"Wir wollen ein gewisses Niveau halten"
Kassel, März 2010 - (von Prem Lata Gupta) Angehende Ingenieure haben beim Start an der Uni größere Wissenslücken als ihnen bewusst ist. Deshalb sind Vorkurse Tradition. An der Uni Kassel jedoch geht es moderner zu: Ein virtuelles Eingangstutorium Mathematik vermittelt den Studierenden in MINT-Fächern (Mathematik, Naturwissenschaften, Informatik und Technik) das notwendige Basiswissen. "Wir wollen weg vom Frontalunterricht, hin zum individuellen Lernen", so Prof. Reinhard Hochmuth.
Sie haben gemeinsam mit anderen Professoren und Mitarbeitern den Multimedia-Kurs entwickelt. Was sind die Gründe?
Prof. Reinhard Hochmuth: Die Zielgruppe ist heterogener als früher. Bei uns in Hessen dürfen auch Fachoberschüler an der Uni studieren. Doch bei Studienanfängern hapert es nicht nur beim Stoff der gymnasialen Oberstufe wie Differentialrechnung, sondern schon bei einfacheren Aufgaben wie Bruchrechnen. Überhaupt unterscheiden sich die heutigen Mathematik-Kenntnisse auch bei Abiturienten von dem Wissensstand, den sie vor 20 Jahren hatten. Wir wollen ein gewisses Niveau halten.
Was ist hier der Vorteil von eLearning?
Prof. Reinhard Hochmuth: Das virtuelle Tutorium ist modular aufgebaut. So lassen sich sehr gezielt Lücken schließen. Außerdem enthält es interaktive Elemente sowie Abschnitte, wo es um typische Fehler geht. Der Lernende kann - anders als bei einem Buch - selber eingreifen, beim Ausprobieren lernen. Wo die Schwächen liegen, erfährt er bei einem Eingangstest, der online stattfindet. Wir nutzen hierfür und auch für die Kommunikation innerhalb des Kurses übrigens Moodle.
Passt denn ein Multimedia-Kurs für jeden Lerner-Typen?
Prof. Reinhard Hochmuth: Es gibt zwei Varianten. Beim E-Kurs findet eine Kick-off-Veranstaltung statt, in der die Technik erklärt wird und zusätzlich während des vierwöchigen Kurses jede Woche ein Präsenztag. Dafür entscheiden sich 40 Prozent aller Teilnehmer. Die anderen 60 Prozent belegen den P-Kurs belegen, hier splitten sich Präsenzunterricht und eLearning im Verhältnis 3:2.
Und was bringt mehr?
Prof. Reinhard Hochmuth: Grundsätzlich belegt ungefähr die Hälfte aller Studierenden in MINT-Fächern einen Vorkurs. Dies belegen unsere Zahlen aus Kassel. Und es wird bestätigt durch Erfahrungen der Universität Paderborn und der TU Darmstadt, die inzwischen ebenfalls unseren virtuellen Vorkurs anbieten. Beim Eingangstest schneiden die Studierenden, egal für welche Variante sie sich entschieden haben, gleich ab. Beim Schluss-Test sehen die Ergebnisse wiederum ähnlich aus. Wobei wir in 2008 sogar einen leichten Vorsprung der eLearner feststellen konnten.
Sie und auch andere Initiatoren des virtuellen Tutoriums plädieren inzwischen dafür, den Vorkurs verbindlich zu machen. Ein Probelauf dafür soll im Fachbereich Elektrotechnik/Informatik stattfinden...
Prof. Reinhard Hochmuth: Ja, denn wir haben mit den Konsequenzen politischer Entscheidungen zu leben. Auf der einen Seite ist es zwar löblich, die Universitäten zu öffnen. Aber es ist auch Protest vorprogrammiert, weil wir nun scheinbar neue Hürden aufbauen. Wir denken in der Tat über Lösungen nach, etwa ein nulltes Semester. Oder - wofür durchaus einiges spricht - über einen obligatorischen Eingangstest. Wer den nicht besteht, müsste dann den Vorkurs belegen. Egal ob Fachoberschüler oder Abiturient. Wichtig ist, dass zu Beginn des eigentlichen Studiums alle Anfänger einen ähnlichen Wissensstand auf definiertem Niveau haben. Erst das stellt eine sichere Grundlage dar, um überhaupt unterrichten zu können.
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