"Communities sind zentraler Teil der Geschäftsmodelle"
Hamburg, Oktober 2007 - (von Bettina Deininger) Erlebt das Internet im Zeitalter von Web 2.0 auch im Verlagswesen den Durchbruch? CHECK.point eLearning sprach mit Ehrhardt F. Heinold, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Heinold, Spiller & Partner in Hamburg, über neue Chancen und Marktstrategien der Verlage und welche Bedeutung eCommerce, eBook und eLearning bereits haben. Die Veranstalter des "Forum Innovation" auf der Frankfurter Buchmesse (Halle 4.2. P 421, 10.-14.10.07) stellen die Fachveranstaltungen, Vorträge und Diskussionsrunden ins Zeichen von "Medien 2.0 - Die Internetrevolution".
Was bedeutet das Web 2.0 für die Verlagsbranche?
Ehrhardt F. Heinold: Das Thema "Web 2.0" hat sehr große Relevanz. Am meisten für die Zeitschriftenverlage im Publikumssegment, dort erreichen die Portale die Reichweiten der Printprodukte. Für alle Fachverlage, bei denen es um Wissen, Ratgeber und Special-Interest-Themen geht, kann sich das Internet auch zur Alternative zum Buch entwickeln.
Am meisten spielen Web 2.0-Anwendungen wie blog und podcast derzeit im Marketing für junge Zielgruppen eine Rolle.
Das Internet scheint nun doch eine Plattform für erfolgreiche Geschäftsmodelle werden zu können. Welche Fehler hat man überwunden?
Ehrhardt F. Heinold: Das sieht man sehr gut den Communities. Im Prinzip ein altes Thema, denn es gab schon Ende der 90er Jahre große Communities auch auf Verlagsseiten, die aber 2000/2001 fast alle geschlossen wurden, denn es waren oft Geldverbrennungsmaschinen.
Jetzt hat man im Wesentlichen drei Geschäftsmodelle:
1. Werbefinanzierung. Heute ist ein Online-Portal auch in der Lage, ansprechende Reichweiten zu verkaufen, und die werbetreibenden Kunden schichten ihre Etats bereits um. Der Online-Bereich ist immer noch unterkapitalisiert.
2. Bezahlte Services, z.B. www.toggolino.de , ein werbefreies Portal für Lernspiele für Kinder, das kostenpflichtig ist. Oder die Premium-Services bei Haufe für Zeitschriften wie -žwirtschaft + weiterbildung-œ, die im großem Unfang Zusatznutzen in Form von Downloads bieten.
3. eCommerce: z.B. geben User auf www.holidaycheck.de Bewertung über Hotels und Reiseveranstalter ab, aber gleichzeitig kann man auch Reisen buchen. Dahinter steckt ein Reisebüro.
Welche Entwicklungsschritte stehen jetzt bei Verlagen an, die an der neuen Dynamik teilhaben wollen?
Ehrhardt F. Heinold: Nach dem Hype kam eine Überwinterungsphase, und seit zwei Jahren hat jeder wieder das Web im Kernbereich seiner Strategie. Das Internet-Marketing ist stark aufgewertet worden. Jetzt kann man tatsächlich die Endkunden erreichen.
Viele Verlage bieten über ihre Internetseiten ihre Bücher zum Verkauf, Vertrags- und Versandbuchhändler wickeln das Geschäft ab. Das gefällt dem stationären Buchhandel immer noch nicht, aber er hat sich arrangiert.
Was die inhaltliche Entwicklung in den Verlagen angeht, so sind crossmediale Produkte, d.h. Lehrbücher mit Internetergänzung, aktuell.
Welche Beispiele sind wegweisend?
Ehrhardt F. Heinold: Der Einsatz von Whitepapers bei Vogel Business Media nach dem Vorbild von www.techtarget.com aus den USA.
Als Anbieter stellt man eine ausführliche Beschreibung seines Produkts auf die Plattform. Als Nutzer registriert man sich und loggt sich ein, um die Beschreibung vollständig abzurufen. Der Service ist für Nutzer kostenlos, der Produktanbieter zahlt für den Kontakt.
Das ist Matchmaking im großen Stil und sehr effizient für die Geschäftsbeziehungen. Sehr hohe Wachstumsraten verzeichnet auch das Hörbuchportal www.audible.de, und das ist reines Internetgeschäft.
Welche Chancen sehen Sie für das eBook?
Ehrhardt F. Heinold: Getrennt vom Ausgabegerät rechne ich dem eBook neue Chancen ein. Jetzt ist es mehr oder weniger ein pdf und als solches bei amazon in den USA schon sehr erfolgreich. Bei www.springerlink.de sind schon rund 10.000 eBooks abrufbar, jedes Jahr kommen 3.000 hinzu.
Sobald das digitale Papier entwickelt ist, bekommt das eBook noch einmal einen Schub. Außerhalb des Wissenschaftsbereichs wird der Absatz niemals riesig werden, denn es stellt nur bei relativ kurzen Texten eine Alternative für gedruckte Informationen dar.
Epapers bei Zeitungen und Zeitschriften sind zwar ein Nischenmarkt, aber auch schon Standard. Das wird sich erst ändern, wenn das digitale Papier als Massenmedium verfügbar ist.
Welche innovative Rolle können podcasts im Verlagswesen spielen?
Ehrhardt F. Heinold: Das virtuelle Hörbuch ist stark im Kommen, Hörbuchportale haben enorme Zuwächse, z.B. das Kinderhörbuchportal www.hoerstern.de.
Videocast könnte podcast bald überholen, denn die Visualisierung ist für Specialinterest-Verlage wichtiger. Die Einnahmen kommen dann über den Anstieg des traffic auf den Seiten.
Welche Bedeutung wird den Communities zukommen?
Ehrhardt F. Heinold: Communities sind jetzt schon zentraler Teil der Geschäftsmodelle - zur Kundenbindung, zur Marktforschung oder für den Content der Seiten. Sind die Portale werbefinanziert, wirken Communities als Traffic-Treiber. Aus klassischen Verlegern werden Organisatoren von Communities, Inhalte sind nur noch ein Teil des Geschäfts. Das erfolgreichste Modell ist www.xing.com (vormals: openBC).
Welche Chance liegt in Online-Messen?
Ehrhardt F. Heinold: Plattformen wie www.elearning-expo.de funktionieren gut, Anbieter zahlen für ihren virtuellen Stand, und die Kontakte, die zustande kommen, sind hochwertig.
Gibt es schon zukunftsweisende Ideen für das Verlagswesen in Second Life?
Ehrhardt F. Heinold: Hier geht es im Moment eher um den Aufmerksamkeitswert. Der Weg zum erfolgreichen Geschäftsmodell ist noch steinig, denn Mediadaten und Reichweiten gibt es noch nicht. Wichtiger sind jetzt die Communities. Wenn Verlage in Foren präsent sind, die von Fans z.B. eines Starautors oder eines Bestsellers betrieben werden, ist das viel besser.
Welche Veränderungen löst eLearning aus?
Ehrhardt F. Heinold: Das Thema sollte schon seit Jahren eine höhere Relevanz haben. Die Schulbuchverlage haben viele Produkte mit Internetanbindung, darüber hinaus bietet z.B. Schroedel mit www.antolin.de ein internetbasiertes Tool zur Leseförderung an. Lernspiele für Kinder auf www.toggolino.de sind mehrfach ausgezeichnet.
Für den Nachmittags-Markt wird in Deutschland viel Geld ausgegeben. Komplett online-basierte Nachhilfe-Welten zu bauen ist aber gescheitert. Eltern akzeptieren es offensichtlich nicht, für Nachhilfe ohne Präsenzlehrer zu bezahlen.
Erfolgreich sind bislang Angebote, die technisch nicht zu kompliziert gedacht sind, d.h. also vor allem aus pdf-Downloads bestehen wie beim Bildungsanbieter www.akademie.de. Ansonsten ist das Thema eLearning ein akademisches, an Hochschulen gibt es schon zahlreiche Angebote, z.B. in der Medizin mit Lehrfilmen im Internet. Innovationen kommen weniger von Seiten der Bildungsanbieter, sondern von den Softwareentwicklern.
Vielen Dank für das Gespräch.
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