Alles digital seit der Vergaberechtsreform
Berlin, August 2016 - Wer bisher von Aufträgen der öffentlichen Hand profitiert, muss sich seit April 2016 auf die EU-weiten Ausschreibungen umstellen. Die Gesetzesreform für die Vergabe öffentlicher Aufträge sieht neben einer komplett neuen Systematik auch inhaltliche Änderungen vor. Die wichtigsten Neuerungen: Das Verfahren ist vollständig digitalisiert, die Angebotsfristen sind erheblich verkürzt, der Zugang zum Verhandlungsverfahren ist erleichtert, es gibt neue Wertungskriterien.
"Wenn Unternehmen die neuen Regeln von Anfang an beherrschen, können sie sich einen echten Vorteil gegenüber Wettbewerbern sichern", sagt Rechtsanwältin Monika Prell, Expertin für Vergaberecht bei Bitkom Consult. Auf diese Veränderungen müssen sich Unternehmen einstellen:
Verpflichtende Elektronische Vergabe
EVergabe heißt: von der Bekanntmachung über die Angebotsabgabe bis zum Zuschlag wird die Vergabe elektronisch abgewickelt. Die eVergabe kann seit 18. April 2016 zwingend vorgegeben werden. Ab 18. Oktober 2018 müssen alle Vergabestellen die eVergabe komplett umgesetzt haben. Unternehmen sollten die eVergabe beherrschen, um künftig bei Ausschreibungen wettbewerbsfähig zu sein. Seit 18. April 2016 musste die öffentliche Hand im ersten Schritt zur kompletten eVergabe folgende Voraussetzungen schaffen:
Komplette Vergabeunterlagen mit Bekanntmachung
Der öffentliche Auftraggeber muss alle Vergabeunterlagen vollständig, unentgeltlich und direkt bzw. über einen Link in der Bekanntmachung über die Europäische Platt-form TED einstellen. Alle Vergabeunterlagen werden somit den Unternehmen auch im Teilnahmewettbewerb komplett zur Verfügung gestellt, sobald ein Auftrag bekannt gemacht wird. Ein klarer Vorteil für die frühzeitige Entscheidung, sich an der Ausschreibung zu beteiligen.
Kurze Angebotsfristen erfordern Standards
Die Angebotsfristen werden für alle Verfahren erheblich verkürzt: beim offenen Verfahren von bisher 52 auf 35 Kalendertage, bei Angebotsabgabe im Rahmen der E-Vergabe um weitere fünf Tage auf 30 Kalendertage. Wenn die Auftraggeber die kurzen Fristen anwenden, müssen insbesondere Unternehmen mit langwierigen Abstimmungsprozessen die internen Prozesse (noch mehr) standardisieren, um überhaupt ein wertungsfähiges Angebot abgeben zu können.
Registrierungspflicht entfällt
Unternehmen müssen sich nicht mehr registrieren, sie erhalten die Vergabeunterlagen komplett über den Link in der Bekanntmachung und können bis zu Teilnahme an der Ausschreibung anonym bleiben. Eine freiwillige Registrierung bietet sich jedoch an, um vor der Angebotsabgabe Bieterfragen und Antworten einsehen und stellen zu können.
Vollständigkeit der Unterlagen wird automatisch geprüft
Die meisten Plattformen stellen sicher, dass ein Angebot erst dann hochgeladen werden kann, wenn alle geforderten Nachweise und Unterlagen eingestellt sind. Auch wenn die Unterlagen nicht auf Plausibilität geprüft werden, ist damit gewährleistet, dass beim Angebot keine Unterlagen fehlen.
Vorteil für Unternehmen mit erfahrenem Personal
Bei der Bewertung des wirtschaftlichsten Angebots muss der öffentliche Auftraggeber nun verstärkt soziale, umweltbezogene, qualitative und Innovationsaspekte berücksichtigen. Im Rahmen der Qualität kann er die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des Personals bewerten – unter der Voraussetzung, dass die Qualität des Personals die Auftragsausführung erheblich beeinflusst. Dies kann durchaus ein Vorteil für Unternehmen mit langjährigem erfahrenem Personal sein.
Einheitliche Rügefrist
Will ein Unternehmen einen Vergabeverstoß geltend machen, muss es diesen nicht mehr unverzüglich, sondern innerhalb von zehn Kalendertagen nach erkanntem Verstoß rügen.
Die Vergaberechtsexpertin Rechtsanwältin Monika Prell bei Bitkom Consult berät Unternehmen der ITK-Branche individuell zu rechtlichen Aspekten bei der Vergabe und der Bewerbung um öffentlicher Aufträge.
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