Virtuelle Welten

Versuchsballon geplatzt: Der Avatar hat ausgedient

Stuttgart, August 2011 - (von Kirsten Seegmüller) Noch vor wenigen Jahren suchten Unternehmen und Personalberater in Secondlife nach neuen Mitarbeitern. Da die Gestaltung und Präsenz dort jedoch sehr aufwändig sind, hat sich das eRecruiting in Richtung der Social Networks verlagert. Doch ganz umsonst waren die Erfahrungen nicht: "Secondlife diente als Vorreiter von virtuellen Assessment Centern und Webcam-Vorstellungsgesprächen", so Barbara Lochmann von ECO.




In Secondlife stakst ein Avatar in ein Career Center und wird von einem Mitarbeiter in einen virtuellen Besprechungsraum gebeten, um dort ein Vorstellungsgespräch zu führen. Der Business Dress stammt aus dem Inventar der virtuellen Figur, kommuniziert wird über Chat. Recruiting in virtuellen Welten war ein Versuchsballon, der inzwischen geplatzt ist. Vor wenigen Jahren konnte man sich beispielsweise zu IBM oder Cisco teleportieren lassen und fand dort feste Jobs und Praktika für IT- und BWL-Fachleute. Allerdings war der Empfang selten besetzt, und der Klick auf interessante Jobtafeln führte die Bewerber lediglich in die nüchterne 2D-Welt der Firmenhomepage.


Wer die Randstad-Insel besuchte, wurde von niederländischen Mitarbeitern sofort persönlich begrüßt und durch die Jobangebote geführt. Heute sucht man vergeblich nach dem Personaldienstleister. Vom virtuellen Auftritt sind nur ein paar Gruppen übriggeblieben. "Wir sind nicht länger in Secondlife präsent", heißt es aus der niederländischen Zentrale, "wir haben viel über die Plattform gelernt und nutzen nun andere Online-Möglichkeiten, um mit Kunden und Mitarbeitern zu kommunizieren."


Ein Grund, warum sich virtuelle Welten nur bedingt als Recruiting-Plattform eignen, ist der Zeitaufwand: Um das volle Potenzial zu nutzen, muss immer ein Ansprechpartner anwesend sein. Wenn das nicht möglich ist, verkommt die Plattform zu einer statischen Oberfläche. "Secondlife hat wertvolle Impulse gegeben", findet Barbara Lochmann, Leiterin des Arbeitskreises eRecruiting bei ECO, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft.


"Vielleicht kam die Entwicklung zu früh oder die Zielgruppe war zu speziell", überlegt sie. Als Leiterin der Abteilungen Personal und Business Development bei Stellenanzeigen.de hat sie bereits zahlreiche eRecruiting-Optionen getestet. Ganz umsonst waren die Erfahrungen nicht: "Secondlife diente als Vorreiter von virtuellen Assessment Centern und Webcam-Vorstellungsgesprächen", so Lochmann.


Inzwischen hat sich die Mitarbeitersuche in die Sozialen Netzwerke verlagert. Während Xing und LinkedIn schon lange als Quelle für Business-Kontakte dienen, hat inzwischen auch Facebook an Seriosität gewonnen. "Wir sprechen beispielsweise über Facebook offene Stellen an und geben Interessierten die Möglichkeit, uns Fragen zu Jobangeboten zu stellen", erklärt Andreas Bolder, Director Human Resources bei Randstad Deutschland, "auch ein Bewerbungsratgeber ist dort abrufbar."


Randstad bietet zielgruppengerechte Auftritte bei großen Social-Media-Plattformen wie etwa Xing, Facebook, Twitter und Youtube. "Uns geht es um den Dialog, um Kontinuität und Nachhaltigkeit, deshalb bleiben wir bei unserer Xing-Gruppe auch mit ehemaligen Mitarbeitern in Kontakt."


Doch nicht alle Plattformen sind gleichermaßen für eRecruiting geeignet. Das Problem bei Facebook: "Es gibt dort keine aktive Direktsuche", so Lochmann, "wenn ein Arbeitgeber Kapazitäten frei hat, muss er eine gute Fanseite machen, das funktioniert gut und wird akzeptiert, vor allem bei jungen Unternehmen." Allerdings brauchen Social Networks eine intensive Pflege. "Eine tote Facebook-Seite ist genauso schlecht wie eine tote Secondlife-Insel", betont Lochmann. Zudem müsse man bei Facebook - anders als in Business-Netzwerken - eine viel größere Masse an Kandidaten ansprechen, um ähnliche Erfolge zu erzielen.


Welche Zielgruppen sich tendenziell in welchen Netzwerken bewegen, lässt sich nicht klar abgrenzen. Lochmann glaubt aber, dass sie bei Facebook eher Berufseinsteiger, Absolventen und Kreative findet, während sie einen alten Hasen aus dem Vertrieb eher bei Xing und LinkedIn suchen würde. "Zudem kann man davon ausgehen, dass Mitglieder in beruflichen Netzwerken angesprochen werden wollen." Bolder von Randstad bestätigt: "Nach unseren Erfahrungen halten sich auf Xing vor allem deutschsprachige Fachkräfte auf, viele Facebook-Mitglieder dagegen befinden sich gerade in der Ausbildung oder in den ersten Berufsjahren."


Entsprechend anders geht er auf die Zielgruppe zu, beispielsweise mit Informationen über das Unternehmen und die Arbeitswelt, Gewinnspielen und tagesaktuellen Jobs. Ein konkreter Nachweis der Erfolge der jeweiligen Plattformen sei zwar noch schwierig, "jedoch haben sich Xing und Facebook als geeignete Kanäle erwiesen".


Im Mobile Recruiting liegt noch viel ungenutztes Potenzial, dabei gehören Smartphones bereits zum Standard. Lochmann ist erstaunt, wie gering die Angebote sind, sich mobil durch Stellenanzeigen zu zappen und Bewerbungen wegzuschicken. "Jedes Unternehmen sollte eine mobilfähige Seite haben", findet sie. Es müsse nicht immer eine ausgefeilte App sein - es genüge schon, wenn man die Telefonnummern in den Anzeigen zum Wählen einfach antippen könne.


Twitter als Mini-Recruiting-Tool wird ganz unterschiedlich genutzt: "Darüber verbreiten wir allgemeine Nachrichten aus dem Unternehmen und halten rund 700 Follower mit Job-Accounts über aktuelle Stellen auf dem Laufenden", so Bolder. Über andere Angebote wie etwa Twitter Job Alerts können sich Bewerber nur die Jobs anzeigen lassen, die ihrem Profil entsprechen. Trotzdem glaubt Lochmann, dass der Hype abflacht. "eRecruiting über Twitter hat sich nicht bewährt", sagt sie, "die Nachrichten sind zu kurz und werden zu unterschiedlich genutzt."


Wie Unternehmen mit eRecruiting umgehen, hat eine Umfrage im Rahmen des Randstad Expertenpanel Personal ergeben, das der Personaldienstleister gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Innofact im Juni 2010 durchgeführt hat. Befragt wurden 152 Personalverantwortliche aus deutschen Unternehmen. Ihre zentralen Aussagen:

  • eRecruiting wird zunehmend populär und ist für die Personalbeschaffung unabdingbar.
  • Gut 60 Prozent der Befragten bewerten die Bewerbersuche über Internet als bedeutend beziehungsweise sehr bedeutend.
  • Branchenunterschiede: nur 17 Prozent der Personaler aus dem verarbeitenden Gewerbe bewerten eRecruiting als (sehr) bedeutend, unter den Dienstleistern sind es 74 Prozent.
  • 62 Prozent aller Befragten nennen die beschleunigte Reaktionszeit und die bessere Erreichbarkeit als Vorteile der Mitarbeitersuche mithilfe elektronischer Medien.
  • 30 Prozent erhoffen sich eine Senkung des administrativen Aufwands und des Papierverbrauchs.
  • 13 Prozent sehen Kostenersparnis als Vorteil.