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Ich lieb dich, ich lieb dich nicht

Berlin, November 2005 - (von Anja Janus) Im Um- oder gar im Abbau? Wo sich die Multimedia Hochschulservice Berlin GmbH (MHSG) derzeit befindet, ist noch nicht entschieden. Fünf Jahre nach der Gründung des Unternehmens müssen die Berliner Hochschulen als Gesellschafter ihr Engagement neu überdenken. Im Mai 2005 hatte der Rechnungshof Berlin in seinem Jahresbericht 2005 die Auflösung der Gesellschaft empfohlen, wegen "fehlenden Interesses an den Geschäftsfeldern der MHSG".




Und in der Tat sieht die Bilanz der MHSG nicht gerade rosig aus. Neun Lern-CDs hat die Gesellschaft im Laufe der Jahre produziert. Die Plattform CLIX 4.0 von der Firma imc AG, die die GmbH laut Rechnungshof für über 70.000 Euro gekauft hat, wird gerade mal von einem der Gesellschafter genutzt, von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin (FHVR). Die Mehrzahl der anderen Berliner Hochschulen nutzt ihre eigenen Plattformen.

Jeder hat sein eigenes Multimediazentrum


Ursprünglich hatten die Hochschulen die GmbH im Juni 2000 als Dienstleistungsunternehmen gegründet, laut Satzung zur Unterstützung bei der Bereitstellung von Lehrangeboten durch die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik sowie dem Vertrieb auch außerhalb der Hochschulen. Drei Geschäftsfelder sollte die GmbH abdecken, die Produktion multimedialer Lernangebote, Projektberatung und einen Lernplattformservice. Doch mittlerweile haben viele Hochschulen ein eigenes Multimediazentrum gegründet, wie Cedis an der Freien Universität Berlin, Mulf an der Technischen Universität oder das CMS an der Humboldt Universität.

Wozu also brauchen die Hochschulen noch die MHSG? Das hatten sich einige der Unis wohl schon öfter gefragt und Ende 2003 die Auflösung der GmbH beantragt. Doch dazu konnte sich die Mehrheit der Gesellschafter dann doch nicht durchringen. Wohl auch vor dem Hintergrund, dass der Berliner Wissenschaftssenat eine weitere Förderung in Aussicht stellte.

Vermarktung ist die Stärke der MHSG


Elke Raddatz, seit 1. Januar 2005 neue Geschäftsführerin der MHSG, sieht den Rechnungshofbericht gelassen. Man dürfe die Bedeutung der Gesellschaft nicht zu hoch ansetzen. Die Hauptaufgabe der MHSG sieht sie vor allem in der Vermarktung der Produkte. Hier läge die Kernkompetenz der GmbH, die die Hochschulen in der Regel nicht hätten. Raddatz sieht die Zukunft der GmbH darin, die in den Hochschulen erstellten multimedialen Lernprodukte marktfähig zu machen, das heißt ansprechend und an der Zielgruppe ausgerichtet, und geeignete Vertriebswege zu schaffen. Der Einzelverkauf von eLearning-Produkten sei defizitär, gibt die Geschäftsführerin zu, dazu sei die Akzeptanz von eLearning noch viel zu gering, auch bei den Studierenden. Wo aber Potenzial läge, sei im B2B Bereich. Der Verkauf von Lizenzen und Modulen an Weiterbildungsanbieter oder Verlage, sei durchaus gewinnträchtig und bereits jetzt ein wichtiges Geschäftsfeld der MHSG.

Mittel zu Ende - was dann?


Die Entscheidung der Hochschulen, was weiter mit der MHSG geschieht, dürfte wohl bis Ende 2005 gefällt werden. Denn bis dahin sind die Mittel, 767.000 Euro als Anschubfinanzierung aus dem Berliner Landeshaushalt und eine Million Euro aus dem Bund-Länder-Programm zur Förderung innovativer Forschungsstrukturen in den neuen Ländern und von den Hochschulen, fast verbraucht. Als erste Sparmaßnahme hatten die Gesellschafter Ende 2004 erstmal Personal abgebaut. Von den ehemals fünf MitarbeiterInnen sind eine Bürokraft und eine Geschäftsführerin übrig geblieben. Bei Bedarf werden ExpertInnen projektweise angeheuert.

MHSG hat dennoch neue Projekte


Elke Raddatz übt ihre Geschäftsführerinnentätigkeit neben ihrem eigentlichen Beruf aus und hält die Geschäfte erst einmal am Laufen. Neue Projekte sind durchaus in Sicht. So soll die MHSG die Vermarktung in dem neuen PALOMITA-Projekt der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (FHTW) übernehmen. Das eLearning-Produkt -žDie Erde-œ wird demnächst runderneuert und ein neues Projekt aus den Geisteswissenschaften im Bereich Lyrik aufgesetzt.


Der Rechnungshof hat den MHSG-Gesellschaftern trotz allem eine schwere Hausaufgabe gestellt. Sie sollen prüfen, ob sie wirklich ein gemeinsames Interesse an der Gesellschaft haben. Im Vergleich zu anderen Geldgruben ist die MHSG zwar ein Löchlein. Sie ist aber ein Beweis dafür, dass die Berliner Hochschullandschaft noch immer aus Einzelgärten besteht. Zu einer Berliner Hochschullandschaft im Lenneschen Stil reicht es noch nicht.