Gehirn, Körper und Umwelt als interaktives System
Rostock, Mai 2009 - Das Verständnis vom Lernen änderte sich in den letzten Jahrzehnten beträchtlich: Der Fokus auf Gedächtniskapazität und Regelanwendung wich der Einsicht, dass Lernen abhängig von authentischen Situationen ist, wo die Lernenden eine legitime Rolle übernehmen können. Hier steht Aktion und Kooperation im Vordergrund, und die Rolle der aktiven Strukturierung der Umwelt wird betont. Auf diesen Prozess konzentriert sich die Keynote von Prof. Hanna Risku anlässlich der eLearning Baltics am 18./19. Juni 2009 in Rostock.
Gehirn, Körper und Umwelt werden nicht mehr als isolierte Einheiten gesehen werden, sondern als ein interaktives System, dass erst als Ganzes Intelligenz hervorrufen kann. Das neue Lernen hat umfassende Konsequenzen für das Management des Lernens und der Weiterbildung in Organisationen. Die Gestaltung von Lernumgebungen und instrumenten wird zur Schlüsselkompetenz von Führungskräften.
Die Betonung liegt nicht mehr ausschließlich auf dem Gehirn als "Sitz der Denkmaschine", sondern erweitert sich auf seine Interaktion mit der Umwelt. Diese wird im Konzept Situierten Lernens als Raum interpretiert, in dem Erfahrungen gemacht und Kompetenzen entwickelt werden können.
Zwei grundlegende Annahmen der bisherigen Kognitionswissenschaft werden dabei in Frage gestellt: Dass das Gehirn Informationen über die Umwelt speichert und intelligentes Handeln zentral steuert. Wir sind nicht intelligent, weil wir nur unseren gewohnten Schemata folgen, sondern weil wir diese als erste Erwartung nutzen, um aber danach aktiv und flexibel in der gegebenen Umwelt zu navigieren. Wir haben zwar Ziele, folgen jedoch keinen inneren Fahrplänen, um diese zu erreichen.
Das persönliche Wissensmanagement bedeutet daher mehr als ein großes Kursangebot, gute Online-Zugänge und eine durchdachte Ordnerstruktur: Es ist die Gestaltung und Pflege des persönlichen intellektuellen, emotionalen und sozialen Bewegungsraums.
Das nachhaltige Lernen setzt Vertrauen und Sicherheit in der Lernsituation voraus, aber auch die schmerzliche Erkenntnis, dass die vorhandenen Kompetenzen für die zukünftigen Herausforderungen nicht ausreichen. MitarbeiterInnen müssen die Probleme, Schwierigkeiten und Zusammenhänge verstehen, in denen das Unternehmen bestehen muss. So werden Lernende zu GestaltungspartnerInnen, die im Einklang mit ihren persönlichen Werten und Interessen bereit sind, sich durch ständiges Lernen für die Weiterentwicklung des Unternehmens einzusetzen.
Dabei erhalten der bewusste Einsatz von Werkzeugen sowie das Entstehenlassen und die Förderung von Kommunikation und Kooperation auch in informellen Netzwerken erste Priorität. Welches konkrete System für das Management des Wissens und Lernens das richtige ist, hängt von der Person und der Organisation ab: Universelle Fertiglösungen sind out, flexible Einsatzmöglichkeiten sind angesagt.
Der Forschungsbereich KnowComm der Donau-Universität Krems entwickelt im Rahmen des EU-Projekts PROLIX ein innovatives Werkzeug für die Analyse von Organisationen und die passende Wahl von Weiterbildungsmethoden. Durch die Erfassung der organisationalen Lernvoraussetzungen soll eine maßgeschneiderte Gestaltung von Weiterbildungen in Organisationen ermöglicht werden.
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