Alles wird virtuell - auch das traditionelle Klassenzimmer?
München, März 2011 - (von Ulrike Meinhardt) Wann ist eine Schule eigentlich eine Schule? Muss es immer ein Klassenzimmer mit einer Tafel und Präsenzunterricht sein? Heutzutage können Lernorte überall sein, und so entstand das "virtuelle Klassenzimmer" - Lernszenarien, in denen räumlich getrennte Lehrende und Lernende das Internet als Kommunikationsmedium nutzen. Moderne Kommunikationstechniken machen es möglich, gemeinsam in einem virtuellen Raum zu lernen.
Ein virtuelles Klassenzimmer hat im Vergleich zu den traditionellen einige Vorteile - sowohl für den Lehrer als auch für die Schüler. Der Informationsaustausch kann schneller erfolgen und die Informationen sind allen über das Internet zugänglich. Lernen wird dadurch freier gestaltbar. Und es gibt durch das Internet eine Fülle von Möglichkeiten, die das Lernen völlig verändern können und neue Perspektiven eröffnen.
So kann in synchronen Lernszenarien ein Lehrer Schüler unterrichten, die über die ganze Welt verteilt an einem Computer sitzen und sich mit ihm, aber auch untereinander, per Video- und Audiokonferenz, Newsgroups, Chat oder Email austauschen können. Ein wichtiger Vorteil besteht darin, dass beispielsweise Rückfragen keinerlei zeitlichen Beschränkungen unterliegen, weil Nachrichten jederzeit gesendet werden können. Bei asynchronen Lernszenarien können die Teilnehmer zeitlich unabhängig voneinander lernen und nutzen dazu Kommunikationsmittel wie Foren, Blogs, Newsgroups und Lernprogramme.
Jede Unterrichtseinheit kann beispielsweise als Video vorab produziert und gespeichert werden und ist somit uneingeschränkt und jederzeit abrufbar. Auch die Schüler und Studierende können ihrerseits Informationsmaterial produzieren und der Allgemeinheit auf Lernplattformen zur Verfügung stellen. Das müssen keine aufwändig gestalteten Filme sein. Mit sogenannter Screenrecording-Software lassen sich ohne großen Aufwand Lerneinheiten produzieren. Diese Software-Produkte werden in unterschiedlichen Preiskategorien angeboten. Ein nützliches und vor allem kostenloses Tool ist Jing, das von der Firma TechSmith zum Download angeboten wird.
Computernutzer können mit Jing ein Bild (Screenshot) aufnehmen oder einen Film (Screencast) von denjenigen Inhalten erstellen, die sie auf ihrem Bildschirm sehen. Alle Mausbewegungen und Tastaturklicks werden mit aufgenommen. So lassen sich bestimmte Abläufe, beispielsweise beim Erklären einer Website oder einer neuen Software, wesentlich besser erklären. Auch vorproduzierte PowerPoint-Folien werden einfach abgefilmt. Diese Bildschirmaufnahmen-und -videos können nach Fertigstellung sofort an die gewünschten Empfänger weitergeleitet werden.
Das Material wird auf den Hosting-Service Screencast.com hochgeladen, auf dem jeder Benutzer ein privates Konto haben kann. Ein entsprechender Link wird automatisch erstellt, und diesen kann man per Email an die jeweiligen Empfänger weiterleiten. Mit Mausklick auf diesen Link sieht der Empfänger sofort die hochgeladenen Materialien, egal ob Bild oder Video. Dieser Link lässt sich aber auch leicht per Instant Messaging weitergeben oder kann auf Social Networking Seiten wie beispielsweise Facebook, und auch auf Moodle oder dem eigenen FTP-Server veröffentlicht werden - überall dort, wo ein Link eingefügt werden kann.
In den USA, der Heimat von TechSmith und Jing, nutzen bereits sehr viele Schulen und Universitäten das "virtuelle Klassenzimmer". Anton Bollen, der seit Sommer 2010 in Deutschland für TechSmith tätig ist, sagt: "Der Lehrer kann die Anleitungen für aktuelle Projekte und Hausaufgaben mittels Jing-Video an die Schüler übermitteln, in dem er die Videos ins virtuelle Klassenzimmer einbettet, wo die Schüler jederzeit und von überall darauf zugreifen können. Einige Schüler werden sicherlich schneller arbeiten als andere, und der Lehrer hat nun mehr Zeit, auf diejenigen direkt einzugehen, die etwas mehr Betreuung benötigen."
Bollen, der selbst in Michigan/USA Schule und Universität besucht hat, weiß, wovon er spricht. "In einigen amerikanischen Bundesstaaten, darunter Florida, Pennsylvania und Ohio, gibt es bereits sogenannte Cyberschulen. Die Kurse sind zwar meist als Zusatzangebot für den normalen Unterricht gedacht, aber manche Schulen erlauben den Schülern sogar, ihre Ausbildung komplett ins Internet zu verlegen. Dies ist in den USA einfacher, da das Unterrichten der Kinder zuhause gestattet ist. Da in Deutschland ausdrücklich Schulpflicht besteht, sind reine Internet-Schulen noch Zukunftsmusik. Ein bisschen mehr Öffnung für neue Lehrmethoden und Technologien täte aber auch dem deutschen Bildungswesen sehr gut", resümiert Bollen.
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