Mit Second Life soziale Kompetenzen erweitern
Düsseldorf, Oktober 2007 - Mercedes Benz und der Sportartikelhersteller Adidas sind schon "drin", aber auch immer mehr private Internetnutzer entdecken die virtuelle Welt Second Life. Im Rahmen der Fachtagung diskutieren wir Chancen und Risiken der Plattform für die Bildungsbranchen. Auf dem Podium begrüßen wir u.a. Enrico A. Kern, Trainer und Second Life Berater. Bei CHECK.point eLearning spricht er schon heute über seine Erfahrungen und gibt eine Einschätzung zum Potenzial von Second Life.
Herr Kern, Sie verfügen über eine eigene Insel in Second Life. Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der virtuellen Welt gemacht?
Enrico A. Kern: Erfahrungen in einer größeren Vielfalt als ich es je vermutet habe. Anfangs aus reiner Neugier, nach einer Empfehlung im Zusammenhang mit Programmen für Rollenspiele. Second Life hat tatsächlich das Potenzial eines zweiten Lebens.
Hier trifft man auf so ziemlich alle zwischenmenschlichen "Spielarten". Ich persönlich betrachte Second Life nicht als ein Spiel. Es ist vielmehr eine Möglichkeit, neben den spielerischen Elementen, wie dem Bauen und Kreieren virtueller Lebensräume, auch seine sozialen Kompetenzen zu erweitern. So habe ich zunächst eine Meinungs- und Marktforschungsgruppe gegründet und einige repräsentative Umfragen durchgeführt.
Je weiter und länger man sich in diese Welt hineinbegibt und sich darin mit offenen Augen bewegt, umso klarer werden die zukünftigen Chancen die das Web 3D bietet.
Ich persönlich habe durch Second Life Hunderte interessanter Menschen kennen gelernt. Viele davon sind auch im realen Leben zu Freunden und Geschäftspartnern geworden. Neben dem riesigen Spaß, habe ich sehr viel gelernt und wirtschaftlich hat sich der Schritt ebenfalls gelohnt. Aber dies ist, wie vieles im Leben, eine persönliche Einstellung und Betrachtung.
Sie bieten u. a. Erfolgs- und Second Life-Beratung im realen Leben wie auch auf Ihrer virtuellen Insel "Event Island" an. Wie beurteilen Sie die Resonanz auf das Angebot?
Enrico A. Kern: Wir betreiben in Second Life seit mehreren Monaten ein umfangreiches Dienstleistungsunternehmen. Dazu gehören auch ein Gesundheitszentrum mit Naturheilpraxis, eine Ernährungsberatung und ein Reisebüro. In unserem OpenAir Theater finden vielerlei Veranstaltungen statt, wie z.B. Lesungen, Betriebsfeste, Hochzeiten oder Single-Partys. Seit der Inseleröffnung hatten wir mehr als 10.000 Besucher. Das ist überdurchschnittlich für Second Life. Ich selbst biete zudem persönlich begleitete Einstiegskurse und Beratungen an. Meine bisherigen Kunden, sind mit den Ergebnissen zufrieden.
Insgesamt ist die Nachfrage von Unternehmen zurzeit eher noch zurückhaltend, was überwiegend daran liegt, dass die Aufbau- und Entwicklungsphasen von Second Life noch starken Schwankungen unterliegen. Ebenso tragen die Informationslücke hinsichtlich der Finanz- und Rechtssicherheit und das geringe Wissen um die tatsächlichen Möglichkeiten und Chancen von Second Life noch dazu bei. Mit der Bekanntgabe der Kooperation von IBM und Linden Lab, dem Hersteller von Second Life, dürfte sich die Zurückhaltung ändern.
Was sollten Personen/Unternehmen beachten, die mit einer Präsenz in Second Life starten möchten?
Enrico A. Kern: Zunächst sollten sie sich sehr genau mit den sozialen Strukturen, den technischen Besonderheiten und dem internen wirtschaftlichen System vertraut machen. Wie in der realen Welt empfiehlt es sich, eine umfangreiche Marktanalyse durchzuführen. Der Rat eines erfahrenen Experten und die Erkundung des "Inworld-Lebens" sind ebenfalls hilfreich.
Einsteiger sollten beachten, dass Second Life keine dreidimensionale Website ist, sondern eine lebendige "Parallelwelt". Hinter jeder Spielfigur (Avatar) sitzt ein Mensch, der sie steuert, Emotionen einbringt und sich mehr oder weniger mit seiner virtuellen Figur identifiziert.
Worin liegt Ihrer Meinung nach das größte Potenzial von Second Life?
Enrico A. Kern: Ich sehe das größte Potenzial im Mix mit den Möglichkeiten des Internets. Second Life ist gerade erst am Anfang seiner Entwicklung, da holpert und ruckelt es noch an vielen Ecken. Genauso wie zu Beginn des Internets wird sich das Web 3D rasant weiterentwickeln. Schon heute sind die Entwicklungen sehr umfangreich und kaum noch überschaubar. In nur einer Woche ereignet sich soviel Neues, dass ich einen halben Tag brauche um es zu verarbeiten.
Können Sie einschätzen, inwiefern die virtuelle Welt auch Bedeutung für die Bildungsbranche hat bzw. künftig bekommt?
Enrico A. Kern: Mit dem Ansatz des Blended Learning ist man hier genau an der richtigen Stelle. Second Life eignet sich insbesondere durch seine dritte Dimension als Bildungsplattform. Bisherige Lernangebote werden durch die räumliche Wahrnehmung, das Gruppen- und klassenraumähnliche Erlebnis, Geräusche, Sprache sowie Mimik und Gestik bereichert.
Der lebendige Eindruck und die Möglichkeit mitzumachen erhöhen die Bindung zwischen Schülern, Schule und Unterricht. Darüber hinaus ist zwischenmenschliche Kommunikation ein wesentlicher Faktor für die Steigerung von Lernerfolgen.
Plastische und experimentelle Darstellungen und Gestaltungen sind als Erlebnis erfahrbar. Dies erleichtert es, Lerninhalte zu begreifen und nachhaltig einzuprägen. In Second Life lassen sich alle modernen Lehrmittel darstellen und nutzen: Bilder und Texte genauso wie Audio, Video und Film.
Das Anwesenheitsempfinden der Lernenden und Lehrenden unterstützt die Aufmerksamkeit und das fast haptische, also körperlich fühlbare Empfinden, fördert wiederum das Einprägen.
Aber auch die spielerische Komponente ist nicht zu unterschätzen. Schließlich haben die meisten Menschen ihre Scheu vor dem Computer und dessen technischen Gegebenheiten durch Spiele verloren, ja sogar dessen weitergehenden Nutzen auch wirtschaftlich erst ermöglicht.
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