Soziale Netzwerke

Talente intern und extern mobilisieren

Köln, Mai 2011 (von Prem Lata Gupta) Human Resources und soziale Netzwerke? Passt das oder prallen immer noch Welten zusammen? Nina Kalmeyer, Beraterin für Social Media Recruiting und Online-Personalmarketing, informiert in Seminaren und Einzelcochings sowohl Personaler als auch Geschäftsführer über die neuen Chancen im Social Web. Denn die Bandbreite ist groß: Manche von ihnen wissen nicht einmal, dass ihr Unternehmen bereits öffentlich in Arbeitgeber-Portalen bewertet wird. Andere Unternehmen setzen dagegen zum großen Sprung an und wollen eigene Plattformen etablieren, um Talente extern als auch intern zu mobilisieren. Nina Kalmeyer: "In den nächsten sechs bis zwölf Monaten wird sich im Social Web einiges tun, gerade was die Bereiche Talent Management, Employer Branding und Social Recruiting angeht."



Nina Kalmeyer: HR-Fachleute, aber auch vielfach Manager von Unternehmen, sind oft noch nicht mit den Chancen, Möglichkeiten und auch den Risiken von Social Media vertraut. Es geht darum, dialogorientiert mit seinen Kunden/Bewerbern zu kommunizieren. Bisher wurden Informationen one way an die Zielgruppen gepusht. Ob jemand eine Meinung dazu hatte, war nicht gefragt.


Zukünftig dialogorientiert zu kommunizieren heißt: offen sein, zuhören, zeitnah reagieren und manchmal Kritik einstecken zu müssen. Dies sind neue Situationen, mit denen man sich erst einmal vertraut machen muss. Außerdem ist es für Kunden/Bewerber durch das Social Web sehr viel einfacher geworden, Aussagen zu überprüfen, die von Unternehmen gemacht werden.


Heute finden Vorstellungsgespräche statt, in denen Personalverantwortliche erleben, dass sich Bewerber über die verschiedensten Kanäle im Internet vorab über das Unternehmen informiert haben - das kann eine Community sein, in der die Gehaltsstrukturen dieser Firma diskutiert werden, das kann ein Arbeitgeberbewertungsportal sein, wo man sich über Weiterentwicklungsmöglichkeiten informiert hat bis hin zu Google Street View, wo vorab die Gebäude/Umgebung besichtigt wurden.

Das heißt, die Personaler sind überrascht, auch weil sie sich den Kandidaten oder die Kandidatin weniger informiert vorgestellt haben?

Nina Kalmeyer: Das kann schon passieren. In meinen Workshops zeige ich den Teilnehmern beispielsweise Arbeitgeber-Bewertungsportale wie Kununu, in denen Kommentare von (Ex-)Mitarbeitern zu ihrem Unternehmen abgegeben wurden. Manche sind überrascht oder gar entsetzt, weil sie weder etwas über die Inhalte der Bewertungen wussten noch dass so viele Menschen sich diese bereits angeschaut haben.

Vielleicht wird so etwas ja auch als Verlust von Kontrolle wahrgenommen...

Nina Kalmeyer: Absolut. Mehr Transparenz führt zu Abbau von Hierarchien und zu Kommunikation auf Augenhöhe. Wenn Unternehmen für ihre Mitarbeiter Social-Media-Seiten blocken, weil sie diese Kultur (noch) nicht haben, dann läuft der Dialog einfach ohne sie weiter. Ob sie wollen oder nicht. In irgendeiner Community wird irgendwann über das Unternehmen gesprochen. Da ist es doch besser, man nutzt als Arbeitgeber dieses Medium proaktiv, erkennt die Chancen und nimmt aktiv teil.


Eigene Mitarbeiter, die sich über ihre Firma, die Firmenkultur oder auch über die Entwicklungsmöglichkeiten in Netzwerken positiv äußern, werden als authentisch wahrgenommen und agieren somit als Unternehmensbotschafter. Sie ziehen dadurch andere Talente an, die vielleicht vorher noch nie etwas über dieses Unternehmen gehört haben.


Das ist gerade für Mittelständler interessant: Die schalten sonst eine ganz normale Job-Anzeige, in der die üblichen Stereotypen stehen und sind oft für Talente nicht attraktiv genug. Aber wenn in Communities über diese Firmen Klartext gesprochen wird, und zwar im positiven Sinn, dann fühlen sich auch Kandidaten angezogen, die sich sonst dort gar nicht bewerben würden.

Aber wie sieht es mit den High Potentials aus, die sich - bereits als solche identifiziert oder auch nicht - im Unternehmen befinden. Ist es nicht riskant, wenn sie sich in Netzwerken mit ihren Kompetenzen präsentieren?

Nina Kalmeyer: Es gibt Personaler, die sagen, dass die Xing- bzw. LinkedIn-Profile ihrer Mitarbeiter besser gepflegt sind, als die intern vorhandenen Daten. Ein Grund, warum sich manche Unternehmen bereits ganz im Sinn von Enterprise 2.0 nun eigene Plattformen aufbauen oder dies planen: Auf denen sollen die eigenen Mitarbeiter ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Stärken hinterlegen können. Dies ist innovativ, weil weniger hierarchie- sondern mehr community-orientiert.

Und was halten Sie von Karriere-Fanpages, wie sie bei Facebook existieren?

Nina Kalmeyer: Da wird in den nächsten zwölf Monaten viel passieren. Ich sehe Karriere-Pages als eine tolle Plattform, um Employer Branding zu betreiben. Aber zur Zeit ist es oft noch so, dass mit viel Aufwand zunächst eine durchdesignte Page realisiert wird, aber den Unternehmen zu wenig bewusst ist, dass man die 'Fans' auch bei der Stange halten muss. Dafür braucht man spannende Themen, Diskussionen und man muss Persönlichkeiten aus dem Unternehmen einbinden, die ansprechbar sind und aktiv mit kommunizieren. Nur so entstehen spannende Dialoge und es wird eine Mehrwert zur Karrierewebpage geboten.


Auch wissen viele der 'heißbegehrten' Fans noch gar nicht, dass es diese Karriere Fanpages bereits gibt. Auch hier müssen die Unternehmen die Kommunikation und den Community-Aufbau noch verbessern. Allerdings sollte den Verantwortlichen bewusst sein, dass sie hier echtes 'Kommunikations-Neuland betreten.' Ein Personalvorstand eines DAX-Unternehmens war ziemlich perplex, als er auf einer Veranstaltung für Young Professionals geduzt wurde. Sein Gegenüber war sich keiner Schuld bewusst. Der meinte: "Aber auf Eurer Karriere-Fanpage duzen sich doch auch alle."