur Anregungen geben. Was mich beispielsweise beeindruckt hat, sind die Open Content Strategie des MIT und anderer US-amerikanischer Universitäten: alle Kursmaterialien ins Web. Vielleicht sogar als Audio-Datei oder als Podcast. Ich weiß, dass es da rechtliche Fragen gibt, aber die sind sicher lösbar. Die Hochschulen müssen ihre eigenen E-Business Strategien erarbeiten - man fängt ja nicht bei Null an und kann sicherlich von Unternehmen manches abschauen, ich denke da auch an die in Deutschland neu entstandenen betriebseigenen Hochschulen wie die Atuo-Uni in Wolfsburg.