Die informelle Messe - zur LEARNTEC 2006
Karlsruhe, Februar 2006 - ( Eine Glosse von Ralph Müller ) Wäre man dieser Tage Ausrichter der LEARNTEC, so müsste man sich fühlen wie ein Weiterbildungsanbieter, dessen Evaluationsergebnisse nicht der guten Laune der Seminarteilnehmer entsprechen. Dies wäre aber auch nicht weiter verwunderlich. Bildung oder die ihr zugrunde liegenden Informationsprozesse basieren, so die aktuellen Erkenntnis in der Weiterbildungslandschaft, zu einem guten Teil auf informellen Lernprozessen...
Das heißt, neben dem strategisch didaktisch Intendiertem bilden sich Wissensbestände in pädagogisch unkontrollierten Zusammenhängen. Pausen, Abendevents, kleine Randerlebnisse im Workshop erhalten in vielen Seminaren eine gern gesehen Bedeutsamkeit und lassen Weiterbildungsabteilungen angesichts hoher Qualifizierungskosten von informellem, "unbezahltem" Lernen träumen. Da steht es einer Bildungsmesse gut zu Gesicht, wenn sie sich dieses Trends annimmt und ihn gewollt ungewollt zum Konzept, zu einer Art geheimen Lehrplan macht.
War die diesjährige LEARNTEC auch gestrafft und das erwartete Besucherpotential auf drei Tage komprimiert worden, so entsprach die gefühlte Besucherdichte doch nicht unbedingt der per Laserscanner gemessenen. Dazu machte die Stadthalle, einst das Filetstück der Messe, mit ihren wenigen Ausstellern einen zu aufgeräumten Eindruck und die Zeiten, als sich vor den Ständen in der Schwarzwald- oder Gartenhalle Menschentrauben auch ohne Vortrag bildeten, liegen Jahre zurück.
Doch herrschte daher breite Unruhe unter den Ausstellenden, Verzweiflung unter den Besuchern? Nein, eigentlich nicht! Die Gespräche seien zwar weniger an Zahl dafür aber von guter bis sehr guter Qualität, hörte man häufig. Und sicherlich, man müsse schon im Vorfeld der Messe mehr tun als früher, um Resonanz zu erzielen. Auch der Besucher gab sich moderat, vermisste zwar die Fülle und die Sensationen, lobte aber die Qualität der freien Vorträge an den Themen- und Ausstellerständen. Überhaupt fanden sich viele Gesichter im ausgedünnten Besucherstrom, die man früher als alte Bekannte hinter den Theken der Aussteller alljährlich begrüßt hatte.
Ja, gute alte Bekannte; als solche begegneten sich Besucher und Aussteller, wohlwollend geneigt dem ein oder anderen Neuling gegenüber, so wie es sich auch in Seminaren seit unzähligen Trainerjahren abspielt. Alte Weggefährten vereint in der Skepsis gegenüber den herrschenden Verhältnissen in der Firma, dem vermeintlichen Seminarziel und doch froh, in den Pausen die Neuigkeiten von den Kollegen zu hören und am Mittagstisch den ein- oder anderen internen Deal auszuhandeln. Im informellen Dunst bilden sich Meinungen und Allianzen während das Seminarthema, Zubrot und Anregungen liefert.
In dieser Bildungslandschaft bildete die diesjährige LEARNTEC den Pseudokristallisationspunkt informellen Bestrebens und spiegelte so einen wesentlichen Aspekt des modernen Bildungsverständnisses wieder. Recht treffend äußerte eine Marketingspezialistin auf einer der Standpartys, der eigentliche USP der LEARNTEC sei das eines Klassentreffens. Jenseits geplanter Messeaktivitäten, gewichtiger Leads und gewollter Verkaufszahlen zelebrierte die eLearning-Community in Karlsruhe die informelle Messe und merkte es nicht einmal. Was bei diesem buzzwordaffinen Völkchen ein untrügliches Zeichen von Ernsthaftigkeit ist.
Ralph Müller ist Spezialist für Trainer-Qualifizierung, Experte für neue Lerntechnologien und seit Jahren Besucher und Beobachter der LEARNTEC.
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