Branchencheck

Fakten und Trends des Fernstudienmarktes

Berlin, Mai 2023 - Wo stehen wir? Was verändert sich? Und wo geht die Reise hin? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer Mitgliederbefragung des Bundesverbandes der Fernstudienanbieter. Die Antworten liefert der Branchencheck DistancE-Learning 2023. Er gibt Auskünfte über die wirtschaftliche Lage der Fernstudienanbieter, einen Ausblick auf neue Bildungsangebote und einen Überblick über die Methoden der digitalen Bildungsvermittlung.

Der Branchencheck DistancE-Learning 2023 zeigt, dass sich das digitale Lernen immer weiter etabliert und ein wichtiger Bestandteil der Bildungswelt geworden ist. "In einer Zeit, in der die Transformation der Gesellschaft voranschreitet und die Digitalisierung in nahezu allen Bereichen Einzug hält, stellt gute digitale Bildung aufgrund der hohen Flexibilität, die beste Möglichkeit dar, (Weiter-)Bildung zu vermitteln und sie allen zugänglich zu machen", ist sich Mirco Fretter, Präsident des Bundesverbandes der Fernstudienanbieter, sicher. "Der aktuelle Branchencheck gibt Einblicke in die neuesten Entwicklungen und Trends, die diese Form des Lernens prägen, und bietet damit eine wertvolle Orientierungshilfe für alle, die sich für die Zukunft der Bildung interessieren." Die interne Erhebung des Verbandes, der über seine Mitglieder rund 80 Prozent der Fernlernenden in Deutschland vertritt, liefert zehn praxisrelevante Einsichten und Entwicklungstendenzen der Branche. 

Stabile Teilnehmer:innen-Zahlen und positive Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage

Mit Beginn der Pandemie sind die Teilnehmer:innen-Zahlen in Fernunterricht und Fernstudium stark gestiegen und bewegen sich seither auf einem hohen Niveau. In Zeiten von Homeoffice und Kontaktbeschränkungen haben zahlreiche Bürger:innen entdeckt, dass sich nicht nur der Job von zu Hause aus bewältigen lässt, sondern sie haben sich diese neuen positiven und digitalen Erfahrungen auch für die berufliche Weiterbildung zu eigen gemacht und ein Fernstudium begonnen. Anders als im Homeschooling, das viele Eltern und Schüler:innen vor große Herausforderungen stellte, lernten sie im Fernstudium, das häufig einer beruflichen Qualifizierung dient, qualitätsgesicherte, didaktisch und pädagogisch ausgereifte Bildungskonzepte kennen.

Jeder zweite Fernstudienanbieter vermeldete im Jahr 2020 gestiegene Teilnehmer:innen-Zahlen in Fernunterricht und Fernstudium, weitere 19 Prozent sogar stark gestiegene Quoten. Und auch im Folgejahr, während des zweiten Lockdowns in Deutschland, stieg die Nachfrage nach digitalen Weiterbildungsangeboten weiter. 50 Prozent der Befragten freuten sich 2021 nochmals über wachsende Zahlen (davon 15 % stark gestiegen, 35 % gestiegen), die das Erfolgsjahr 2020 in den Schatten stellten.

Trotz angespannter geopolitischer Lage, der Wirtschaftskrise und einem allgemein eingeschränkten Investitionsverhalten verzeichnen auch 2022 insgesamt 50 Prozent der befragten Weiterbildungsanbieter eine positive (39 %) oder stabile (12 %) Entwicklung der Teilnehmer:innen-Zahlen. "Eine Investition in die eigene Weiterbildung ist für viele der beste Schritt der Krise zu begegnen und gestärkt aus ihr hervorzugehen", ist sich Mirco Fretter sicher.

Nach der Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage (bezogen auf das abgelaufene Geschäftsjahr 2022) befragt, ergibt sich somit ein erfreuliches Stimmungsbild der Branche: 73 Prozent der Fernstudienanbieter beurteilen die eigene wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut.

Hohe Innovationsquote schafft zahlreiche neue Bildungsangebote

Um ihre wirtschaftliche Lage halten oder weiter verbessern zu können, entwickeln Fernstudienanbieter Jahr für Jahr neue (Weiter-)Bildungsangebote, die den aktuellen Entwicklungen des Arbeitsmarktes gerecht werden und u. a. auch dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Auch wenn die Entwicklung dieser Angebote und die Aktualisierung bestehender Angebote für die befragten Unternehmen mit jeweils 50 Prozent die größte Herausforderung darstellt, planen 62 Prozent in 2023 neue staatlich zugelassene Fernlehrgänge oder akkreditierte Fernstudiengänge anzubieten.
Weitere 42 Prozent geben an, weitere Bildungsangebote auf den Markt bringen zu wollen, die keiner staatlichen Zulassung unterliegen (z.B. eLearnings oder reine Online-Angebote ohne tutorielle Betreuung). Ganz vorn in einem Ranking der beliebtesten Themenbereiche sind dabei Bildungsangebote aus dem Bereich „Gesundheit/ Medizin/ Pflege/ Ernährung“ gefolgt von den Themenfeldern "Wirtschaft/ BWL/ kaufmännische Praxis" und "Psychologie/ Verhaltenstraining". "Wir beobachten hier einen klaren Trend! Denn im Laufe der vergangenen Jahre rückt zunehmend der Mensch in den Mittelpunkt der Angebote und es kommt nicht mehr allein auf die fachliche Qualifikation an. Das Interessante daran ist, dass Weiterbildungen in diesen Themenbereichen zuvor nur den Präsenzanbietern zugeschrieben wurden", so Katja Borns-Löhn.

Wie gestaltet sich gute digitale Bildung?

Mit dem Branchencheck DistancE-Learning werden jedoch nicht nur die wirtschaftlichen Einschätzungen der Fernstudienanbieter und ihre Pläne bzgl. der Schaffung neuer Bildungsangebote beleuchtet, sondern er gibt auch einen Einblick, wie sich gute digitale Bildung aktuell gestaltet. So geben bspw. knapp 30 Prozent der Befragten an, dass sie schon heute komplett auf gedruckte Studienmaterialien verzichten. Weitere 36 Prozent überlassen den Studierenden die Wahl und bieten neben den digitalisierten Materialien auch weiterhin gedruckte Unterrichtseinheiten an.

Da staatlich zugelassener Fernunterricht laut Definition aus Selbstlernphasen besteht, die mehr als 50 Prozent des Bildungsangebotes ausmachen, wurden die Bildungsanbieter befragt, welche Vermittlungsformen über das gedruckte oder digitale Studienmaterial hinaus eingesetzt werden, um Lernen für Fernstudierende zum Erlebnis zu machen. Das Ergebnis: Vier von fünf Bildungsanbietern komplettieren ihre Fernstudienangebote durch Präsenzphasen.
"Denn eine häufig fakultative Teilnahme an Lehrveranstaltungen und/oder Seminaren ist für Studierende oft hilfreich, weil sie eine wirkungsvolle (Selbst-)Überprüfung des individuellen Kenntnis- und Leistungsstandes ermöglicht", erklärt Verbandspräsident Mirco Fretter. Die TOP 10 der digitalen Bildungsvermittlung führen synchrone Online-Veranstaltungen an, bei denen Lernende und Lehrende zeitgleich online sind. Aber auch Podcasts, Tutorials, Web-based-Trainings, Simulationen und asynchrone Veranstaltungsformate wie Webinare oder Online-Vorlesungen werden häufig, ins Fernstudium integriert, angeboten.

Digitale Prüfungsangebote werden immer beliebter

Immer beliebter werden zudem digitale Prüfungsformate. Eine Erhebung des Vergleichs- und Bewertungsportals FernstudiumCheck.de, für die knapp 6.000 Fernstudierende befragt wurden, zeigt, dass 74 Prozent der Fernstudierenden digitale Prüfungsformate (wie z.B. Online-Klausuren) nutzen würden. Weitere 17 Prozent gaben sogar an, die Formate bereits genutzt zu haben. Und auch Fernstudienanbieter reagieren auf diesen Trend. Bei rund drei von zehn befragten Unternehmen, erfolgen Wissens- und Transferabfragen schon heute digital. Dies geschieht über: Online-Tests (46 %), Proctoring (digital überwachte Prüfungen – 46 %) und schriftliche oder mündliche Online-Prüfungen (8 %). Stellten rechtliche Rahmenbedingungen keine Hürden dar, würden sogar 55 Prozent ALLER Befragten vermehrt auf digitale Prüfungstools zurückgreifen!

Trends 2023: Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz, Bildungsangebote gegen den Fachkräftemangel und flexible Service-Leistungen

Zum Abschluss der Erhebung wurden die Mitglieder des Verbandes nach den Trends der digitalen Weiterbildung im Jahr 2023 befragt. Einig sind sich die Befragten darin, dass das Thema Nachhaltigkeit weiterhin eine große Rolle spielen wird – und das nicht nur als Themenfeld für neue Bildungsangebote, sondern ebenfalls für Prozesse und Abläufe im eigenen Unternehmen. Auch Künstliche Intelligenz (KI) – seit Jahren branchenübergreifend ein Trendthema – wird 2023 ein Kernthema für den Bildungs- und Weiterbildungsmarkt sein. KI-Modelle wie ChatGPT und deren möglicher Einsatz auf Seiten der Bildungsanbietenden als auch auf Seiten der Lernenden werden fortlaufend und mit jedem neuen Entwicklungsschritt für Diskussionen sorgen.

Auch auf den Fachkräftemangel reagiert die Fernstudienbranche, denn auch sie ist selbst betroffen. Schon heute geben 73 Prozent der Befragten an, dass sich der Fachkräftemangel auch in ihren Unternehmen/ihrer Hochschule bemerkbar macht. Weitere 8 Prozent melden sogar, dass aktuell ausgeschriebene Stellen nicht besetzt werden können. "Wir sind uns sicher, gute digitale Bildung ist eine effiziente Lösung gegen den Fachkräftemangel", sagt Katja Borns-Löhn, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Fernstudienanbieter. Denn Arbeitnehmer:innen (kein Verdienstausfall) und Unternehmen (so gut wie keine Ausfallzeiten während der Weiterbildung) profitieren gleichermaßen von den flexiblen Studienkonzepten.
"Durch die Vermittlung über digitale Formate kann zudem über die gute Skalierbarkeit der Angebote ein größerer Lerner:innenkreis erreicht werden. So könnte problemlos eine flächendeckende Fachkräftesicherung erfolgen." Um auch Geflüchtete oder Fachkräfte aus dem Ausland für den deutschen Arbeitsmarkt gewinnen zu können, haben viele Fernstudienanbieter fremdsprachige Weiterbildungsangebote in ihr Portfolio mit aufgenommen oder bieten Fachdeutsch für spezielle Branchen an.

Neben den gesamtgesellschaftlichen Trends zeichnen sich laut Rückmeldungen der Befragten auch klare branchenspezifische Trends ab, die vor allem Serviceleistungen der Bildungsanbieter und die Lehrmaterialien betreffen. Fernstudierende schätzen nicht nur die zeitliche Flexibilität und Ortsunabhängigkeit, die ihnen ein Fernstudium bietet, sondern erwarten zudem flexible Serviceleistungen vom Bildungsanbieter. So möchten sie beispielsweise nicht nur wählen, ob sie die Studienmaterialien digital oder in gedruckter Form zur Verfügung gestellt bekommen, sondern auch, ob sie studienbegleitende Seminare in Präsenz oder doch lieber digital wahrnehmen, um sich Zeiten und Kosten für eine Anfahrt zum Studienstandort zu ersparen. Das führt zu einer zunehmenden Verschmelzung von Digital- und Präsenzangeboten. Denn auch Sprechstunden oder Beratungen werden zunehmend via Videocalls angeboten und eingefordert.

Gleiches gilt für Prüfungen: "Wer es gewohnt ist, sich seine Studienzeiten flexibel einzuteilen und zu lernen, wann und wo er bzw. sie will, möchte für das Ablegen einer Prüfung weder an einen Ort noch an eine Zeit gebunden sein", so Katja Borns-Löhn. Bereits vor der Pandemie haben zahlreiche Fernstudienanbieter Online-Klausur-Konzepte entwickelt, um diesen Wünschen gerecht zu werden. Empirische Auswertungen zeigen, dass Fernstudierende dieses Format flexibel und insbesondere zu Uhrzeiten nutzen, an denen herkömmliche Präsenzangebote nicht durchgeführt werden. 
Durch die föderale Organisation von Bildung in Deutschland gibt es jedoch unterschiedliche Bildungs- und Hochschulgesetze, die Online-Prüfungen nicht regeln oder sehr explizit regeln. "Wir nehmen die Ergebnisse des Branchenchecks einmal mehr zum Anlass, auf politischer Ebene einheitliche und rechtssichere Rahmenbedingungen für digitale Lehre zu fordern, die auch die Möglichkeiten von Online-Prüfungen umfassen", resümiert Katja Borns-Löhn.