"Wir wollen ein Zeichen setzen"
Bonn, November 2005 - Nicht jammern, sondern aktiv mitmachen, um dem Bildungsdefizit in Deutschland zu Leibe zu rücken - das ist die Motivation der privatwirtschaftlichen Unternehmen, die sich zur "Bildungsoffensive 2006" zusammengeschlossen haben. Ihre erste Aktion ist die Entwicklung der mobilen Lernstation "EduBook" für Schüler und Studenten. Uwe Schöpe, Initiator des Projektes und Geschäftsführer der Bonner Akademie, hat sich intensiv mit dem Thema "Bildung in Deutschland" auseinandergesetzt.
Welchen Stellenwert messen Sie der Bildung bei?
Uwe Schöpe: Deutschland entwickelt sich immer mehr zu einer Wissensgesellschaft. Mangels anderer Rohstoffe ist das Wissen in den Köpfen der Menschen eine der wichtigsten Ressourcen unseres Landes. Viele Branchen, wie zum Beispiel die Automobil- oder Chemieindustrie haben sich einen Namen gemacht, weil von deutschen Entwicklern wichtige Impulse ausgingen. Namen wie Mercedes, Zeitz oder Liebig dokumentieren, dass Wissensdurst, Forschergeist und wirtschaftliche Entwicklung eng miteinander verzahnt sind. Hier den Anschluss zu verlieren, wäre verheerend. Wie andere Länder vom Öl oder von anderen Bodenschätzen leben, leben wir vom Wissen. In Bildung zu investieren, bedeutet deshalb, in die Zukunft des Landes und in seine Wettbewerbsfähigkeit zu investieren.
Schulische Bildung, Berufsausbildung und Studium müssen folglich so ausgerichtet sein, dass sie unserer Nachfolgegeneration die besten Chancen bieten. Im Grunde hängt das zukünftige wirtschaftliche Wohlergehen der ganzen Gesellschaft davon ab, ob uns dies gelingt. Der gleiche Stellenwert kommt aber auch der Bildung außerhalb der Schulen zu. Nur mit einem ausreichenden Maß an Fort- und Weiterbildung lässt sich das Know-how der Arbeitnehmer/-innen und Selbstständigen und damit unsere Leistungsfähigkeit im internationalen Wettbewerb sichern.
Wo sehen Sie derzeit die brisantesten Defizite im Bildungsbereich?
Uwe Schöpe: Den Schritt in eine Informationsgesellschaft haben wir vollzogen. Damit ist klar, dass es in der Bildung nicht mehr darum gehen kann, möglichst viel Daten und Fakten in einem Kopf zu speichern. Stattdessen müssen junge Menschen lernen, wo und wie sie sich Wissen aneignen können. Begriffe wie "Lernen lernen" oder "Lernen on demand" drücken das ganz anschaulich aus. Die Grundausbildung darf sich also nicht mehr allein auf die zu lernende Stoffmenge konzentrieren, sondern muss zunehmend die Methodik im Fokus haben. Plakativ könnte man sagen: weg vom Fakten- und Detailwissen, das ohnehin schnell veraltet, und hin zur Stärkung grundlegender Methodenkompetenz, insbesondere des selbstgesteuerten Lernens.
Wie lässt sich dieser Wandel erreichen?
Uwe Schöpe: Zunächst einmal ist ein Umdenken nötig. Im Bereich der beruflichen bzw. berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung müssen wir das selbstverantwortliche Lernen - auch mit Neuen Medien - wesentlich verbessern. Lernen muss ganz selbstverständlich in die tägliche Arbeit integriert werden. Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, ein Defizit zu erkennen und dann den Schwarzen Peter hin und her zu schieben. Der notwendige Wandel erfordert ein hohes Maß an Engagement. Leider gibt es dafür noch keinen genügend breiten Konsens in unserer Gesellschaft. Hier sehe ich eine große Aufgabe für die Politik. Hier setzt aber auch die "Bildungsoffensive 2006" an, die ein deutliches Zeichen setzen will.
Die "Bildungsoffensive 2006" ist eine privatwirtschaftliche Initiative. Wird der Staat durch privat finanzierte Bildung nicht zu sehr aus der Verantwortung genommen?
Uwe Schöpe: Natürlich ist der Staat gefordert, ein Bildungssystem bereitzustellen, welches unsere nachfolgende Generation in die Lage versetzt, die auf sie zukommenden Herausforderungen zu bewältigen. Diese Aufgabe kann die Politik derzeit aber leider nur unzureichend erfüllen. Wir können natürlich abwarten und fordern oder lamentieren. Doch damit verlieren wir wertvolle Zeit im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe.
Ich denke, dass alle gesellschaftlich relevanten Gruppen ihren Beitrag leisten sollten, um das in Deutschland diagnostizierte Bildungsdefizit zu beheben. Auch Eltern greifen zunehmend in das eigene Portemonnaie, um ihre Kinder zu unterstützen. Die "Bildungsoffensive 2006" ist eine Gemeinschaftsinitiative von Unternehmen aus der Weiterbildungsbranche, der Hard- und Softwareindustrie und anderen Sponsoren. Darunter finden sich renommierte Unternehmen wir Microsoft, Hewlett Packard, Zurich Gruppe, Digital Publishing und DHL. Mit der ersten Aktion, der Entwicklung der mobilen Lernstation EduBook für Schüler und Studenten, will sie gerade dieses private Engagement in den Familien unterstützen. Ich sehe unsere Initiative als einen kleinen Mosaikstein bei der Verbesserung des Bildungssystems. Letztendlich wird hier niemand aus der Verantwortung genommen. Im Gegenteil. Wir bieten Denkanstöße.
Mit Initiativen wie unserer können wir meines Erachtens auf zwei Ebenen helfen: Wir verbessern ganz konkret die Situation hinsichtlich der Ausstattung und wir tragen dazu bei, die gesellschaftliche Unterstützung für Bildungsthemen zu stärken. Letztendlich geht es doch darum, dass alle, die die Möglichkeit haben, eine für die Zukunft unserer Gesellschaft schwierige Situation zu verbessern, dies auch aktiv tun sollen.
Was qualifiziert die Bonner Akademie als Weiterbildungsspezialist im Banken und Versicherungswesen dazu, eine Bildungsoffensive für Schüler und Studenten zu initiieren?
Uwe Schöpe: Die Bonner Akademie ist ein führendes und international tätiges Weiterbildungsunternehmen mit Kernkompetenzen im Bereich Persönlichkeits- und Managementtrainings sowie auf dem Feld der Informationstechnologie. Als Qualifizierungsunternehmen der Zurich Gruppe Deutschland, die unsere 100-prozentige Mutter ist, sind wir hier für die Aus- und Weiterbildung aller Innen- und Außendienstmitarbeiter und -mitarbeiterinnen zuständig. Außerdem arbeiten wir für große Unternehmen mit einem Schwerpunkt im Versicherungs- und Bankenbereich. Unser drittes großes Standbein liegt in der Qualifizierung im öffentlich-rechtlichen Bereich. Hier arbeiten wir eng mit den Arbeitsagenturen und der Europäischen Union zusammen.
In meiner Funktion als Geschäftsführer der Bonner Akademie bin ich zudem ehrenamtlich im Bildungsbereich tätig, wie zum Beispiel im Berufsausbildungsausschuss des Deutschen Industrie- und Handelskammertages sowie im Vorstand des Berufsbildungswerks der Versicherungswirtschaft. Diese Branchenvereinigung kümmert sich um die Qualifizierungsthemen der Versicherungswirtschaft.
Darüber hinaus engagiert sich die Bonner Akademie aber seit Jahren auch in der Weiterbildung für Jugendliche. So werden zum Beispiel bei uns im Haus Kompetenzchecks für Schüler durchgeführt, um sie bei ihrer Berufswahl zu unterstützen. Dieser Kompetenzbereich der Akademie kommt in unserer Projektleitung der Bildungsoffensive zum Tragen und kann gleichzeitig als Signal dafür verstanden werden, dass wir uns künftig noch stärker mit konkreten Bildungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche einsetzen werden. Wir wollen unser sowohl theoretisches als auch praktisches Know-how im Bereich der Wissensvermittlung auch für diese Zielgruppe anbieten, für die das Lernen mit allen Sinnen eine noch größere Bedeutung hat als für Erwachsene.
Nicht zuletzt bin ich als Vater von zwei Kindern mit dem Thema der schulischen Ausbildung mehr oder weniger täglich konfrontiert. Aus diesen Gründen glaube ich sagen zu können, dass ich einen recht breiten Überblick über die Bildungs- und Qualifizierungsthemen in Deutschland habe.
Ein Notebook allein macht noch keine Bildung. Was braucht es noch dazu?
Uwe Schöpe: Unverzichtbar ist das Engagement aller Beteiligten, der Kinder, der Eltern und auch der Lehrer. Niemand wird schlauer, nur weil er ein EduBook besitzt. Es kommt darauf an, es sinnvoll zu nutzen. Es muss so selbstverständlich wie ein Füller oder ein Taschenrechner in die tägliche Schularbeit einfließen. Dazu braucht es auch fitte Eltern, die wissen, in welcher Form die Neuen Medien das Lernen ihrer Kinder unterstützen. Wir werden aus diesem Grund auch Seminare für Eltern anbieten, in denen sie selbst etwas zum sinnvollen Umgang mit den Neuen Medien lernen.
Ist das EduBook ausschließlich für das eigene, selbst organisierte Lernen zu Hause gedacht oder sind auch Kooperationen mit Schulen möglich?
Uwe Schöpe: In den USA gibt es bereits über 1.000 Notebook-Schulen, also Schulen, in denen Schüler über ein eigenes Notebook verfügen. Sie nutzen es als effektives Kommunikations- und Informationsmittel. Auch in Deutschland wurden bereits einige Notebook-Projekte an Schulen durchgeführt - mit durchweg guten Ergebnissen. Allerdings stehen wir da noch am Anfang.
Einer der größten Bremsklötze ist die Finanzierbarkeit. Professor Kubicek von der Universität Bremen ermittelte vor einiger Zeit im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, dass für eine flächendeckende Beschaffung von Notebooks in den Schulen bundesweit 40 Milliarden Euro aufgewendet müssten - eine astronomische Summe. Die finanzierbare private Anschaffung einer mobilen Lernstation würde da einen Ausweg bieten.
Deshalb ist das EduBook so ausgestattet, dass es selbstverständlich auch für das Lernen in Klassen verwendet werden kann. Es lässt sich beispielsweise problemlos in das HP Net-Education Center, die so genannte blaue Box, integrieren, mit der bereits zahlreiche Schulen ausgestattet sind. Wir werden zudem einen Klassensatz EduBooks einer Schule kostenfrei zur Verfügung stellen, um zu zeigen, dass es hier sinnvoll eingesetzt werden kann. Ein Projektbaustein übrigens, den die Bonner Akademie als Bildungsspezialist pädagogisch/didaktisch begleiten wird.
Es gibt ja immer schon Diskussionen um die finanzielle Beteiligung von Eltern bei Schulbüchern, der durchaus kritisch gesehen wird. Ist es da nicht utopisch zu denken, dass die Eltern sich im Bereich der neuen Medien finanziell derart engagieren?
Uwe Schöpe: Diskussionen oder nicht. Tatsache ist, dass schon heute viele Eltern die öffentlichen Bildungsausgaben durch private Investitionen unterstützen. In Deutschland gibt der Staat zwar jährlich 4,4 Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Bildung aus, damit liegt er allerdings immer noch deutlich hinter Spitzenländern wie Dänemark, Island, Norwegen, Schweden und Belgien. Aus diesem Grund versuchen viele Eltern hierzulande schon seit geraumer Zeit mit eigenem finanziellen Engagement die - gesellschaftlich notwendigen - Investitionen in Bildung und Ausbildung zu unterstützen.
Damit taucht allerdings ein neues Problem auf: Die Bildungschancen von Kindern mit besser verdienenden Eltern sind größer als die anderer Kinder. Werden hier die Weichen nicht neu gestellt, öffnet sich im Zeitraum weniger Jahre eine Schere, die sich in Zukunft für den Bildungsstand insgesamt extrem negativ auswirken wird. Es entsteht ein so genanntes "Digital Divide", das große Teile der Bevölkerung zum "Computer-Analphabetismus" führt. Solchen Tendenzen möchten wir mit der Bildungsoffensive entgegenwirken. Wir helfen Eltern, indem wir das EduBook intensiv sponsern und zu einem absoluten Sonderpreis an Schüler und Studenten abgeben.
Sie wollen also mit der Bildungsoffensive auch dazu beitragen, dass die Schulen medial besser ausgerüstet werden?
Uwe Schöpe: Der offizielle Start der "Bildungsoffensive 2006" fällt nicht von ungefähr mit der Veröffentlichung der vollständigen Zahlen der letzten PISA-Studie (Program for International Student Assessment) Anfang November zusammen. Aber schon jetzt kann man sagen, dass sich trotz anhaltender Schwächen eine Trendwende im deutschen Bildungssystem abzeichnet. Die Ergebnisse der aktuellen internationalen Vergleichsstudie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat hier interessante Ergebnisse geliefert.
Trotzdem ist der angestaute Rückstand der 80er und 90er Jahre noch nicht ausgeglichen und die Bildungsinvestitionen in Deutschland im internationalen Vergleich weiterhin niedrig. Nach den Daten der fünften bundesweiten Erhebung zur "IT-Ausstattung der allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen in Deutschland" hat sich die Ausstattung der deutschen Schulen mit Computern verbessert. Optimal ist sie noch lange nicht.
Die Herausgabe des EduBooks wird mit Kursen für Eltern begleitet. Wie werden diese Kurse konkret aussehen?
Uwe Schöpe: Ich hatte es schon kurz erwähnt, wir wollen Eltern unterstützen, die ihren Kindern einen pädagogisch sinnvollen Umgang mit dem EduBook vermitteln wollen. Schwerpunkt der Seminare ist also die Thematik des richtigen Umgangs mit Computern und Lernsoftware. Außerdem bringen wir den Eltern die einzelnen Programme näher und stellen ihnen auch die Soft- und Hardwarebestandteile des EduBooks vor. Das Motto dabei: Fitte Kinder brauchen fitte Eltern.
Die Kurse werden in verschiedenen Städten des Landes angeboten. Preise und Orte sind dann über unser Internetportal bzw. Infohotline/Fax abrufbar und buchbar. Wir sind uns sehr bewusst, dass diese Seminare für jeden erschwinglich sein müssen und diese Tatsache werden wir bei der Preisgestaltung berücksichtigen.
Es könnte der Eindruck entstehen, dass es sich bei der Bildungsoffensive 2006 um eine großartige Idee handelt, das Weihnachtsgeschäft anzukurbeln.
Uwe Schöpe: Tatsache ist, dass der Marktwert des EduBooks bei 1.800 Euro liegt, während wir einen Ladenpreis von nur 998 Euro bieten. Dieser Sonderpreis ist nur durch ein großzügiges Sponsoring und Gewinnverzicht zu erreichen. Alle Partner kalkulieren am absolut untersten Limit.
Die größte Herausforderung bei der Umsetzung unserer Projektidee lag deshalb auch darin, die Partner zu überzeugen, dass dieses Projekt zwar keinen reich macht, aber dennoch dringend nötig ist und sich auch nur von vielen Partnern gemeinsam umsetzen lässt. Kein Unternehmen allein kann so viele Zugeständnisse machen.
Dennoch haben wir für die Aktion sehr bewusst die Vorweihnachtszeit gewählt. Sie bietet den Eltern die Chance, die Freude am Schenken mit einer sinnvollen Investition in die Zukunft ihrer Kinder zu verknüpfen.
Lässt sich das Projekt also als ein Social Sponsoring verstehen? Eine Investition in die heranwachsende Bildungselite von Seiten der Wirtschaft?
Uwe Schöpe: Wir handeln da nach der Prognose von Bill Gates, der 1996 gesagt hat. "In fünf Jahren werden wir noch keine großen Fortschritte erkennen können, aber in den nächsten zehn Jahren werden Neue Medien eine bedeutende Rolle bei den Lernprozessen spielen - und das sowohl im Klassenzimmer wie auch außerhalb." Da sind wir mit unserer Bildungsinitiative punktgenau gelandet.
Können Sie uns etwas über Ihre Kooperation mit Unternehmen wie Digital Publishing, Microsoft, HP oder Master Solution sagen? Wie ist es Ihnen gelungen, diese Firmen mit ins Boot zu holen?
Uwe Schöpe: Wir haben die erste Projektplanung Anfang des Jahres besprochen und ab da intensiv mit den einzelnen Partnern diskutiert. Unser Vorteil ist die gute Reputation der Bonner Akademie und die Tatsache, dass wir bereits mit diesen Partnern auch in anderen Projekten intensiv zusammenarbeiten. Man hat uns von Anfang an geglaubt, dass diese Bildungsoffensive machbar und sinnvoll ist. Dabei soll das EduBook nur eine erste Aktion sein. Wir diskutieren im Moment schon weitere Projekte. Das liegt unter anderem auch daran, dass sich sehr viele weitere Firmen bei uns gemeldet haben, die gerne der Bildungsoffensive beitreten und aktiv mitarbeiten möchten.
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