Potenziale erkennen

Beruflich und persönlich erfolgreich: So geht Selbstmanagement

Stephanie PohlmannKönigstein, November 2019 - Jeden Tag stehen wir vor Aufgaben, beruflich wie privat. Jeden Tag müssen wir Entscheidungen treffen und Prioritäten setzen. Hierfür sollten wir uns selbst gut kennen, unsere Persönlichkeit und unsere Motivation. Ein gutes Selbstmanagement ist daher entscheidend. Was dazu gehört und wie ein im Hinblick auf Selbstmanagement optimaler Tag aussieht, schildert Stephanie Pohlmann, Gesundheitsmanagement-Expertin und Dozentin beim Online-Weiterbildungsanbieter karriere tutor®, im Interview.

Was ist Selbstmanagement und was gehört dazu?

Stephanie Pohlmann: Oft wird unter Selbstmanagement der Wunsch nach einer gewissen Form der Selbstoptimierung verstanden. Ich betrachte das etwas anders, für mich geht es eher um die Fragen: Wer ist dieses Selbst? Wie manage ich mich? Wie gehe ich mit mir um? Im Selbstmanagement arbeite ich immer an meiner Ich-Kompetenz und daran, was ich für mich tun kann, um mich selbst besser zu verstehen.
Was kann ich gut? Was tut mir gut? Wo kann ich mich entwickeln? Wo habe ich Potenziale, die ich noch schlummern lassen kann? An welchen Potenzialen möchte ich früher als an anderen arbeiten? Es spielt sich beim Selbstmanagement vieles im Bereich der Selbsterkenntnis ab.

Aber auch das Thema Zielsetzung ist im Selbstmanagement wichtig, oder?

Stephanie Pohlmann: Richtig. Da geht es darum, welche Tages-, Monats- oder Lebensziele ich mir setzen möchte, welche Handlungsoptionen ich habe und wie ich ins Tun komme. Welche Tools gibt es und welche funktionieren bei mir? Manche arbeiten gern mit Checklisten, andere lieber mit Mindmaps, Vision-Boards oder anderen kreativen Techniken. Das ist das Schöne im Selbstmanagement: Wir können herausarbeiten, was das für jeden Einzelnen bedeutet, denn das Selbst ist individuell. Selbstmanagement ist wie eine kleine Reise.

Und wo beginnt diese Reise? 

Stephanie Pohlmann: Sie beginnt in dem Moment, in dem wir uns bewusst werden, dass wir sie antreten wollen. Wenn wir anfangen, uns Gedanken darüber zu machen, wie unser Leben sein soll, wer wir in unserem Leben sein wollen, welche Fehler wir vielleicht bisher gemacht haben und welche wir nun vermeiden möchten. Es geht auch um Glaubenssätze: Warum glaubt zum Beispiel ein Mensch, dass das Leben nur Kampf und Anstrengung ist? Woher kommt diese Überzeugung? Es gibt für uns nicht das finale Ergebnis, wie wir sein werden, wenn wir unser Selbstmanagement erledigt haben; es ist ein Prozess.
Wir verändern uns immer wieder, stehen immer wieder vor sich verändernden Lebenssituationen, auf die wir uns einstellen. Daher kann ich nicht sagen: "So, ich bin dann mal am Ziel."

Braucht man Unterstützung, um zum Beispiel seine Glaubenssätze aufzudecken, oder kann das jeder allein?

Stephanie Pohlmann: Wer gute Freunde hat, braucht nicht unbedingt Hilfe von außen. Das sind dann die Freunde, die einem auch einmal die unangenehmen Dinge offen und ehrlich mitteilen. Manchmal ist es aber auch gut, wenn jemand von außen auf unsere Probleme schaut, ein Coach oder Therapeut, ein Mentor oder eine gute Führungskraft. Bei manchen Sachen braucht es jemanden, der dann – um beim vorherigen Beispiel zu bleiben – sagt: "Hast du dir angehört, was du da sagst? Wieso ist das Leben für dich ein Kampf? Wann findet Freude statt?"
Oft wissen wir auch nicht um unsere Antreiber und dass man diese im Selbstmanagement positiv nutzen kann. Wenn ich weiß, dass es mein Antreiber ist, perfekt zu sein, kann ich gute Arbeit leisten. Wenn aber beispielsweise ein Vorgesetzter den Druck erhöht, werde ich nie fertig, weil ich ein perfektes Ergebnis abliefern will. Eine gute Führungskraft würde das verstehen und sagen: "Gib mir 80 Prozent, das reicht mir." Ein anderer Antreiber ist der, es allen recht machen zu wollen. Viele Menschen können es nicht ertragen, wenn ihr Gegenüber sie nicht leiden kann.
Im Selbstmanagement kommen wir unserem Selbst – mit unseren Wünschen, Zielen und Antreibern – immer näher und lernen, freundlicher und respektvoller mit uns umzugehen. Wir lernen dann zum Beispiel, dass es okay ist, dass uns nicht jeder mag, weil wir auch nicht alle mögen. Ein Coach kann viele Sachen, die wir selbst nicht sehen, von außen erkennen und uns Hinweise und Handlungsanweisungen geben, wie wir etwas verändern können.

Welche Veränderungen sind nach einem Selbstmanagement-Coaching oder nach der Teilnahme an einem Selbstmanagement-Kurs möglich?

Stephanie Pohlmann: Viele implementieren für sich eine bessere Organisation ihrer Tagesstruktur. Dabei hilft ihnen zum Beispiel das Erkennen, wann sie besonders produktiv sind und wie sie in eine gute Produktivität hineinkommen. Viele lernen, freundlicher mit sich umzugehen, und verstehen, dass sie nicht schlecht sind, nur weil sie einen Fehler gemacht haben. Sie lernen, ihre Kräfte gut zu bündeln.
Meine Kursteilnehmer berichten auch, dass sie effektiver sind, weil sie mit neuen Methoden und Techniken arbeiten und in kurzer Zeit viel Output generieren können. Auch das Erkennen der Glaubenssätze und die Auseinandersetzung mit unseren Antreibern ist immer wieder ein ganz elementarer Bereich für meine Kursteilnehmer oder meine Coachees.

Sie sprechen von viel Output in weniger Zeit. Also geht es auch um Zeitmanagement?

Stephanie Pohlmann: Ich finde den Begriff "Zeitsouveränität" passender. Wenn ich weiß, welche Techniken bei mir funktionieren, wie ich mich wieder fange, wenn ich lustlos, unmotiviert und unkonzentriert bin, wie ich zurückrudern kann, habe ich Zeitsouveränität. Es ist viel proaktiver, wenn ich souverän bin, dann habe ich selbst wieder die Fäden in der Hand und laufe nicht der Zeit hinterher – was ja auch nicht funktioniert.

In welche Richtung wird sich Selbstmanagement künftig entwickeln?

Stephanie Pohlmann: Ich fürchte, es geht in Zukunft noch stärker in Richtung Selbstoptimierung. Das ist etwas, das wir in der Gesundheitsförderung anders betrachten. Wir bringen Menschen bei, sich Auszeiten zu nehmen. Ein Mensch kann nicht den ganzen Tag zu 100 Prozent produktiv sein. Im Bereich Selbstmanagement wird es auch darum gehen, wie wir es schaffen, dass Menschen wieder Kraft schöpfen, weil sie sehr viel leisten. Wir leben in einer Zeit der Arbeitsverdichtung, viele Menschen sind überfordert und müde. Deshalb ist es wichtig, Selbstmanagement nicht als Selbstoptimierung zu verstehen.
Wir alle brauchen Pausen, in denen wir sämtliche Geräte abschalten und rausgehen, in die Natur oder zum Sport. Und dann am besten nicht ins Fitnessstudio, um einem Körperideal hinterherzurennen und uns selbst zu bekämpfen, um wieder noch besser und schlanker zu werden, sondern aus Respekt sich selbst gegenüber und weil wir es genießen, in der Bewegung den Geist zur Ruhe kommen zu lassen.

Wie sieht ein im Hinblick auf Selbstmanagement optimaler Tag aus?

Stephanie Pohlmann: Ein Tag, der optimal läuft, ist einer, an dem ich verstanden habe, wie ich an diesem Tag sein möchte und auch werde. An dem ich mit mir zurechtkomme und vielleicht auch Aufgaben erledige, auf die ich keine Lust habe. Ich erkenne, wie es mir geht und was getan werden muss, ich akzeptiere, wenn Dinge auch mal schwieriger sind, und ich finde für mich Zeiten der Ruhe und Klarheit. Ein guter Tag ist einer, an dem ich nicht nur für andere da bin, sondern auch für mich, an dem ich im Flow bin, in einer kraftvollen Ruhe. Gutes Selbstmanagement ist aber auch, dass man abwägt, was man bis morgen ruhen lassen kann.

Und wenn man einen Tag hat, an dem man überhaupt nicht produktiv ist – was dann?

Stephanie Pohlmann: Akzeptieren! Annehmen, was ist. Sich bewusst machen, dass heute so ein Tag ist, an dem einem zum Beispiel die Arbeit nicht leichtfällt. Akzeptieren, dass man an einem solchen Tag nicht so gut ist wie an einem produktiven. Es wird ja nicht besser, wenn man sich selbst einredet, wie schlecht oder unfähig man ist. Manchmal läuft es eben nicht, und dann kann man vielleicht ein Lächeln aufsetzen, auch wenn einem nicht danach zumute ist, und tun, was getan werden muss. Vielleicht kann ich mich ja im Laufe des Tages umentscheiden und den Tag zu meinem machen. Oft passiert das genau dann, wenn wir akzeptieren, was ist.

Wie tankt man nach Feierabend Kraft, wie machen Sie das?

Stephanie Pohlmann: Kraftquellen können ganz unterschiedlich sein, jeder hat seine eigenen Strategien. Meine wechsle ich immer wieder mal. Ich mache Ausdauersport, gehe gerne schwimmen, ich bewege mich gerne in der Natur und betätige mich kreativ im Garten. Ich schaue dem Gras beim Wachsen zu und meditiere. Ich mache Dinge nur für mich, bin mit mir allein und mit den Menschen, die mir die Welt bedeuten. Ich mache das, was ich kann, mit dem, was ich hab, da, wo ich bin.