Schulträger

Beendet der DigitalPakt den Dornröschenschlaf?

Dr. Daniela HarschTübingen, August 2020 -  Die Unterstützungsprogramme des Bundes für kommunale Träger von Schulen sind hochwillkommen. Nun müssen die Mittel möglichst rasch bei den Schulen ankommen, sagt Dr. Daniela Harsch, Bürgermeisterin für Soziales, Ordnung und Kultur in Tübingen.

Welche Wirkung hat der Digital-Pakt auf die Digitalisierung der Schulen in Deutschland?

Dr. Daniela Harsch: Insgesamt kann man feststellen, dass die Initiative DigitalPakt die Schullandschaft "aufgeweckt" hat. Mit ihr wurden die Unterschiedlichkeiten und Entwicklungsbedarfe der technischen Ausstattung der Schulen und der digitalen Methodik und Didaktik im Schulsystem thematisiert und in den Fokus gebracht. Die Herausforderung für alle Beteiligten - also Schulen, Schulträger, Schülerinnen und Schüler aber auch Eltern -  ist es, nun mit nachhaltig sinnvollen pädagogischen Konzepten und einer guten technischen Ausstattung ein zeitgemäßes digitales Lernen zu ermöglichen.
In Deutschland haben bisher dazu gute flächendeckende Konzepte gefehlt. Leuchtturmprojekte sind zwar vorhanden, wurden aber auch bedingt durch die föderale Struktur nicht in der Fläche umgesetzt. Von Seiten des Landes Baden-Württemberg gab es leider kein klares Konzept, das von der Ausstattung einer Schule über die Lehrerfortbildung, innovative Lernkonzepte bis hin zu den Möglichkeiten des Fernlernens reicht.

Wie würden Sie den Digitalisierungs-Status der Schulen in der Bildungsstadt Tübingen beschreiben?

Dr. Daniela Harsch: Die Tübinger Schulen sind – wie vermutlich in vielen Kommunen -  sehr unterschiedlich in ihrem "Digitalisierungs-Status" aufgestellt. Es muss hier zwischen der technischen Ausstattung und der pädagogischen Umsetzung und Anwendung unterschieden werden. Es gibt sehr digital-affine Schulen, die sowohl technisch als auch pädagogisch gute Konzepte haben. Beispielsweise arbeitet die Oberstufe der GMS West intensiv mit iPads und dem Projekt des adaptiven Unterrichts gemeinsam mit der School of Education der Universität Tübingen zusammen.
Das Uhland-Gymnasium ist seit der Sanierung mit digitalen Tafeln hervorragend ausgestattet und gestaltet den Unterricht entsprechend. Einige Grundschulen arbeiten bereits erfolgreich mit Lern-Apps in einzelnen Fächern. Insgesamt gibt es aber an den Grundschulen einen großen Entwicklungsbedarf, was Methodik, Didaktik, Lehrerfortbildung und technische Ausstattung sowie Support betrifft.  Zur Unterstützung der Schulen hat die Stadt Tübingen gemeinsam mit den Schulen Standards entwickelt, die einen einheitlichen flächendeckenden Einsatz digitaler Medien ermöglichen sollen.

Bisher sind die Schulträger beim Abrufen von Mitteln aus dem DigitalPakt zurückhaltend. Warum?
Dr. Daniela Harsch: Ein zentraler Bestandteil für den Abruf der Digitalpaktmittel ist ein Medienentwicklungsplan der Schule, der u. a. ein medienpädagogisches Konzept zum Einsatz der Technik beinhaltet. Der Prozess ist sehr umfangreich und benötigt dementsprechend an den Schulen Zeit. Um ein gutes Konzept mit dem Ziel "digitale Ausstattung folgt der Pädagogik" zu entwickeln, bedarf es ausgebildeter und digital-affiner Lehrkräfte an den Schulen.
In den Corona-Zeiten konnten und können die Schulen diese zusätzliche Aufgabe nicht bewältigen. Zudem sind die Mittel des DigitalPaktes hauptsächlich für den Aufbau und die Verbesserung der digitalen Infrastruktur vorgesehen. Dazu sind auch sehr umfangreiche Baumaßnahmen, Verkabelungen etc. notwendig, die alleine schon durch die in den Bauverwaltungen der Kommunen vorhandenen Kapazitäten begrenzt sind. Das Land hat nun bereits reagiert und ein Medienentwicklungsplan muss künftig erst bei der Abrechnung der Fördermittel vorgelegt werden. Infrastrukturmaßnahmen können nun also auch ohne einen MEP-Plan der Schule begonnen werden. Das ist ein sehr gutes Signal.

Wo sehen Sie aus kommunaler Sicht beim neuen Geldsegen über die "Corona-Gelder" für die Schulen die größten Schwierigkeiten?
Dr. Daniela Harsch: Der größte Engpass liegt in der Beschaffung der Geräte und der Erstellung der Infrastruktur, sowie im direkten Support der Schulen "Vor-Ort". Die Lehrkräfte können mit den zur Verfügung stehenden Deputats-Stunden den digitalen Anforderungen nicht gerecht werden. Deshalb ist es notwendig, diesen Bereich zusätzlich direkt an den Schulen mit Fachkräften zu unterstützen, damit die Lehrkräfte ihrem eigentlichen Auftrag der Lernbegleitung und Wissensvermittlung nachkommen können.
Der Bund hat angekündigt, diesen Bereich ebenfalls zu unterstützen. Es ist dringend erforderlich, dass dieses angekündigte Unterstützungsprogramm schnellstmöglich in den Kommunen und Schulen ankommt.

Wie könnte aus Sicht eines Schulträgers die Digitalisierung unserer Schulen effektiv forciert werden?

Dr. Daniela Harsch: Durch ein gutes Zusammenspiel zwischen Bund, Land und Kommune, einfache Förderbedingungen und einem unkomplizierten Antragsverfahren könnte die Digitalisierung vorangetrieben werden. Zudem sind eine einheitliche Schulinfrastruktur, Cloud-Lösungen und Kommunikationsplattform für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte dringend notwendig. Dies hat die Corona-Zeit eindeutig gezeigt.  Jede Schule musste für sich selbst eine digitale Kommunikationsstruktur für ihre Schülerinnen und Schüler entwickeln. Durch ein einheitliches System wäre die Umsetzung des notwendigen Fernlernens wesentlich leichter.