Vom "lone ranger" zum "dream team"
Karlsruhe, Januar 2007 - Den Paradigmenwechsel von der Projektarbeit hin zu Organisationsentwicklungsprozessen nimmt die ETH Zürich seit Kurzem mit einem neuen eLearning-Projekttypus namens "ETHplus" in Angriff. Über diese neue Strategie, die das Potenzial bisheriger eLearning-Entwicklungen nutzen und gleichzeitig die Schwächen bisheriger Projektformen entschärfen soll, sprach CHECKpoint eLearning mit Prof. Dr. Urs Gröhbiel vom Network for Educational Technology (NET) der ETH Zürich.
Welche Schwächen gilt es in der Planung von eLearning-Projekten an Hochschulen zu entschärfen?
Prof. Urs Gröhbiel: Die meisten Projekte an der ETH haben einen lokal und zeitlich eng begrenzten Fokus. Dozierende versuchen, in ihrem Umfeld neue Lerntechnologien umzusetzen und den Nutzen zu optimieren. Dieses Vorgehen hat sehr gute Resultate gebracht, diese Projekte bleiben aber sehr oft auf Unterrichtsszenarien in einzelnen Fächern beschränkt.
In der Regel werden solche Projekte von einer Dozentin oder einem Dozenten zusammen mit einer Projektkraft bewältigt. Wir wissen aber, dass im eLearning technische, didaktische und organisatorische Kompetenzen zusammenkommen müssen. Kleinere Projekte haben nicht die kritische Größe für diesen anspruchsvollen Kompetenz-Mix. In einem solchen Setting ist zudem die Produktivität insgesamt niedrig. Kleine Projektteams stehen in Gefahr, "das Rad neu zu erfinden". Dies wird dadurch verschärft, dass Dozierende z.T. keine Kontakte mit anderen eLearning-Akteuren im eigenen Departement pflegen - sie sind, wie Tony Bates treffend beschrieben hat, "lone rangers".
Große Projekte, wie sie z.B. zu Beginn des Swiss Virtual Campus in der Schweiz lanciert worden sind, haben versucht, Fachkollegen aus verschiedenen Institutionen einzubinden. Es gab erhebliche Probleme bei der Koordination unterschiedlichster persönlicher und institutioneller Interessen. Aus Sicht der Studierenden haben diese Koordinationsanstrengungen nicht zu einer Vereinheitlichung des eLearning-Angebots geführt. Das Problem des Wildwuchses unterschiedlicher fachspezifischer Plattformen wurde so nicht gelöst.
Wie bereitet "ETHplus" den Weg vom "lone ranger" zum "dream team"?
Prof. Urs Gröhbiel: ETHplus will Dozierende dazu ermutigen, das eLearning-Lernangebot eines Studiengangs gemeinsam zu gestalten und die damit verbundenen Entwicklungsprozesse zu optimieren. Das Studium an der ETH soll dadurch langfristig mit neuen Lerntechnologien - wo sinnvoll - breitflächig unterstützt werden.
Im Rahmen des Fonds des Rektors zur Innovation der Lehre (Fonds Filep) werden die Departemente eingeladen, Ideen zu solchen gemeinsamen Entwicklungsanstrengungen in einem kompetitiven Verfahren einzureichen.
Die Departemente werden schon in der Einreichungsphase auf die neuen Herausforderungen dieses Projekttypus sensibilisiert und während der Entwicklung durch eLearning-Experten begleitet. Weiterhin wird die Integration in ETH-übergreifende Systeme in den Bereichen IT und Kommunikation unterstützt.
"Mobility Matters" des Schulbereichs "Erde, Umwelt und Natürliche Ressourcen" (School Domain of Earth, Environment and Natural Resources, S-ENETH) ist das erste Projekt, das in diesem Rahmen gefördert wird. In diesem Projekt haben sich gleich drei Departemente zusammen entschlossen, eLearning systematisch in mehreren Studiengängen einzusetzen.
Welche Erfahrungen hat ETHplus bisher gemacht?
Prof. Urs Gröhbiel: Durch das Projekt konnte bis jetzt ein einheitlicher Zugang zu eLearning-Ressourcen konzipiert werden, der es unter anderem auch Studieninteressierten erlaubt, ihre Eignung zur Aufnahme des Masterstudiums zu testen. Studienkoordinatoren können eLearning-Einheiten Studierenden individuell zuordnen. Dadurch wird die im Rahmen der Bologna-Reform nötige Information und Individualisierung unterstützt. Dozierende werden im noch zu implementierenden System Lerninhalte leichter austauschen und in unterschiedlichen Studiengängen einsetzen können.
Fast wichtiger als diese Projektergebnisse, ist der Entwicklungsprozess, der durch dieses Projekt ausgelöst worden ist. Dozierende und Assistierende denken nicht nur für ihre eigene Lehrveranstaltung, sondern wenden ihre Erfahrungen auf einen ganzen Studiengang an. Als dem Projekt zur Seite gestellter Begleiter ist es für mich spannend, zu beobachten, wie sich durch den Erfahrungsaustausch und die Diskussion gemeinsamer Prozesse im Rahmen von "Mobility Matters" die Perspektive für die Dozierenden grundlegend verändert. Die "lone rangers" von verschiedenen Projekten entdecken, welcher Nutzen generiert werden kann, wenn das Know-how und die bestehenden Produkte gebündelt und in die IT-Architektur der ETH stärker integriert werden.
Wie sehen die nächsten Schritte aus? Bis wann werden eLearning-Angebote an der ETH Zürich breitflächig zur Verfügung stehen?
Prof. Urs Gröhbiel: Die Vision ist, dass einzelne eLearning-Angebote in eine qualitativ hochstehende Lehre an der ETH integriert sind. Dass ein Student kommen kann und an einer Stelle umfassend informiert wird, welche Dienste im Bereich eLearning das Studium erleichtern und verbessern. Die Erfahrungen, die wir jetzt in einzelnen Departements machen, werden evaluiert und können dann auf andere Studiengänge übertragen werden. Die Vision von ETHplus ist, so dass bis ca. 2011 alle Studiengänge ihren Studierenden als Ergebnis optimierter Entwicklungsprozesse einheitliche und didaktisch hochstehende eLearning-Leistungen anbieten können.
Vortrag "Vom 'lone ranger' zum 'dream team' - Erste Erfahrungen mit einem neuen eLearning Projekttypus der ETH Zürich", LEARNTEC-Sektion "eBologna - Neue Geschäftsprozesse in Hochschulen", 14.02.2007, 14.00 - 17.00 Uhr
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