Biografien 4.0?!

(Aus)Bildung, Arbeit und Organisationsentwicklung im Wandel

Hamburg, Januar 2017 - Schlagworte wie "Industrie 4.0" und "Arbeit 4.0" sind in aller Munde. Dabei geht es – vorrangig aus einer organisationalen Perspektive – um die Frage nach Wandlungsprozessen, die beispielsweise durch Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung induziert sind. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion fragt der (Aus)Bildungskongress der Bundeswehr 2017 in seinem Call for Papers, was 4.0 für die einzelne Persönlichkeitsentwicklung und individuelle Lebensverläufe in Bildung, Arbeit und Beruf bedeutet und wie diese vom Einzelnen und von der Organisation gestaltet werden können.

Schon heute zeichnet sich der digitale Wandel in Bildungs-, Berufs- und Arbeitsbiografien von Fach- und Führungskräften ab: sie sind flexibel, mobil, vernetzt und individuell. Teamorientiertes Arbeiten in flachen Hierarchien, unternehmerisches Denken, gestalterische Mitbestimmung und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung stehen in ihrer Relevanz noch vor dem Gehalt. Digitalisierung und Vernetzung fördern offene Arbeitsstrukturen, in denen Teams kooperativ arbeiten, gemeinsam Verantwortung tragen und Entscheidungen dezentral getroffen werden. Arbeitgeber werden sich in Zukunft darauf einstellen müssen, dass sie von den Fach- und Führungskräften gezielt nach diesen Kriterien ausgesucht werden.

In Anbetracht des demografischen Wandels und des Fach- und Führungskräftemangels ist der Innovationsdruck auf Unternehmen und Organisationen erheblich. Zusätzlich erzeugen die globalen Märkte durch ihre Schnelllebigkeit, Unberechenbarkeit und Komplexität einen erheblichen Wettbewerbsdruck. Auch Behörden und öffentliche Einrichtungen sind von diesen Entwicklungen betroffen und sehen sich in einem zunehmenden Konkurrenzkampf um qualifizierte Arbeitskräfte. Das Machtgefälle verschiebt sich zugunsten einer nie gekannten Entscheidungsfreiheit von Fach- und Führungskräften für oder gegen einen Arbeitgeber.

Nun stellt sich die Frage, wie agil öffentliche Organisationen auf diese sich abzeichnende Machtverschiebung auf dem Arbeitsmarkt reagieren können. Wie viel Anpassung an individuelle Bedürfnisse künftiger Mitarbeiter vertragen sie, ohne ihre organisationale Identität, ihre eigentlichen Ziele und Aufgaben, aus den Augen zu verlieren? Oder anders gefragt – müssen sich möglicherweise Identität, Ziele und Aufgaben öffentlicher Organisationen viel stärker an den individuellen Vorstellungen ihrer Mitglieder orientieren, damit sie zukunftsfähig bleiben? Führungskräfte als Führungspersönlichkeiten spielen dabei in jeder Organisation eine entscheidende Rolle. Als Vermittler der Organisations- oder Unternehmenskultur tragen sie maßgeblich zur Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Tätigkeit und ihrer Einrichtung bei – und damit auch zur Wertschöpfung und Funktionalität der Organisation. Kontrolleur oder Moderator – der gelebte Führungsstil ist ein wichtiger Prüfstein für jede Organisations- und Personalentwicklung.

Eine zukunftsfähige Personal- und Organisationsentwicklung stellt auch die Bundeswehr vor Herausforderungen. Als Großbehörde mit einer über Jahre gewachsenen Organisationsstruktur, einer im Militärischen fest verankerten hierarchischen Kultur und nicht zuletzt mit einer Parlamentsarmee und dem Auftrag, jederzeit die Einsatzbereitschaft sicherzustellen, scheint sie kaum genug Spielraum für Veränderungen zulassen zu können, die ihr auch künftig genug Fach- und Führungskräfte sichern. Gleichwohl versteht sich die Bundeswehr als "Lernende Organisation" und legt großen Wert gerade auf ihre Führungskräfteentwicklung. Doch reichen die Umsetzung von verbesserten Arbeitsbedingungen aus der Agenda "Bundeswehr in Führung – Aktiv. Attraktiv. Anders.", der Stellenaufbau der "Trendwende Personal" und die neue Personalstrategie um die Bundeswehr wirklich zukunftsfähig zu machen? Braucht es noch viel tiefgreifendere Maßnahmen, damit sich nicht nur die jetzigen sondern auch die zukünftigen Fach- und Führungskräfte mit der Bundeswehr als Arbeitgeberin identifizieren können? Die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Bundeswehr realisiert derzeit mit der Kompetenzorientierung ein maßgebliches Konzept, um aktuelle Entwicklungen der Berufsbildung aufzunehmen.

Mit dem diesjährigen (Aus)Bildungskongress der Bundeswehr soll ein Blick auf den state-of-the-art der Organisations- und Personalforschung geworfen werden. Was sagt der aktuelle arbeitswissenschaftliche, psychologische, soziologische und philosophische Diskurs zu den Themen "Biografie", "Identität" und "Identitätsbildung in organisationalen Strukturen"?
Wie gehen andere Arbeitgeber mit den geschilderten Herausforderungen in der Nachwuchskräftegewinnung um und was kann die Bundeswehr davon lernen? Vor welchen Aufgaben stehen Personalabteilungen bei der Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitern heute generell? Welche Modelle und Beispiele aus der Praxis gibt es dazu? Wie wichtig sind flexible Arbeitszeitmodelle, Vereinbarkeit von Dienst / Beruf und Familie und eine Work-Life-Balance für Mitarbeiter und Organisation? Was soll und kann die Aus-, Fort- und Weiterbildung für die Personal- und Kompetenzentwicklung in einer Organisation leisten? Und nicht zuletzt: Wie kann moderne Technik und technologiegestützte (Aus)Bildung genutzt werden, um diese Prozesse zu unterstützen?

Gestalten Sie die TagungsZeit aktiv unter dem Titel "Biografien 4.0?! – (Aus)Bildung, Arbeit und Organisationsentwicklung im Wandel gestalten" mit Ihrer Fachexpertise mit und reichen Sie bis 28. Februar 2017 einen Beitrag ein.