Modellrechnungen zur Fachkräfte-Entwicklung
Bonn, Dezember 2012 - Aussagen über einen drohenden Fachkräfte- oder gar generellen Arbeitskräftemangel sind zum festen Bestandteil der politischen Diskussion über die Zukunft des deutschen Arbeitsmarktes geworden. Modellrechnungen der Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) zeigen, dass Engpässe bis zum Jahr 2030 in einigen Berufsbereichen erkennbar sind.
Die Passungsprobleme zwischen Angebot und Nachfrage werden zunehmen. Dies gelte insbesondere für die mittlere Qualifikationsebene - also für die Ebene der Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung, so ein Ergebnis der BIBB- und IAB-Projektionen "Engpässe auf dem Arbeitsmarkt: Geändertes Bildungs- und Erwerbsverhalten mildert Fachkräftemangel".
Die Modellrechnungen aus 2012 bestätigen "in den Grundtendenzen" die Ergebnisse der ersten Welle aus dem Jahr 2010. Im Hinblick auf die zeitliche Dimension sind aber Abweichungen zu konstatieren. So würde nach den neuen Berechnungen gesamtwirtschaftlich das Angebot bis zum Jahr 2030 rein quantitativ den projizierten Bedarf der Wirtschaft decken. Die erste Projektion vor zwei Jahren war noch davon ausgegangen, dass dieser "Schnittpunkt" bereits im Jahr 2025 erreicht wird.
Gründe für diese zeitliche Verschiebung lägen in einem in den letzten beiden Jahren erkennbaren, signifikant geänderten Bildungsverhalten der Jugendlichen sowie in einem veränderten Erwerbsverhalten insbesondere von Frauen und Älteren. Im neuen Projektionszeitraum bis 2030 werde der Bedarf an akademisch Ausgebildeten hinreichend gedeckt, zeitgleich müsse aber mit zunehmenden Engpässen bei Fachkräften der mittleren Qualifikationsebene gerechnet werden.
Die Projektionen wurden auf zwölf "Berufshauptfelder" konzentriert. Bei diesen handelt es sich um hochaggregierte Zusammenfassungen von Berufen. Bei Einzelberufen unterhalb dieser Ebene, aber auch bei regionalen Betrachtungen, sind abweichende Entwicklungen möglich.
In einigen Berufshauptfeldern wird der Bedarf das Angebot zum Teil bei weitem übertreffen, beispielsweise bei den
- be-, verarbeitenden und instandsetzenden Berufen
- Berufen im Warenhandel und Vertrieb
- Gastronomie- und Reinigungsberufen
- Gesundheits- und Sozialberufen, Körperpflegern
In folgenden Berufshauptfeldern wird die Arbeitsmarktsituation zwar angespannt, aber insgesamt doch ausgeglichen sein:
- Rohstoffgewinnende Berufe
- Verkehrs-, Lager-, Transport-, Sicherheits- und Wachberufe
- Technisch-naturwissenschaftliche Berufe
- Lehrberufe
In folgenden Berufshauptfeldern steht dem projizierten Bedarf auch im Jahr 2030 ein ausreichendes Arbeitskräfteangebot zur Verfügung:
- Maschinen und Anlagen steuernde und wartende Berufe
- Büroberufe und kaufmännische Dienstleistungsberufe
- Rechts-, Management- und wirtschaftswissenschaftliche Berufe
Keine guten Nachrichten liefert die Projektion für Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Ihre Beschäftigungschancen werden sich, so die Ergebnisse, durch die demografische Entwicklung nicht verbessern. Der Bedarf der Wirtschaft werde leicht sinken. Das Angebot werde aber noch langsamer zurückgehen, womit sich das bestehende Überangebot leicht vergrößert. Für Politik und Wirtschaft biete sich hier ein Ansatz, um insbesondere bei jüngeren Erwerbspersonen durch frühzeitige Nachqualifizierung Potenziale für die mittlere Fachkräfteebene zu erschließen.
Das Angebot an Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung wird demografisch bedingt deutlich sinken und gegen Ende des Projektionszeitraums den nur geringfügig zurückgehenden Bedarf insgesamt nicht mehr decken. Schon weit vor dem Jahr 2030 werde es aber regional und/oder branchenbezogen zu Engpässen kommen, vor allem weil der fachspezifische Bedarf nicht mehr durch ein entsprechendes fachspezifisches Angebot gedeckt werden kann.
Im Hochschulbereich werden sowohl Angebot als auch Bedarf weiter ansteigen. Der zu erwartende Bedarf setzt sich zu etwa gleichen Teilen aus dem Ersatzbedarf und dem durch wirtschaftlichen Strukturwandel bedingten Neubedarf zusammen. Der Ersatzbedarf werde ab 2020 aufgrund des Ausscheidens der geburtenstarken Jahrgänge ("Baby-Boomer-Generation") deutlich wachsen. Der Trend zu mehr akademischen Abschlüssen werde weiter anhalten, wohingegen der betriebliche Bedarf zwar ebenfalls steige, aber langsamer als das Angebot. Die Projektion lässt hier Anpassungs- und Ausgleichsprozesse mit dem mittleren Qualifikationsbereich erwarten.
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