Kosten-Nutzen-Analyse

ELearning muss wirtschaftlich sein

Hannover, Januar 2011 - eLearning muss einen Nutzen bringen - soweit sind sich alle Anwender einig. Doch viele Unternehmen wissen nicht, wie sie Lernerfolge als Mehrwert in Euro beziffern sollen. Oft liegt es daran, dass sie keine Bedarfsanalyse durchführen und keine Ziele definieren. Michael Breitner, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Leibniz-Universität Hannover, hält im Rahmen des LEARNTEC Kongresses einen Vortrag zum Thema Technologieakzeptanz und Change Management, in dem er vor allem auf die Wirtschaftlichkeit von eLearning eingeht.




Herr Professor Breitner, wann sprechen Sie von einer erfolgreichen eLearning-Maßnahme?


Prof. Michael Breitner:
Wenn sie wirtschaftlich ist. Das heißt: Es geht nicht nur darum, einen Lernerfolg zu erzielen, sondern auch darum, diesen Nutzen zu vernünftigen Kosten zu stiften. Es gibt preiswerte Angebote mit geringem Nutzen und teure Angebote mit hohem Nutzen - beide können wirtschaftlich sein. Wenn der Nutzen in einem schlechten Verhältnis zu den Kosten steht, sind Unternehmen nicht bereit, dafür zu zahlen.


Sind die teuren immer die besseren Lernangebote?


Prof. Michael Breitner:
Das kann man so nicht sagen. Es gibt auch preiswerte mit einem hohen Nutzen für die Unternehmen. Ein Beispiel ist die Firma Mobilinga: Sie bietet zum Beispiel Sprachkurse als Apps fürs iPhone, fast alle unter zehn Euro und ohne Abo. Da können Fachleute zwar keine Fremdsprachen neu lernen, aber Vokabeln wiederholen und Grammatik auffrischen.


Wie stellt man fest, welche Lerninhalte überhaupt sinnvoll sind?


Prof. Michael Breitner:
Dazu muss man Ziele definieren: Am Anfang steht eine Bedarfsanalyse, in der ermittelt wird, welche Mitarbeiter welche Kompetenzen weiterentwickeln müssen. Erst dann kann man über die Maßnahmen entscheiden. Es wird viel über Didaktik und Technologien geredet und ob man die Lernsequenzen über das Notebook oder Mobiltelefon anbieten kann. Aber die betriebswirtschaftlichen Fragen lässt man oft außer Acht.


Und wie ermittelt man die fehlenden Kompetenzen?


Prof. Michael Breitner:
Wer eine systematische Personalentwicklung betreibt, kennt seinen Bedarf - unabhängig vom eLearning. Wenn ein Unternehmen beispielsweise mehr russische Handelspartner bekommt, müssen sich die Mitarbeiter russische Grundkenntnisse aneignen. Dazu kann man kleine eLearning-Module für eine Basisausbildung und Fachbegriffe zur Verfügung stellen.


Es gibt aber auch Unternehmen, die einfach kleinere eLearning-Dienstleistungen anbieten und sich umschauen, was es auf dem Markt so gibt. Das ist nicht nachhaltig. Und wenn Mitarbeiter sich selbst Kurse aussuchen dürfen, ist für sie vielleicht Zeit- oder Konfliktmanagement interessant, aber für Unternehmen ist dies vielleicht nicht allzu wichtig.


Meistens werden die Kurse vorgeschrieben. Wie schafft man Akzeptanz bei den Lernenden?


Prof. Michael Breitner:
Lernbereitschaft und Motivation hängen stark von der Softwareergonomie ab - und das gilt für billige und teure Kurse gleichermaßen. Die Angebote müssen schnell einen sichtbaren Nutzen bringen, leicht erlernbar und intuitiv bedienbar sein und natürlich multimedial. Sehr wichtig ist das Feedback: Die Teilnehmer brauchen eine Rückmeldung über ihre Fortschritte, beispielsweise über Zwischentests oder ihren Punktestand.

Und wie lässt sich die Akzeptanz bei älteren Mitarbeitern erhöhen?


Prof. Michael Breitner: Die Lernbereitschaft und Lernfähigkeit lassen mit dem Alter etwas nach, aber das hat nichts mit eLearning zu tun. Man kann ihnen den Zugang erleichtern, indem man kleinere Einheiten anbietet und diese häufiger wiederholt. Die Multimedialität interessiert diese Zielgruppe aber nicht gar so sehr.


Nach welchen Berechnungsmodellen kann man feststellen, ob eine Maßnahme erfolgreich war?


Prof. Michael Breitner:
Das ist nur schwer greifbar, denn es gibt noch zu wenige Arbeiten zur Nutzenanalyse. Die Kosten dagegen kann man gut kalkulieren: Die Total Cost of Ownership lassen sich auf fünf bis zehn Prozent genau ermitteln. Beim Nutzen muss man verschiedene Beteiligte befragen: Lerner, Kollegen, Vorgesetzte, Lehrende und Entwickler - also quasi eine 360°-Beurteilung. Dazu gibt es Tests mit einer automatischen Evaluierung, zum Beispiel in den Lernmanagementsystemen, wenn dies rechtlich zulässig ist.


Aber wie drückt man den Nutzen in Euro aus?


Prof. Michael Breitner:
Die Kompetenz und den Wert von Mitarbeitern zu bewerten ist schwierig. Es besteht die Möglichkeit, eine generelle Bewertung vorzunehmen. So könnte beispielsweise der Wert vor einer Schulung oder Beförderung bei 80.000 Euro liegen, danach bei 120.000 Euro. Das ist Aufgabe des Personalmanagements.


Wie transparent dürfen diese Werte sein?


Prof. Michael Breitner:
Da die Testergebnisse digital vorliegen, kann man beim Web-based Training Informationen nutzen, die man sonst nicht bekommt. Theoretisch könnten diese Daten in der Personalakte landen, aber da muss der Betriebsrat zustimmen. WBT-Anbieter betreiben Server mit entsprechenden Schnittstellen, das heißt: Der Kunde kann die Ergebnisse einsehen und nutzen, aber das müssen die Unternehmen selbst entscheiden. Rechtlich bewegt man sich hier oft in einer Grauzone.



Prof. Michael Breitner spricht im Rahmen der Sektion "Management 5" am 3. Februar um 11 Uhr über das Thema "Technologieakzeptanz und Changemanagement: warum eLearning funktioniert und warum nicht".