Dag Klimas

Orientiert sich Moodle an genossenschaftlichen Prinzipien?

Klagenfurt, September 2008 - Dag Klimas, Online-Kommunikationstrainer und Keynote-Speaker auf der diesjährigen Moodle-Konferenz im österreichischen Klagenfurt stellte die Kernfrage eines Lehrenden: "Was haben meine Teilnehmer
davon, dass es mich gibt?", um anhand seiner Überlegungen dann zur Anwendung "Genossenschaftlicher Prinzipien in der vorberuflichen Bildung" zu finden. CHECK.point eLearning veröffentlicht hier einen Auszug aus seiner Keynote.




Die genossenschaftliche Organisation wurde im Wesentlichen von zwei Menschen unabhängig voneinander begründet: Hermann Schulze aus Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen aus dem Rheinischen. Raiffeisen gründete um 1850 Schulen, um den Kindern der Landbevölkerung eine Bildungsmöglichkeit im Zusammenhang mit verbesserten Möglichkeiten zu geben. Außerdem ließ er Straßen bauen, damit die Bauern ihre Waren einfacher und schneller zu ihren Märkten bringen konnten.


Das Letztgenannte erzeugte bei mir eine Verbindung zu einem Menschen, der heute eine Software kostenfrei zur Verfügung stellt, mit der Lehrende unterstützt werden, Lernende erfolgreicher zu machen. Es handelt sich dabei um Martin Dougiamas, den "Erfinder" und Chefentwickler von Moodle.

Was sind überhaupt "Genossenschaftliche Prinzipien"?

Gemäß Gesetz haben Genossenschaften die Förderung der Mitglieder als Auftrag. Dies wird mit drei genossenschaftlichen Prinzipien realisiert, die bereits um 1850
Verwendung fanden. Es handelt sich dabei um die Hilfe zur

  • Selbsthilfe,
  • Selbstverantwortung und
  • Selbstverwaltung.

In diesem Zusammenhang ist auch die Motivation der Menschen zu berücksichtigen. Dabei sind Antworten auf die an sich einfache Frage: "Warum soll ich?" zu finden.


Werner Correll unterscheidet in seinen Büchern nach:

  • sozialer Anerkennung,
  • Sicherheit und Geborgenheit,
  • Vertrauen,
  • Selbstachtung sowie
  • Unabhängigkeit und Verantwortung.

Bei jedem Menschen besteht zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine andere Reihenfolge dieser Kriterien. Bei der Entwicklung von Angeboten ist die Berücksichtigung dieser Faktoren ergebnis- und erfolgsbeeinflussend.

An erster Stelle ist die Vermittlung der Kompetenz bezüglich der Selbstverantwortung zu nennen. Kurz auf den Punkt gebracht: "Mein Ziel - meine Taten - mein Erfolg - meine Verantwortung". Dabei ist wichtig, dass andere nicht für meine Taten verantwortlich sind. Vielmehr bin ich selber für mich ab einem gewissen Alter verantwortlich.

Lehrende können bei dem Finden von persönlichen Zielen unterstützen. Ein im Berufsleben heute häufiger anzutreffender Führungsstil ist z.B. das Führen mit Zielen - kurz: Zielfindung - Zieldefinition - Messung. Dabei entsteht insbesondere im schulischen Bereich und in der Ausbildung das Problem, dass die "Führungskraft" auf der einen Seite Erzieher (= Berater, Partner) und auf der anderen Seite der Fachlehrer, Ausbilder ist, der testet und kontrolliert.


Bei der Betrachtung verschiedener Beschreibungen vom "selbstorientierten Lernen" lassen sich auch die Aspekte von Selbstverantwortung wiederfinden. Gleiches gilt aus
meiner Sicht auch für das expansive Lernen. Mit Moodle können zur Entwicklung und Anwendung der Kompetenz Materialien und Checklisten zur Verfügung gestellt werden. Der Berliner Lehrer Karsten Bergmann führte alle zwei Monate eine Befragung der Lernenden mittels Moodle durch. Dabei ging es um die Vorhaben, Ziele und die Eigeneinschätzung bezüglich der Umsetzung.

Ein Vergleich: Bei Projektberichten gibt es häufig einen umfangreichen Teil mit Details und ein Management-Summary, eine Zusammenfassung der wesentlichen Informationen für die Führungskräfte. Bei der Selbstverantwortung für die eigenen
Ziele lässt sich ergänzend beobachten, dass es Teilnehmende gibt, die zum Beispiel nach dem ökonomischen Maximalprinzip nicht ein 100%iges Ergebnis anstreben.

Auch bei der Selbstverwaltung ist eine entsprechende Kompetenz des Einzelnen zu entwickeln und anzuwenden. Beim Lern- und Anwendungsprozess kann eine Begleitung bei der Zielumsetzung durch den Lehrenden erfolgen. Auch hier lässt sich das ökonomische Verhalten anwenden. Für das angestrebte Ziel wird z.B. ein minimaler Aufwand eingesetzt.

Handeln Lernende unter der Denke von Selbstverantwortung, werden sie nicht erst auf die Klassenarbeit als externe Messung warten. Vielmehr werden sie z. B. mit Selbsttests eigene Messungen vorab vornehmen. In Moodle kann die Selbstverwaltung zum Beispiel als internes Lerntagebuch (nur Lernender und Lehrender haben Zugriff) oder als "öffentliches" Lerntagebuch in der Lerngemeinschaft realisiert werden.

Lehrende können über das Moodle-System Lernenden permanent die "Fremdeinschätzung" (die eigentlichen Noten) zum Abruf zur Verfügung stellen. Somit ist eine schnelle Ermittlung des "externen Ist-Zustands" möglich.

Da Selbstverwaltung sehr viel auch mit dem Umgang von Ressourcen - hier Zeit - zu tun hat, kann unter Einsatz des Kalenders unter Moodle über zentrale Prüfungstermine und klassenbezogene Termine (Tests, Sprechstunde) informiert werden. Die Lernenden haben außerdem die Möglichkeit, eigene Termine, zum Beispiel Zeiten für das Anwenden von Lerninhalten vor Prüfungen, zu planen. Dank einer speziellen Schnittstelle lassen sich die Termine z. B. in ein Handy, PDA o. ä. transferieren.

Hilfe zur Selbsthilfe bedeutet eine Unterstützung der besonderen Art. Der Lehrende wechselt quasi in die Rolle eines Beraters, einer Beraterin. Nachdem auch die Kompetenz der Selbsthilfe erlernt wurde, können Lehrende verschiedene Angebote unterbreiten, um Erlerntes anzuwenden und somit zu festigen.

Ergänzend können Bereiche angeboten werden, in denen sich die Lernenden bezüglich der Lerninhalte austauschen können. Wer andere durch Hilfe zur Selbsthilfe erfolgreich machen will, muss sich vor allem mit der vorhandenen Fehlerkultur auseinandersetzen.

Wichtig ist aus meiner Sicht anzuerkennen, wenn Lernende heute weniger Fehler machen, als sie vielleicht noch vor einer Woche gemacht haben. Und genau dieser Fortschritt ist ein Mosaikbaustein für folgende Erfolge.

Mit Moodle können jederzeit zur Verfügung stehende Lernunterlagen (z. B. im Unterricht verwendete Fotokopien) in einem virtuellen Klassenraum geschützt vor fremden Zugriff zur Verfügung gestellt werden. Die Lernenden können sich zu unterschiedlichen Zeiten über die Lerninhalte austauschen, ohne dabei an einem Ort sein zu müssen.

Viele nutzen bereits ähnliche Verfahren, aber häufig leider nicht mit Lernbezug. Mit der Solling-Schule betreiben wir ein sog. virtuelles Traininigslager, bei dem verschiedene Mathetests verwendet werden können. Dies kann im Rahmen der Selbstverantwortung für eine technisch unterstützte Selbsteinschätzung verwendet werden.

Die gleichen Tests können aber immer wieder durchgeführt werden und bieten somit eine alternative Trainingsmöglichkeit. Dies wird als Selbsthilfe den Lernenden angeboten. Sicherlich, nicht alle nehmen dieses Angebot an. Als wir im ersten Jahr noch die anonymen Nutzungsdaten hatten, stellten wir fest, dass eine Person noch am Morgen der Vergleichsarbeiten die Tests genutzt hatte.

Mein Motto an dieser Stelle ist: "Wenn wir auch nur einer Person helfen konnten, erfolgreich zu sein, dann hat sich der Aufwand gelohnt."