Wenn der Tutor nicht erreichbar ist ...
Lehesten, Mai 2014 - Wo es im Handwerk um praktische Themen geht, stößt eLearning schnell an seine Grenzen. Diese Erfahrung hat zumindest Eberhard Drößler, Ausbildungsleiter der Dachdeckerschule im thüringischen Lehesten, gemacht. Die Nutzung des eLearning-Angebots seiner Schule im Bereich Kalkulation für Meister-Schüler geht schleppend, die Ergebnisse können Schulleitung und Absolventen bisher nicht überzeugen.
Wie haben Sie bisher für Ihre Schüler eLearning eingesetzt?
Eberhard Drößler: Seit etwa drei Jahren nutzen wir im Ausbildungsbereich "Kalkulation" eLearning für die Vermittlung von Wissen. Wir wollten uns dem Neuen nicht ganz verschließen und bei der Auftragsbearbeitung ist der Einsatz von Software heute Standard. Leider lief das Projekt schon stockend an, wir waren quasi das Pilotprojekt unseres Dienstleisters – was wir aber erst später realisiert haben. Die Lernvideos kamen oft zu spät und die Schüler gerieten unter Druck, weil der Zeitplan für die Qualifizierung schließlich feststand. Im zweiten Jahr wurde es besser, die Einführung in das System lief frontal, dazu gibt es ein virtuelles Klassenzimmer sowie Schulungsvideos zum Abarbeiten und Aufgaben lösen.
Welche Rückmeldungen haben Sie zu Ihrem Angebot bekommen?
Eberhard Drößler: Der angebotene Austausch war unzuverlässig, egal ob direkt oder per E-Mail, die Verzögerungszeit war einfach zu hoch. Ein wesentlicher Vorteil von eLearning ist schließlich die Möglichkeit, jederzeit zu arbeiten. Aber der Chatroom war oft leer, Antworten per Mail kamen erst nach zwei bis drei Tagen. Für einen Schüler, der eine Antwort für seine Weiterarbeit braucht, ist das zu lang und wurde entsprechend angemahnt. Durch den mangelnden Kontakt haben die Schüler ihre Aufgaben zu oft beiseite gelegt und gerieten so unter Zeitdruck. Im letzten Kurs bekamen die Schüler in ihren Präsenzzeiten Zeitfenster, um sich dann in die Sprechstunde des Tutors einzuwählen. Aber das spricht der Idee von eLearning natürlich völlig entgegen.
Wie erklären Sie sich die schlechte Akzeptanz des technologie-gestützten Lernens bei ihren Schülern?
Eberhard Drößler: Wenn Ansprechpartner wie der Tutor für einen direkten Kontakt nicht verfügbar sind, leidet die Akzeptanz. Mit eLearning sparen die Unternehmen, die Schüler zu uns schicken zwar den Weg und damit auch Reisekosten, das ging hier aber zu Lasten der Schüler. Das Problem der Erreichbarkeit hemmt die Nutzung von eLearning. Wir hatten nur wenige positive Stimmen, insgesamt überwog bei weitem die Zahl der negativen Rückmeldungen. Beim letzten Prüfungskurs haben von 17 Leuten nur zwei das Angebot genutzt. Alle anderen haben sich für eine andere Software entschieden und sich das notwendige Wissen in anderer Form angeeignet.
Inwieweit ist Online-Lernen für Ihre Zielgruppe überhaupt geeignet?
Eberhard Drößler: Ich glaube, dass Handwerk nur vor Ort vermittelbar ist. Der Name sagt es schon: Man muss bei uns Dinge in die Hand nehmen. Theoretische Themen könnte man prinzipiell via eLearning vermitteln, aber auch hier stellt sich wieder die Frage nach der Verknüpfung von Theorie und Praxis. Wir denken darüber nach, ob wir unsere eLearning-Angebote einstellen oder ob wir parallel ein Präsenzangebot machen, damit unsere Schüler eine Wahlmöglichkeit haben. Ich könnte mir vorstellen, z. B. Übungsphasen mit Hilfe von Schulungsvideos zur Wiederholung von Arbeitsschritten zu nutzen. ELearning passt beim Nachbessern, Vertiefen und Wiederholen. Zum Erlernen von neuem Stoff favorisiere ich Präsenzkurse, insbesondere zu Beginn einer Meister-Qualifizierung.
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