Digitales Lernen

"Der DigitalPakt darf keine Eintagsfliege sein"

Britta ErnstStuttgart, April 2021 - Um auch in Zukunft gut ausgestattete Schulen zu haben, muss der DigitalPakt fortgeführt werden, sagt Britta Ernst. Im Interview spricht die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Ministerin für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg auch darüber, dass ihr die Lerndefizite Sorge bereiten, die bei Schülerinnen und Schülern während der Pandemie entstandenen sind.

Frau Ernst, Sie haben als Präsidentin der Kultusministerkonferenz das Schwerpunktthema "Lehren und Lernen - guter Unterricht in Zeiten der digitalen Transformation" gewählt. Wie sieht das digitale Bildungsideal aus in das transformiert werden soll?

Britta Ernst: Der wichtigste Punkt wäre aus meiner Sicht, dass wir uns wieder stärker auf die Unterrichtsqualität konzentrieren. Dafür benötigen die Schulen eine moderne, zeitgemäße Ausstattung und alle müssen geübt und gewohnt sein, damit zu arbeiten. Die Phase des eigenverantwortlichen Lernens von Schülerinnen und Schülern sollte ausgebaut werden.

Aber wie kommt es, dass wir gut 30 Jahre nach der Entwicklung des World Wide Webs noch immer von einem digitalen Transformationsprozess sprechen?

Britta Ernst: Wir haben in den letzten Monaten bitter gelernt, dass wir früher mit der Digitalisierung der Schulen hätten beginnen und auch mehr Kraft hätten investieren müssen. Aber es lohnt nicht zurückzuschauen. Die Frage ist auch, ob und wann ein digitaler Transformationsprozess als abgeschlossen betrachtet werden kann. In fünf oder zehn Jahren wird eine andere technische Entwicklung eine Rolle spielen, die das Bildungssystem dann hoffentlich rechtzeitig und gut aufgreift.

Wenn wir von einem kontinuierlichen Innovationsprozess auch im Bildungsbereich ausgehen, wie beurteilen sie den aktuellen Status quo bei der digitalen Bildung?

Britta Ernst: Wir sind in den Ausstattungsfragen nicht so weit, wie wir uns das gewünscht hätten. Dadurch haben die Lehrkräfte auch nicht die Rahmenbedingungen vorgefunden, um die Technik zu nutzen. Wir waren auch nicht darauf eingestellt, dass alle Schülerinnen und Schüler Endgeräte brauchen. Das haben wir allerdings durch die Ergänzung des DigitalPaktes des Bundes verändert. Zugleich haben wir in den letzten Monaten einen unheimlichen Innovationsschub durch die Lehrkräfte beobachten können. Was die Qualifikation des Personals angeht, haben wir einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht.

Was müsste sich noch ändern, um Schülerinnen und Schüler besser auf die Arbeitswelt 4.0 vorzubereiten?

Britta Ernst: Schon 2016 hat die Kultusministerkonferenz mit der Strategie zum digitalen Lernen die Kompetenzen definiert, die Schülerinnen und Schüler erwerben sollen. Diese Strategie wird in den Bundesländern umgesetzt.
Im Moment überarbeiten wir unsere Bildungsstandards, die wir in den Kernfächern haben oder in den Naturwissenschaften für die Sekundarstufe I gerade schaffen. Dort integrieren wir die digitalen Kompetenzen noch einmal stärker. Dann wünsche ich mir eine gute Forschung über die Frage, was guter Unterricht unter digitalen Bedingungen bedeutet, um auch Klarheit zu haben, was wirkt und was nicht, denn im Kern geht es darum, dass Schülerinnen und Schüler gut lernen.

Welche Lehren ziehen Sie und die anderen Kultusminister und Kultusministerinnen für die Zeit nach der Pandemie?

Britta Ernst: Es soll nichts von dem verloren gehen, was wir positiv gelernt haben. Das sind zum einen die Kompetenzen der Lehrkräfte, zum anderen aber auch Methoden. Wir haben mit eigenverantwortlichem Distanzunterricht durchaus auch gute Erfahrungen gemacht - nicht wochenlang für alle Schülerinnen und Schüler, davon sind wir nicht so begeistert.
Aber dass Schülerinnen und Schüler in bestimmten Phasen noch stärker eigenverantwortlich lernen, dass auch Lerngruppen mal geteilt werden, das sind Methoden, die werden bestehen bleiben. Und wir sind in der Ausstattungsfrage vorangekommen. Das wird auch bleiben. Sorge macht uns natürlich, dass wir entstandene Lerndefizite ausgleichen müssen. Da müssen wir in den nächsten Monaten und Jahren viel Kraft und Energie investieren.

Im September steht die Bundestagswahl an. Was erwarten Sie von der kommenden Bundesregierung, wenn es um das Thema Bildung in Deutschland geht?

Britta Ernst: Ich hoffe, dass Bildung eine große Rolle im Bundestagswahlkampf spielt und die Parteien klare Aussagen zur Bildung treffen. Das berührt im Bund vor allem den Bereich der Investitionen: Der DigitalPakt darf keine Eintagsfliege sein. Wir brauchen eine Verstetigung, um dauerhaft gut ausgestattete Schulen zu haben. Auch sollte in der nächsten Wahlperiode ein Unterstützungsprogramm für die Schülerinnen und Schüler, umgesetzt werden, die vieles nicht gelernt haben.