Open Source-Empfehlungen für Trainer
Bonn, Oktober 2005 - (von Hartmut Häfele und Kornelia Maier-Häfele ) TrainerInnen, die ihre Seminare mit eLearning Elementen kombinieren wollen, können sich mittlerweile aus einem riesigen Open-Source Software-Pool bedienen. Lesen Sie hier Auszüge praktischer Tipps aus dem Buch "Open-Source-Werkzeuge für eTrainings" der beiden Autoren.
Was allerdings verlockend unkompliziert klingt, entpuppt sich oft schon angesichts der Masse der zur Verfügung stehenden Open-Source-Produkte als knifflig: Welches Werkzeug ist wirklich gut? Denn in jeder Werkzeug-Kategorie stehen eine Vielzahl von Produkten zur Verfügung, von denen sich nur wenige durch Bedienfreundlichkeit und methodisch / didaktisch sinnvolle Einsatzmöglichkeiten auszeichnen.
Drei davon - eines zum Chatten, eines für die Arbeit mit Whiteboards und eines zur Erstellung von Weblogs - stellen wir Ihnen hier vor.
Chat-Werkzeuge
Wollen Sie mit SeminarteilnehmerInnen Chats durchführen, etwa um organisatorische Fragen zu klären oder ExpertInnengespräche zu führen, und auf diesem Wege etwas Präsenzatmosphäre ins Online-Seminar einbringen, stoßen Sie in der Open-Source-Szene auf gut 200 Chat-Werkzeug-Systeme. Im eLearning besonders bewährt haben sich webbasierte Chatwerkzeuge, weil für ihre Bedienung nur ein Internet-Browser benötigt wird, der ohnehin auf jedem Computer vorinstalliert ist.
PHPOpenChat
Sofern Sie solch ein webbasiertes Tool einsetzen möchten, können Sie ein von einem Dienstleister zur Verfügung gestelltes Werkzeug (z.B. yahoogroups.de) nutzen. Oder Sie laden die entsprechende Open-Source-Software aus dem Internet herunter und installieren sie auf einem Ihnen zugänglichen Webserver - so z.B. das Open-Source-Chat-Tool PHPOpenChat (Download) , das sich - obgleich es einfach zu bedienen ist - als besonders leistungsfähig erwiesen hat.
Mit PHPOpenChat können problemlos sowohl Kleingruppen-Chats als auch über mehrere Räume verteilte Diskussionen mit großen Gruppen durchgeführt werden. Möchten Sie mit einigen TeilnehmerInnen Fragen klären, die den Großteil der Gruppe nicht interessieren, bietet Ihnen PHPOpenChat zudem die Möglichkeit, Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen - und zwar ohne sich dafür in einen anderen Chatraum zurückziehen zu müssen.
Zur Verfügung stehen zu diesem Zweck die Funktionen "Flüstermodus" und "Freunde". Kreuzt man beim Chatten das entsprechende Kästchen "geflüstert" oder "Nur Freunde" an, dann erscheint eine ins Eingabefenster getippte Mitteilung nur einer einzigen Person oder einer vorab als "Freunde" klassifizierten Personengruppe PHPOpenChat erlaubt darüber hinaus die professionelle Durchführung von moderierten ExpertInnenchats. Wollen Sie z.B. mit einer Gruppe von TeilnehmerInnen unter Einbeziehung eines Experten eine Diskussion zu einem bestimmten Thema durchführen, so können Sie eine Person (entweder sich selbst oder jemanden, mit dem Sie das zuvor abgesprochen haben) zum Moderator bestimmen.
Den übrigen Teilnehmern können Sie verschiedene Rollen zuweisen - etwa als "einfacher" Chatter oder als Experte ("VIP"). Das Besondere am Expertenstatus: Der VIP kann sich im Chat jederzeit äußern, ohne dass seine Sätze vom Moderator freigegeben werden müssen. Die Wortmeldungen der übrigen TeilnehmerInnen dagegen werden während des gesamten Chats vom Moderator vorgefiltert - das heißt unter Umständen verändert oder eine Weile zurückgehalten, bevor sie im Chatraum erscheinen. Letzteres geschieht, damit eine neue Frage immer erst dann gestellt wird, wenn die vorige ganz abgehandelt ist.
Open-Source-Whiteboards
Wer im Online-Seminar nicht nur chatten, sondern auch Folien präsentieren, gemeinsam an Dokumenten (z.B. Grafiken und Mind-Maps) arbeiten oder Test-Abfragen durchführen möchte, braucht indes ein Tool, das mehr Funktionalitäten als ein Chat-System bietet. Er benötigt ein Whiteboard-Werkzeug, das mehrere synchrone Tools bündelt.
Eine besonders komfortable Variante ist das so genannte Virtuelle Klassenzimmer, das allerdings in vollem Funktionsumfang derzeit nur kommerziell am Markt verfügbar ist. Die Open-Source-Varianten verfügen im Gegensatz zu den kommerziellen Pendants über keine integrierte Möglichkeit der Sprachübertragung, das heißt: Online-Konferenzen, bei denen die Stimmen der TeilnehmerInnen übertragen werden, sind nicht möglich. Ansonsten jedoch bieten die Open-Source-Tools die für Online-Seminare wesentlichen Werkzeuge wie Chat, Whiteboard (mit der Möglichkeit, Präsentationsfolien hochzuladen) sowie Datei-Austausch.
Der Einsatz von Whiteboard-Werkzeugen stellt Lehrende und Lernende im Gegensatz zu vielen anderen Open-Source-Tools allerdings technisch vor gewisse Herausforderungen. Whiteboards nämlich lassen sich nicht mittels der üblichen Web-Skriptsprachen realisieren, sondern müssen entweder in Form eines Clients lokal auf dem PC installiert werden oder liegen als Java-Applikation vor.
Coccinella
Die Auswahl an Open-Source-Whiteboard-Werkzeugen ist nicht allzu groß, weshalb es leicht ist, einen Favoriten zu nennen: The Coccinella (Download) , ein komfortabler Instant Messenger inklusive leistungsfähiger Whiteboard-Funktion. In Betrieb zu nehmen ist The Coccinella sehr einfach: Ein Einrichtungsassistent hilft beim Auswählen eines öffentlichen Servers und beim Anlegen der Zugangsdaten. Ein Schwachpunkt von The Coccinella ist, dass kaum eine Funktion ausreichend dokumentiert ist. Da die Benutzeroberfläche aber sehr intuitiv bedienbar ist, stellt dies jedoch kein allzu großes Manko dar.
The Coccinella erlaubt, zu jedem Chatraum Whiteboards zu eröffnen. Neben Standard-Zeichenwerkzeugen bietet das System auch die Möglichkeit, Audio- oder Video-Dateien einzufügen und abzuspielen. Auch die Protokollierung der Arbeit im Whiteboard gestaltet sich komfortabel: Bearbeitete Whiteboard-Folien können zu jedem Zeitpunkt abgespeichert und auf Wunsch an einzelne TeilnehmerInnen versandt werden.
Präsentationen oder Diashows können Sie mit The Coccinella realisieren, indem Sie in einem Ordner, den Sie auf der Festplatte extra zu diesem Zweck angelegt haben, vorbereitete Folien, Grafik- oder Videodateien ablegen. Teilen Sie den Dateien in der Reihenfolge, in der sie in der Präsentation erscheinen sollen, Buchstaben oder Nummern zu. Die einzelnen Dateien werden von The Coccinella dann entsprechend abgearbeitet, wobei eine Navigation mittels "Vor"- und "Zurück"-Taste möglich ist. Sie können jedoch auch nur einzelne Folien in der Zeichenfläche einblenden, vorstellen oder gemeinsam mit den Seminarteilnehmern bearbeiten.
Weblogs: Online-Publizieren für alle
Ein weiteres interessantes Werkzeug, das vermehrt in eLearning Szenarien zum Einsatz kommt ist das Weblog. Weblogs sind Internet-Websites, auf auf denen Kommentare sowie Hyperlinks zu bestimmten Themen in Form kurzer Artikel erscheinen. Üblicherweise sind die aktuellen Einträge dabei stets als erstes aufgeführt. Aus dieser tagebuch- bzw. logbuchartigen Struktur resultiert auch der Name: "Log" ist die Kurzform von "Logbook".
Um Beiträge auf der Weblog-Site zu veröffentlichen, benötigt der Autor keinerlei HTML- oder andere technische Kenntnisse: Ein Online-WYSIWYG-Editor erlaubt das Erstellen und Formatieren von Texten wie man es von der Arbeit mit Textverarbeitungssoftware gewohnt ist. Weblog-Systeme sind im Grunde simple Content-Management-Systeme (CMS), mit denen sich Internetseiten aufbauen lassen, nur dass sie etwas weniger flexibel und skalierbar sind als "echte" CMS.
TrainerInnen können mit einem Weblog-System beispielsweise Ihre Internet-Repräsentanz aufbauen, diese stets selbst aktualisieren und auf dem neuesten Stand halten. Weblogs können zudem zur Begleitung eines Seminars eingesetzt werden, um die TeilnehmerInnen über Organisatorisches auf dem Laufenden zu halten, sie auf weiterführende Literatur und Links hinzuweisen oder ihnen Fallstudien, Protokolle und Fotos zum Download anzubieten. Diverse Zusatzfunktionen (z.B. Archiv- und Suchfunktionen, automatisch erstellte Statistiken und Bewertungsfunktionen) machen Weblogs darüber hinaus z.B. auch als Werkzeug für das Wissensmanagement einsetzbar.
Aufgrund der Beliebtheit von Weblogs bieten mittlerweile zahlreiche Provider (z.B.: www.freenet.de, www.blogworld.de, www.myblog.de) die Möglichkeit an, Weblogs kostenlos auf ihren Servern zu eröffnen und zu pflegen. Dieser Service wird meist über Online-Werbung finanziert. Um die volle Kontrolle über die eigenen Daten zu haben, bzw. auch zusätzliche Weblog-Funktionen nutzen zu können, empfiehlt sich jedoch die eigene Installation eines Weblog-Werkzeugs - etwa von pLog (Download) , einem Tool, das bei aller Funktionsfülle leicht zu bedienen ist. Besonders hervorzuheben ist bei pLog die Möglichkeit, die hochgeladenen Dateien in Alben und Unteralben zu organisieren, die sowohl in Beiträge eingebunden als auch im Menü veröffentlicht werden können: So können TeilnehmerInnen z.B. seminarspezifische Dokumentencontainer oder Fotoalben (z.B. mit Flipchartfotos) zur Verfügung gestellt werden.
Lerntagebücher via Weblog führen
pLog ermöglicht zudem das Betreiben beliebig vieler Weblogs mit nur einer einzigen Installation auf dem Webserver. Diese Weblogs sind völlig unabhängig voneinander und können von verschiedenen AutorInnen eröffnet und gepflegt werden. Den TeilnehmerInnen kann ein Online-Formular zur Verfügung gestellt werden, mit dem diese selbstständig Weblogs anlegen können. Diese Funktionalität ermöglicht es, eine Gruppe Lerntagebücher führen zu lassen - ein beliebtes und effektives Instrument zur Reflexion von Lehrveranstaltungen. Zu diesem Zweck muss jedem Teilnehmer lediglich der Link zum Online-Formular mitgeteilt und in einer Präsenzphase oder mit einem Handout kurz in die Methode eingeführt werden.
Als Aufgabenstellung kann bspw. der Auftrag erteilt werden, täglich mindestens einen Beitrag in einer der folgenden Kategorien zu veröffentlichen:
- Inhaltliches: z.B. Was hat mir mehr/weniger gut gefallen und warum? Was hat mir gefehlt?
- Prozess: z.B. Wie gestaltet sich der Lernprozess für mich? Was ist förderlich, was hinderlich?
- Motivation: z.B. Wie geht es mir? Wie nehme ich die Motivation der anderen wahr? Was motiviert mich oder würde mich motivieren?
- Methode und Werkzeuge: z.B. Was halte ich von den eingesetzten Werkzeugen? Wie empfinde ich die eingesetzte Methode?
- Weiterführendes: z.B. weiterführende Gedanken, Ideen, Links, Aufsätze, Bücher zum Thema. Was möchte ich gerne, was nicht so gerne umsetzen (Transfer)?
Die Länge der Beiträge kann dabei den TeilnehmerInnen überlassen werden. Es empfiehlt sich allerdings, darauf hinzuweisen, dass die Beiträge möglichst nachvollziehbar und einladend geschrieben sein sollten - damit sie die Gruppe dazu anregen, die Lerntagebücher zu lesen und zu kommentieren.
"Open-Source-Werkzeuge für eTrainings" von Hartmut Häfele und Kornelia Maier-Häfele, erschienen im ManagerSeminare Verlag 2005, broschiert, 340 Seiten, ISBN: 3936075204, 49,90 Euro.
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