Wer die Wahl hat, hat die Qual - oder gewusst wie!
Öhringen, Juni 2008 - Dass die Auswahl eines Unternehmens-Wikis unter 70 angebotenen Alternativen alles andere als ein Spaziergang ist, beschreibt Sven Wartenberg, Mitarbeiter im Technischen Projektmanagement und Ansprechpartner zum Thema Wissensmanagement beim Unternehmen Würth Elektronik ICS GmbH & Co. KG. Nach dem Entscheidungsprozess gibt er wertvolle Hinweise, die anderen Unternehmen helfen, eine möglichst zukunftsfähige/nachhaltige Wahl zu treffen.
Das Unternehmen Würth Elektronik ICS (WE-ICS) ist einer der führenden Anbieter von elektromechanischen und elektronischen Systemlösungen in Einpresstechnik. Das mittelständische Unternehmen erwirtschaftet mit rund 140 Mitarbeitern 30 Millionen Euro Umsatz und ist weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt für seine Qualität und Kundenorientierung. Wie für alle mittelständischen Unternehmen in der Hochtechnologie ist Wissen für WE-ICS ein wichtiger Produktionsfaktor.
Zwar verfügte das Elektronikunternehmen seit 2005 über einen FAQ-Ordner, der als Wissensressource jedoch eine ganze Reihe von Nachteilen barg. Jeder Mitarbeiter aus dem technischen Projektmanagement konnte dort Daten ablegen. Anfangs gab es die Regelung, dass ein zentraler "Verwalter" die Daten abspeicherte, was sich allerdings schnell als unpraktikabel erwies.
Die Ordnerstruktur des FAQ war komplett unorganisiert und beliebig, was das Finden erheblich behinderte. Eigentlich handelte es sich bei den FAQs eher um eine Sammlung von Bits und Bytes, die nach beliebig erweiterbarer Suchtiefe zu einer beliebigen Information kristallisierten. Die verwendete "Lösung" entsprach in keinerlei Hinsicht den Anforderungen an das Finden von Informationen geschweige denn des Wissens im Unternehmen.
Ohne Anforderungskatalog, keine Auswahl
Um den flexiblen Austausch von Informationen zu unterstützen, entschied sich WE-ICS für die Einführung eines Wikis. Ziel eines Wiki ist es im Allgemeinen, die Erfahrung und den Wissensschatz der Autoren kollaborativ in Texten auszudrücken. Jeder sollte sein Wissen selber bereitstellen können, zum Zeitpunkt wenn er es gewonnen hat - und jeder sollte (dieses) Wissen finden können, zum Zeitpunkt, wenn er es gerade benötigt.
Der Anforderungskatalog stellte keine besonderen Herausforderungen an das auszuwählende Wiki. Es ging darum, Wissen zu verteilen und zu speichern. Natürlich sollte das Wiki für jeden jederzeit verfügbar sein und durch das Kollaborationsprinzip eine ständige Korrektur und Aktualisierung des veröffentlichten Wissens erfolgen. Diese Handlungsfelder deckt jedes Wiki ab. Die Regeln sollten dabei möglichst automatisch und intuitiv vorgegeben sein und das Wiki sollte auf die im FAQ vorhandene Wissenssammlung aufsetzen.
Die vorgesehenen Wissensthemen sind eher langlebiger Natur. Eine persönliche Weitergabe/Austausch war nicht zwingend erforderlich. WE-ICS hatte nicht vor, heikle Themen wie beispielsweise strategisches Firmenwissen im Wiki zu veröffentlichen, deswegen bedurfte es hier keiner besonderen Sicherheit.
Doch so einfach war die Auswahl nicht. Allein in Wikipedia finden sich unter dem Suchbegriff "Wiki" 70 (!) unterschiedliche Wiki-Ausprägungen, sortiert nach der zu Grunde liegenden Programmiersprache. Als die wichtigsten Wiki-Typen identifizierte die Projektleitung Twiki, Moinmoin, Pmwiki, Mediawiki und Dokuwiki. Die Wiki-Typen sind mittlerweile in vielen Eigenschaften so ähnlich, dass man im Entscheidungsprozess die tatsächlich relevanten Unterschiede gar nicht erkennt beziehungsweise zukünftig entstehende Nutzeranforderungen noch nicht berücksichtigen kann. Zudem werden die meisten Wiki-Typen ständig weiterentwickelt und verbessert und gleichen sich dabei immer weiter an.
Um die verschiedenen Wiki-Typen zu vergleichen und damit die Auswahl zu erleichtern, erstellte das süddeutsche Unternehmen eine Anforderungsmatrix, priorisierte nach Kriterien wie Inhalt (Art/Umfang/Sensibilität), Zugriff/Nutzung, Pflege/Betreuung, Sicherheit/Berechtigung und System/IT. Den Anforderungen stellte WE-ICS die Eigenschaften der Wikis auf der Shortlist gegenüber. Neben dem Vergleich der Eigenschaften der einzelnen Wiki-Typen mit den Anforderungen, waren auch Aufwand, Kosten und Erfahrungen anderer Wiki-Nutzer wichtige Auswahlkriterien.
Bereits für die Vorauswahl zogen die Projektverantwortlichen verschiedene, für jedermann zugängliche Quellen hinzu. Bei Wikimatrix lassen sich allein über 100 Eigenschaften der verschiedenen Wiki-Typen vergleichen. Unterschiede gibt es nicht nur in der Programmiersprache und Plattform, sondern auch in unterschiedlichen Nutzerinteressengruppen. Über das Thema gibt es Fachveröffentlichungen, Internet-Foren und Wiki-Communities. Wichtige Quelle sind auch Erfahrungen befreundeter Partnerunternehmen.
In vier Schritten zum Unternehmens-Wiki
- Eine objektive Bedarfsanalyse ist die Grundvoraussetzung
Bei der Auswahl des Wikis. Hierbei sollten Unternehmen nicht schon lösungsorientiert denken, vielleicht gibt es auch eine andere Lösung als ein Wiki. - Erfahrungswerte anderer nutzen
Andere Unternehmen haben ihre Erfahrungen mit Wikis schon gesammelt und können über Schwächen und Stärken urteilen. - Im kleinen Bereich anfangen
Die Wiki-Lösung sollte erst nach einer Testphase und Evaluationsphase im kleinen Bereich erweitert werden. - Stakeholders einbeziehen
Will die IT/EDV die Lösung installieren? Will der Mitarbeiter die Lösung nutzen?
WE-ICS entschied sich schließlich für die Lösung MoinMoin-Wiki. Abschließend ist jedoch festzustellen, dass es keine "die Wiki-Lösung" gibt. Denn die Anforderungen von Unternehmen, deren Wissensbereiche, Unternehmenskulturen und Nutzerkulturen sind dafür zu individuell und unterschiedlich. Der Herausforderung des Auswahlprozess muss sich daher jedes Unternehmen stellen.
2024 neigt sich dem Ende zu und damit starten die Vorbereitungen für das nächste Jahr. Welche Trends werden in 2025 die L&D Branche prägen? Was sind die größten Herausforderungen für Personalentwickler:innen und wie können sie ihnen begegnen? Nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit!