TÜV Weiterbildungsstudie zeigt Defizite beim Thema KI
Berlin, April 2024 – Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) spielt in der beruflichen Weiterbildung bislang eine untergeordnete Rolle: Erst in jedem achten Unternehmen haben Mitarbeitende an KI-Fortbildungen teilgenommen (12 Prozent). In weiteren 6 Prozent ist das konkret geplant und 10 Prozent ermitteln gerade den Bedarf. Dagegen geben 71 Prozent an, derzeit keine KI-Schulungen durchzuführen. Das ist ein Ergebnis der repräsentativen "TÜV-Weiterbildungsstudie 2024", für die Forsa im Auftrag des TÜV-Verbands 500 Unternehmen ab 20 Mitarbeitenden befragt hat.
"Künstliche Intelligenz wird für die Wirtschaft zu einem wichtigen Erfolgsfaktor. Unternehmen sollten frühzeitig in die KI-Kompetenzen ihrer Beschäftigten investieren und sie damit fit für die digitale Zukunft machen", sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, bei Vorstellung der Studienergebnisse.
Neben spezifischen KI-Qualifikationen für IT-Expert:innen müssten den Beschäftigten auch Anwenderkenntnisse für KI-Tools wie ChatGPT, Gemini, Midjourney oder DeepL vermittelt werden. Immerhin erwarten 39 Prozent der befragten Personalverantwortlichen einen stark steigenden Weiterbildungsbedarf für Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren. Gut jeder vierte sieht vielfältige Einsatzmöglichkeiten für KI im eigenen Unternehmen (27 Prozent). Und 13 Prozent gehen davon aus, dass KI-Anwendungen viele Tätigkeiten der Mitarbeitenden ersetzen werden. Bühler: "Die Unternehmen sollten jetzt damit beginnen, die Chancen von KI zu ergreifen und ihre Beschäftigten auf die Veränderungen der Arbeitswelt vorzubereiten."
Laut den Ergebnissen der Studie bieten mit 95 Prozent fast alle befragten Unternehmen ihren Beschäftigten die Möglichkeit, an Weiterbildungen teilzunehmen: 75 Prozent ermöglichen Fortbildungen für alle Mitarbeitenden und 20 Prozent nur für bestimmte Personen oder Abteilungen. Mit einem Anteil von 38 Prozent wenden die meisten Unternehmen im Durchschnitt zwischen 500 und 1.000 Euro pro Mitarbeiter:in und Jahr für Weiterbildungen auf. Bei 13 Prozent liegt das Weiterbildungsbudget pro Mitarbeiter:in bei 1.000 bis 2.000 Euro und bei 11 Prozent zwischen 2.000 und 5.000 Euro. Fast jedes vierte Unternehmen stellt weniger als 500 Euro zur Verfügung.
Ähnlich groß ist die Spannbreite beim Zeitbudget. 16 Prozent stellen ihre Mitarbeitenden im Schnitt nur 1 bis 2 Tage pro Jahr für Fortbildungen frei. Fast die Hälfte (48 Prozent) ermöglichen 3 bis 5 Tage, 13 Prozent 6 bis 9 Tage und 16 Prozent sogar mehr als 9 Tage. "Die Spannbreite bei den Investitionen in Weiterbildung ist enorm und hängt weniger von der Größe als von der Branche der Unternehmen ab", sagt Bühler. Während der Dienstleistungssektor eher großzügig ist, ist der Handel tendenziell zurückhaltender.
Hoher Bedarf an Schulungen zu Führung und Soft Skills
Fast zwei von drei Unternehmen haben einen großen Weiterbildungsbedarf an branchen- oder berufsspezifische Kompetenzen (63 Prozent). 62 Prozent wollen die Führungskompetenzen ihrer Mitarbeitenden verbessern und 56 Prozent haben großen Bedarf an Schulungen zu Soft Skills und persönlicher Entwicklung. "In einer digitalisierten, von Automatisierung geprägten 24/7-Arbeitswelt werden soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikation, Konfliktlösung und Resilienz immer wichtiger", sagt Bühler. 58 Prozent der Unternehmen haben einen hohen Weiterbildungsbedarf an Digitalkompetenzen und 57 Prozent an der Förderung branchenspezifischer Technik-Kompetenzen.
Gut jedes zweite Unternehmen will die Kenntnisse der betrieblichen Beauftragten und befähigten Personen verbessern, zum Beispiel zu Themen wie Datenschutz, Arbeitssicherheit oder Gesundheitsförderung (55 Prozent). "Komplexe gesetzliche Vorgaben wie die Datenschutzverordnung oder das Lieferkettengesetz erhöhen den Schulungsbedarf", sagt Bühler. Zudem habe die Pandemie dazu geführt, dass Unternehmen einen stärkeren Fokus auf die Themen Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit legen. Einen hohen Schulungsbedarf für typische business-relevante Kompetenzen wie Finanzen, Marketing oder Personalwesen haben 40 Prozent der Unternehmen.
Ein weiterer Schwerpunkt sind Fortbildungen zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Für zwei von drei Unternehmen sind Weiterbildungen zu Nachhaltigkeitsthemen wichtig oder sehr wichtig (67 Prozent). 51 Prozent bieten Fortbildungen zu Energiemanagement an oder haben hier einen hohen Bedarf, ebenfalls 51 Prozent zu Umweltmanagement und 49 Prozent zu nachhaltiger Unternehmensführung. 46 Prozent bilden zu Abfallmanagement und Recycling weiter und 43 Prozent zum Risikomanagement.
Für 41 Prozent stehen auch die Themen Menschrechte und Compliance im Fokus und für immerhin 37 Prozent das Management ihrer Lieferketten. "Unternehmen können mit einem effektiven Energie- und Abfallmanagement die Kosten senken und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten", sagt Bühler. Darüber hinaus stellen sich die Unternehmen darauf ein, dass viele bisher freiwillige Maßnahmen zu ökologischen oder sozialen Standards gesetzlich festgeschrieben werden.
Trotz des hohen Fortbildungsbedarfs haben gut zwei von drei Unternehmen keine schriftlich fixierte Weiterbildungsstrategie (68 Prozent). "Unternehmen sollten den Bedarf für Weiterbildungen in ihren Geschäftsbereichen kennen und die Wünsche ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen", sagt Bühler. "Gleichzeitig sollten sie aktiv strategisch wichtige Themen besetzen und entsprechende Fortbildungsangebote machen."
Professionelle Bildungspartner wie die TÜV Akademien könnten dabei unterstützen, geeignete Inhalte und Bildungsformate auszuwählen. Nach Ansicht von 56 Prozent der befragten Personalverantwortlichen bringt eine Kombination aus Präsenz- und Online-Lernformaten (Blended Learning) den größten Lernerfolg. Für 42 Prozent sind reine Präsenzveranstaltungen am effektivsten. Und für nur 1 Prozent bringen reine Online-Formate den größten Lernerfolg. "Im beruflichen Umfeld sind Online-Schulungen allgegenwertig, aber der persönliche Kontakt zu Lehrenden und Teilnehmenden bleibt für den individuellen Lernerfolg essenziell", betont Bühler.
Nationale Weiterbildungsstrategie umsetzen und neue Impulse setzen
Obwohl fast alle Unternehmen ihre Verantwortung für die berufliche Weiterbildung anerkennen, wünschen sie sich mehr Unterstützung von der Politik. Fast zwei von drei Unternehmen sind mit der finanziellen Förderung durch Bund und Länder unzufrieden (65 Prozent). Dazu trägt bei, dass sich drei von vier über die Möglichkeiten einer Förderung schlecht informiert fühlen (75 Prozent). 94 Prozent fordern, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Weiterbildung stärker unterstützt werden.
"Die Bundesregierung hat mit der Nationalen Weiterbildungsstrategie einen Schritt in die richtige Richtung gemacht", sagt Bühler. "Jetzt kommt es darauf an, die Strategie zügig umzusetzen und neue Impulse zu setzen." Derzeit nehmen laut Statistischem Bundesamt in Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten nur etwa die Hälfte der Mitarbeitenden an einer Weiterbildung teil. Diese Quote will die Bundesregierung bis 2030 auf 65 Prozent steigern.
"Dafür brauchen wir ein neues Mindset: Berufliche Weiterbildung muss stärker aktiv gefördert werden", sagt Bühler. Neben einer breiten finanziellen Förderung vor allem für KMU müsse die angekündigte Bildungsteilzeit kommen. "Eine Bildungsteilzeit verschafft Arbeitnehmer:innen mehr Zeit und finanzielle Sicherheit für berufliche Fortbildungen", sagt Bühler. Nur mit entsprechenden Anreizen könne berufsbegleitendes Lernen wie die schulische oder berufliche Erstausbildung eine Selbstverständlichkeit werden.
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