"Erprobte Ansätze und Trial & Error"
Freiburg i.Br., Mai 2020 - Die Umsetzung des Agilen Mindsets, also mehr Verantwortung, mehr Vertrauen, mehr Selbstbestimmung, mehr Kommunikation, ist für Martin Truckses gelebte pädagogische Grundhaltung, ganz besonders in Bezug auf das schulische Miteinander und Lerninhalte. Methoden und Werkzeuge ergeben sich dadurch zunehmend von selbst und verändern sich je nach Beteiligten, Erfahrungen und notwendiger Organisationsentwicklung.
Wie muss man sich gelebte agile Projektsteuerung an Ihrer Schule vorstellen?
Martin Truckses: Unsere Schulregeln kann z. B. jeder und jede selbst in der wöchentlichen Schulversammlung vorschlagen, diskutieren und abstimmen lassen. Auch LehrerInnen werden bei uns je nach Bedarf gemeinsam mit SchülerInnen beworben, eingeladen und eingestellt. Materialien für den Unterricht kann an unserer Schule jeder beantragen oder kaufen, teils eigenverantwortlich als Gruppe, teils in Rücksprache mit der Schulversammlung. Selbst das Erstellen von Stundenplänen und damit die Ressourcenverteilung der Lehrkräfte geschieht hier in einem jährlichen Prozess zusammen mit SchülerInnen nach Bedarfsabfrage der jeweiligen Inhalte oder Fächer.
Klingt ziemlich dynamisch.
Martin Truckses: Konkrete Methoden mit Zielsetzung, Planungsphasen, Arbeitsteilung, etc. funktionieren entweder nach Anwendung von erprobten Ansätzen oder auch als Trial and Error. Dadurch ist unser eigentliches Projekt "Die Schule" und letztlich die Aufrechterhaltung des Lernrahmens für alle auf Augenhöhe. Daraus ergeben sich große und kleine Herausforderungen, auf die immer wieder agil reagiert werden muss – so wie jetzt gerade in Bezug auf Corona.
Unser Team ist multiprofessionell und demokratisch organisiert. Auch hier arbeiten wir agil. Wir haben eine wechselnde Teamleitung, die entsprechende Aufgaben übernimmt. Jedes Teammitglied kann Themen, Fragestellungen oder Notwendigkeiten einbringen und damit seine persönlichen Kompetenzen erweitern. Die Teamsitzungen planen wir transparent, derzeit via Stackfield, einem Projektmanagement Tool mit Sitz in München. Das bietet eine sicher verschlüsselte, datenschutzkonforme Projektmanagement-Lösung und hat alle Kernfunktionen und nötigen Apps bei wirklich solider Umsetzung. Bei uns liegen dort z. B. auch Protokolle, Entwürfe und Ähnliches.
Seit wann sind Sie in diesem Arbeitsstil schon unterwegs?
Martin Truckses: Unsere Schule arbeitet seit mehr als 20 Jahren auf demokratischer Basis. Damit haben wir uns auf das gemeinsame Lernen mit den Schülerinnen als "KundInnen" unserer "Leistung" eingelassen.
Da Demokratie durch ständig neue Mitglieder der Gemeinschaft immer bedarfs- und prozessorientiert ist, ist Beweglichkeit und Mitverantwortung immanent. Agiles Arbeiten bedeutet für uns nicht nur, ein gutes Tool einzusetzen, sondern eine Grundhaltung gegenüber den SchülerInnen. Bei Bedarf reagieren wir auf Unstimmigkeiten oder Unzufriedenheiten beispielsweise mit Streitschlichtungen oder im Team mit Supervisionen oder kollegialem Feedback.
Sie nutzen als demokratische Schule letztlich also den agilen Werkzeugkasten?
Martin Truckses: Wir halten uns nicht eng an die klassischen Methoden des Agilen Lernens. Und doch gibt es klare Gemeinsamkeiten wie das grundlegende Mindset und die grundsätzliche Haltung gegenüber den Beteiligten in der Gruppe. Oder eben auch in der Notwendigkeit, flexibel und an den SchülerInnen orientiert agieren zu können. Wir suchen uns das Beste von verschiedenen Ansätzen aus, so ist z.B. Scrum für uns keine 1:1 gelebte Methode, taucht aber in Teilen auf. Ich sehe Agilität viel mehr als ein eigenes Werkzeug, als Weg mit den SchülerInnen Dinge zu erfinden, auszuprobieren, weiterzuentwickeln und zu verwerfen. Denn das genau ist Lernen!
Warum haben Sie sich unter diesen offensichtlich anspruchsvollen Rahmenbedingungen für das Projektmanagement-Tool Stackfield entschieden?
Martin Truckses: Die Entscheidung ist letztlich im Zuge der DSGVO entstanden. Gesucht war ein DSGVO-konformes und zugleich ein Server-Produkt mit Sitz in Europa, das gut funktioniert. Davor haben wir einen Mix aus diversen Tools wie Google-Produkten, eigenes Drupal etc. eingesetzt, aber das wollten wir ändern. Für uns bietet Stackfield jetzt eine passende Arbeitsumgebung, die wir vielfältig nutzen und an unsere Bedarfe anpassen können wie zum Beispiel Kanban-Boards zur Planung von Teamsitzungen.
Klingt nach einem spannenden Projekt. Auf was sollte man aus Ihrer heutigen Erfahrung im Vorfeld achten?
Martin Truckses: Grundsätzlich würde ich einen solchen Arbeits- und Lernrahmen jedem Schüler und jeder Schülerin empfehlen bzw. wünschen – und da sie es nicht entscheiden dürfen: jeder Schule. Der Einsatz agiler Methoden unter dem Vorzeichen demokratischer Pädagogik verändert Schule und macht sie zu einem Lernort, der manche Kinder traurig in die Ferien gehen und zumindest die meisten freudig zurückkehren lässt. Und, da sind wir beim Thema persönliche Weiterentwicklung: Es entsteht ein riesiger Resonanzraum, dem sich KollegInnen und SchülerInnen nur schwer entziehen können und wollen. Dieser schult Mitverantwortung in einer Demokratie und macht deren Notwendigkeit deutlich.
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