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Online-Coaching 2021: neue Schale(n), gleicher Kern, breite Akzeptanz

Dr. Katja KantelbergUlm, Januar 2021 - (von Dr. Katja Kantelberg, www.kantelbergs.de) Im Prinzip hat sich Online-Coaching in letzter Zeit nicht grundsätzlich verändert, die zur Verfügung stehenden und in Breite genutzten Technologien nur wenig. Doch die Rahmenbedingungen haben sich immens verändert, vor allem pandemiebedingt im vergangenen Jahr. Und damit ergab sich plötzlich eine deutlich breitere Akzeptanz und Nutzungshäufigkeit.

Online-Coaching: die Basics

Beim Coaching über Distanz kommen viele unterschiedliche Varianten zum Einsatz: Online-Treffen im Chat oder im virtuellen Seminarraum, aber auch Offline-Arbeit über Distanz, z. B. durch Zusendung von zu bearbeitenden Aufgaben; synchron per Telefon oder Skype oder im Online-Meetingraum oder auch asynchron z. B. mit Erfolgs- oder Eigenschaftsbüchern.

Es braucht nach wie vor etwas Übung und die Sensibilisierung der eigenen Wahrnehmungsantennen, um auch über Distanz hinweg Nähe zu erzeugen. Dabei ist immer wieder zu betonen, dass der persönliche Kontakt keineswegs alleinig qualitative Bedeutung hat. Denken wir an Menschen, die tagtäglich zusammen in einem Büro sitzen (oder saßen) und die trotzdem beschreiben, dass sie keinerlei wirkliches Kennen im Sinne von professioneller Nähe zueinander verspüren. Ein Coach sollte zudem entspannt und geübt mit der Technik umgehen können – die ja auch heute noch nicht immer störungsfrei funktioniert. Soweit zum Kern des Online-Coachings.

Medienkompetenz und Akzeptanz

Die Rahmenbedingungen fürs Online-Coaching haben sich im besonderen Jahr 2020 merklich verbessert. Zum einen hat sich die Medienkompetenz der Menschen erheblich weiterentwickelt. Damit einhergehend gibt es heute eine deutlich größere Akzeptanz, dass Online-Arbeit nahezu gleichwertig zur Arbeit in Präsenz ist: Sehr viele Menschen begegneten sich gefühlt ununterbrochen in Videokonferenzen und werten das unterdessen als nahezu gleichwertigen Ersatz für Präsenztreffen.

Parallel dazu hat sich die Bereitschaft von Coaches und Coachees angepasst, sich in einem virtuellen Raum zu treffen. Lange Zeit haben Coaches (wenn sie überhaupt auf Präsenztreffen verzichten wollten) überwiegend per Skype oder Telefon gecoacht. Jetzt heißt es: Wie wollen wir uns treffen? Jitsi, Zoom, Teams, synchron, blended, 3D…?

Nun steht uns eine ganze Bandbreite an Technologien, an geschlossenen sowie offenen Systemen zur Verfügung (die auch meistens deutlich stabiler funktionieren!). Und wenn nicht, dann gibt es eine ausgeprägtere "Arschruhe" der Nutzer bei Abbrüchen und Wacklern, die das Ganze entspannter für alle machen. Und es herrscht ein neues, grundsätzliches Verständnis bzgl. der Blended-Methoden-Möglichkeiten, auch wenn es niemand so direkt benennt. Aber allen ist klar: Ich mache etwas mit einem anderen Menschen in einem virtuellen Raum, ich kann visualisieren, ich habe digitale Materialien dafür bereit, es gibt Phasen allein oder mit anderen zusammen. Blended eben. Und siehe da: Das Coaching funktioniert – trotzdem.

Hervorzuheben ist auch, dass die Dokumentation digitaler geworden ist. Es gab vorher Coaches, die nie dokumentiert haben, jetzt wird insgesamt mehr dokumentiert, und vermehrt digital. Und auch dafür gibt es mehr Akzeptanz.

Häufig unterschätzt: Online-Coaching braucht Zeit

Eine wichtige Erkenntnis aus der Erfahrungswelt des Online-Coachings im letzten Jahr: Fürs Online-Coaching muss man Zeit (und Pufferzeit) einplanen. Alles geht nicht ganz so schnell. Die Arbeit vor dem Bildschirm dauert, sie braucht ihre Zeit, braucht die Kombination von verschiedensten Tools. Und es braucht irgendwann auch Pausen und neue Abschnitte oder einen Szenenwechsel. Das Ganze ist hochanstrengend: vor dem Bildschirm "gefangen" zu sein, körperlich an einen Platz gebannt zu sein und konzentriert vor einem Gerät zu sitzen. Auch diese Erfahrung haben Coaches und Coachees im letzten Jahr gemacht.

Ein Blick nach vorn

Was meiner Meinung nach in Zukunft noch mehr in den Fokus rücken wird: weiteres Experimentieren mit der Nutzung aktiver Methoden in virtuellen Räumen. Zur Visualisierung haben wir Coaches viel ausprobiert – wie kann man Skalen aufstellen oder Zustände darstellen? Aber da ist noch Luft nach oben.

Zukünftig werden 3D-Technologien zusehends prominenter und sicher alltäglicher werden. Konzepte wie Avatare und Ansätze wie Immersive Coaching gibt es zwar schon länger, aber sie dürften noch präsenter und vor allem selbstverständlicher werden. Je jünger die Coachee-Generation, desto interessanter und selbstverständlicher in der Nutzung werden diese technischen Möglichkeiten. Diese Generationen sind ohnehin mit Online- und PC-Spielen aufgewachsen. Deren Medienkompetenz ist eingangs schon entwickelt. So sind auch wir Coaches kontinuierlich gefordert, neue Methoden und Technologien auszuprobieren. Wunderbare Aussichten!