Beziehungsbildung

Lernen durch die Reflexion der Erfahrung

Torsten HardießKönigswinter, Dezember 2018 - "Wie Alexa, Chat-Bots & Co. das Lernen individualisieren und den Transfer verbessern", dieser Frage ist Torsten Hardieß nachgegangen. Gemeinsam mit seinem Team forscht der Psychologe zur Frage wie Mensch-Maschine-Interaktionen in der Personal- und Persönlichkeitsentwicklung erfolgreich genutzt werden können. Im LEARNTEC-Kongress spricht er am 31. Januar 2019 um 10.45 Uhr.

Kann man sich heute mit Alexa auf einen komplexen Lernplan verständigen oder reicht eine Alexa-Anleitung bisher kaum über z.B. ein Kochrezept hinaus?

Torsten Hardieß: Ich glaube, wir müssen diese Frage differenziert betrachten.

In Zeiten von Big Data, Künstlicher Intelligenz, immer schneller werdenden Rechnern – und Berechnungen in der Cloud -, Machine to Machine-Kommunikation oder Information-Retrieval-Systemen,  ist es nicht sonderlich zukunftsorientiert, Menschen zu Experten mit Faktenwissen auszubilden wie etwa Anwälte oder Bankberater.

Unser Ziel ist es vielmehr Menschen zu unterstützen Kompetenzen zu entwickeln, die im menschlichen Miteinander entscheidend sind. Also Schlüsselkompetenzen wie Konfliktkompetenz, Empathiefähigkeit oder Führungsverhalten. Aus unserer Sicht sind diese sozialen Fähigkeiten der Schlüssel zu einem erfolgreichen Berufsleben und florierenden Unternehmen. Wir stellen uns also die Frage was digitale Systeme dazu beitragen können.

 

Für welche Lernbedarfe eignen sich Alexa, Chat-Bots und Co. aus Ihrer Sicht?

Torsten Hardieß: Faktenwissen und Prozeduren lassen sich gut linear, aufeinander aufbauend über Videos vermitteln und über Quizzes im Lernerfolg messen. Wenn es aber um soziale Kompetenzen geht, hilft mir Wissen oft wenig. Wer im Quizz richtig ankreuzt, wie viel Prozent der Kommunikation unbewusst abläuft, nachdem er das Modul "Eisbergmodell" angeschaut hat, verhält sich deswegen selten weniger aggressiv, wenn ihm fünf Minuten später auf dem Gang der Kollege begegnet, der ihm seit Wochen auf die Nerven geht.

Im Gegensatz dazu nutzen wir "conversational interfaces" um die NutzerInnen zum Reflektieren anzuregen, Gesprächssituationen zu simulieren oder durch Erinnerungen und Challenges im Alltag dazu anzuregen, ein Verhalten zu hinterfragen und zu ändern. Das Interface, egal ob text- oder sprachbasiert, übernimmt dabei eine coachende Rolle.

 

Wie bzw. durch welche Funktionen kommt der verbesserte Transfer zustande?

Torsten Hardieß: Im Bereich der virtuellen Assistenten kommt eine neue Messgröße ins Spiel. Es geht dabei zentral nicht mehr um die Nutzererfahrung bei der die IT auf Schnelligkeit, Genauigkeit oder Fehleranzahl untersucht wird, sondern darum wie eine Beziehung zwischen dem virtuellen Assistent und dem Mensch aufgebaut werden kann. Es wird also viel Wert auf Verbindung oder Vertrauen zwischen Mensch und Maschine gelegt.

Zahlreiche Studien weisen darauf hin wie sehr Menschen Objekte und Maschinen "vermenschlichen" und eine Beziehung zu ihnen aufbauen. Für uns ist es wichtig diese Erfahrung für die Nutzenden zu optimieren.

Die Interaktion über Text und Sprache spielt dabei eine zentrale Rolle. So sind wir Menschen schließlich gewohnt zu kommunizieren. Wenn die Assistenzsysteme dann noch eine Persönlichkeit haben – gerne mit Ecken und Kanten, so wie wir Menschen auch – ergeben sich daraus spannende Interaktionsmöglichkeiten.

Aufgaben, die von dieser "Persönlichkeit" gestellt werden, werden wahrscheinlicher bearbeitet als eine eMailEmail von einem anonymen System. Beziehung wird zudem gebildet, indem der Bot regelmäßig mit mir eincheckt, um zu fragen was ich gelernt habe bzw. wie ein echter Coach herausfindet, was mich davon abgehalten hat, die Aufgabe durchzuführen. Wenn dann noch Metaphern, Challenges und Inhalte zu einer spannenden Geschichte verbunden werden, eventuell unterstützt durch Gamification-Elemente, entstehen interaktive, freudvolle Lernerlebnisse.

 

Werden "Alexa-Verweigerer" künftig lernmäßig ins Hintertreffen geraten?

Torsten Hardieß: Natürlich gibt es auch heute noch Menschen, die lieber Kerzen als Strom benutzen. Gleichzeitig begleiten uns unsere Assistenten ja bereits im Auto, in jedem mobilen Gerät oder auch in einer modernen Küchenmaschine. Wir wissen, dass Menschen nicht aus Erfahrung sondern durch die Reflexion der Erfahrung lernen. Ich nutze daher schon heute die Zeit zwischen zwei Kundenterminen, um mit meiner virtuellen Assistentin im Auto zu reflektieren, was ich hätte besser machen können. Der Bot gibt mir dabei die Freiheit - wann ich will – mit den richtigen Fragen bei meiner Reflektion angeregt zu werden.

 

Welche technischen Weiterentwicklungen erwarten Sie in den nächsten Jahren bei Bots und virtuellen Assistenten?

Torsten Hardieß: Das Verständnis von Sprache wird sich verbessern und es gibt die ersten spannenden Ansätze, dass Sprachsysteme deutlich menschlicher klingen werden. Auch das wird zur Vertrauensbildung beitragen. Zudem werden Assistenzsysteme Sprache auch inhaltlich immer besser verstehen können. Wir selbst arbeiten in unserer Forschung beispielsweise daran, Bots die Fähigkeit beizubringen, Menschen empathisch zu verstehen.