Komplexe Technologie möglichst nutzerfreundlich gestalten
Berlin, April 2023 – KMU sollen von der Möglichkeit des adaptiven Lernens ebenso profitieren wie Großunternehmen. Im Rahmen des EduPLEx_API-Projektes, das KI-Ansätze zur verbesserten Personalisierung mit der Entwicklung einer mächtigeren API zur Vernetzung von Plattformen kombiniert, sorgt Thomas Kruczinski für die kommunikative Verbindung der beteiligten Fachabteilungen der WBS TRAINING AG.
Adaptives Lernen mit KI soll das Lernen individueller und effizienter machen. In wie fern haben KMUs dabei andere Bedürfnisse/Erfordernisse als größere Unternehmen und benötigen daher eigene Entwicklungen?
Thomas Kruczinski: Natürlich liegt es in der Natur der KMUs, dass differenziertere Anforderungen und Bedürfnisse auf ihrer Seite existieren, als es in großen Unternehmen der Fall ist. Dazu gehören z.B. folgende Aspekte:
- die monetären Ressourcen/das Budget: KMUs verfügen oft über begrenzte finanzielle Ressourcen im Vergleich zu größeren Unternehmen; daher benötigen sie möglicherweise kostengünstigere Lösungen oder flexiblere Preismodelle.
- die Anzahl an Mitarbeiter*innen: kleinere Belegschaften können bedeuten, dass die Lernbedürfnisse individueller sind und dass eine One-Size-Fits-All-Lösung nicht ausreichend sein kann – zudem kann damit verbunden einfach nicht genug Expertise im Unternehmen vorhanden sein, was vollkommen normal ist bezüglich der immer breiter werdenden Weiterbildungslandschaft.
- Geschäftsfeld-Fokus: KMUs haben möglicherweise spezifische Geschäftsanforderungen, die sich von größeren Unternehmen unterscheiden – allein dieser Umstand kann dafür sorgen, dass bestimmte Fähigkeiten schneller und effizienter von den Mitarbeiter*innen erworben werden müssen als es in größere Unternehmen der Fall ist.
- Organisationskultur: durch den Unterschied in der Anzahl an Mitarbeiter:innen wird auch die Kultur eines KMUs anders im Kontext Weiterbildung betroffen, als es bei einem großen Unternehmen der Fall sein kann; dies bedeutet, dass beispielsweise eine stärkere Betonung der Zusammenarbeit und des Austauschs von Wissen im Vordergrund steht, also die Lernlösungen mehr auf soziale Aspekte ausgerichtet sein sollten.
Spezialisierte Entwicklungen für KMUs sollten sich demnach auf die individuellen Herausforderungen und Chancen konzentrieren, die für diese Unternehmensgröße relevant ist. Dazu zählen z.B. kostengünstige Preismodelle, einfachere Implementierung und eine größere Flexibilität. Diese Ansätze sind natürlich nicht exklusiv, und es gibt viele andere Möglichkeiten, um Weiterbildungen für die Mitarbeiter:innen der KMUs im Rahmen von KI-gestütztem adaptiven Lernen stattfinden zu lassen. Wichtig ist jedoch, dass die Betriebe sicherstellen, dass sie die Option wählen, die ihren Bedürfnissen am besten entspricht und nicht einfach nur das billigste Angebot wählen, welches dann möglicherweise nicht den notwendigen Funktionsumfang und Support bietet.
Bezieht sich der Einsatz der KI innerhalb einer Fort- oder Weiterbildung auf die Reihenfolge der Lernmodule, auf den Aufbau innerhalb der Module oder auf Hilfestellungen bei den einzelnen Aufgaben?
Thomas Kruczinski: Die von uns genutzte Lernplattform arbeitet mit KI, um individuelle Lernvorschläge und Weiterbildungen für Mitarbeiter*innen von KMUs anzubieten. Die KI analysiert dabei eine Vielzahl von Datenpunkten, um ein umfassendes Bild der Lernbedürfnisse jedes einzelnen Mitarbeiters zu erstellen – dazu gehört auch eine erste Einstufung durch ein vorgeschaltetes Assessment in Bezug auf spezifische Fähigkeiten und Kompetenzen. Hinzu kommen Faktoren wie bisherige Lernerfolge, aber auch individuelle Lernpräferenzen und -stile.
Basierend auf diesen Daten schlägt die KI dann die für die jeweilige Mitarbeiterin am besten geeigneten Lernangebote vor, wobei auch die Reihenfolge und der Aufbau einzelner Lerninhalte innerhalb der Angebote berücksichtigt werden. Durch die ständige Analyse der Lernfortschritte und -erfolge der Mitarbeiter:innen kann die KI ihre Empfehlungen kontinuierlich anpassen und verbessern, um ein optimales Lernerlebnis zu gewährleisten.
Durch die Möglichkeiten von KI im Bereich Natural Language Processing (NLP), welche vor allem durch ChatGPT gerade eine rasante Weiterentwicklung erfährt, wird aber auch der Einsatz von KI-gestützten Chatbots eine wichtige Rolle spielen, um als tutorielle Unterstützung und Hilfestellung zu den Lerninhalten zu dienen. So können zum Beispiel Übungsaufgaben "on-the-flow" auf den jeweiligen Wissensstand automatisch generiert werden oder die Inhalte können auch im Sinne der Barriere-Reduzierung an den Lernenden KI-gestützt ausgegeben werden (z.B. in einfacher Sprache, als Zusammenfassung oder in die Muttersprache übersetzt). Vor allem in diesem Bereich ist das Potenzial für adaptive KI-Systeme immens hoch und wird auch völlig neue Ansätze in der Entwicklung von Lerninhalten mit sich ziehen.
So lässt sich zusammenfassen, dass der Einsatz von KI sowohl auf der Empfehlung der Lernangebote/Kurse, auf die Reihenfolge der Lerninhalte als auch zur Ergänzung und Hilfestellung bereits vorhandener Lerninhalte gedacht werden sollte.
Adaptierte Lernsysteme passen sich den Lernenden an. In welchem Umfang bezieht sich das auf Präferenzen oder ist die Ergebnisorientierung vorrangig?
Thomas Kruczinski: Bei adaptiven Lernsystemen geht es nicht nur um die Ergebnisorientierung, sondern auch um die Berücksichtigung der individuellen Präferenzen der Lernenden. Ein vorgeschaltetes Assessment sowie die bereits bestehenden Qualifikationen der Mitarbeiter können dazu beitragen, dass das adaptive Lernsystem besser auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen abgestimmt werden kann. Durch das permanente Tracking während der Durchführung der Weiterbildung können zudem jederzeit Anpassungen vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass die Lernenden auf dem richtigen Weg sind und ihre Lernziele erreichen.
Wenn die Präferenzen und Interessen der Mitarbeiter:innen berücksichtigt werden, kann dies dazu beitragen, dass sie sich besser engagieren und motiviert bleiben, was wiederum zu besseren Lernerfolgen führen kann. Gleichzeitig ist es wichtig, dass das adaptive Lernsystem auf die Ergebnisse ausgerichtet ist, um sicherzustellen, dass die Belegschaft die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, um ihre Aufgaben erfolgreich zu bewältigen und eine ökonomische "Karriere" voranzutreiben. Eine ausgewogene Kombination aus beiden Aspekten kann dazu beitragen, dass die Mitarbeiter*innen motiviert bleiben und gleichzeitig ihre Lernziele effektiv erreichen.
Welche Erfahrungswerte liegen Ihnen in Bezug auf den Einsatz adaptiven Lernens in KMU bereits vor?
Thomas Kruczinski: Einige Studien zeigen, dass adaptive Lernsysteme dazu beitragen können, die Lernleistung der Mitarbeiter*innen zu verbessern, indem sie eine personalisierte Lernumgebung schaffen, die sich an die individuellen Bedürfnisse jeder teilnehmenden Person anpasst. Dies kann dazu beitragen, dass die Mitarbeiter:innen schneller und effektiver lernen, was wiederum zu höherer Motivation und Zufriedenheit führen kann.
Ein Vorteil des Einsatzes adaptiver Lernmethoden in KMUs ist zudem die Reduzierung der Schulungskosten. Durch den Einsatz von Online-Lernplattformen können KMUs ihre Weiterbildungsbudgets optimieren und eine größere Anzahl von Mitarbeiter:innen schulen, ohne die Kosten für die Qualifizierungen zu erhöhen.
Allerdings gibt es auch einige Herausforderungen. Dazu gehören beispielsweise die Notwendigkeit, die Mitarbeiter:innen bei der Verwendung der Lernplattformen zu begleiten und zu schulen sowie die Komplexität der jeweiligen Technologie möglichst übersichtlich und nutzerfreundlich zu gestalten.
Insgesamt gibt es noch viel Raum für die Erforschung der Auswirkungen von adaptivem Lernen in KMUs, aber erste Erfahrungsberichte zeigen, dass adaptive Lernmethoden eine vielversprechende Möglichkeit darstellen, um die Lernleistung der eigenen Mitarbeiter:innen zu verbessern und gleichzeitig Schulungskosten zu reduzieren – somit ist adaptives Lernen eine ressourcenschonende Möglichkeit, sich als KMU konkurrenz- und zukunftsfähig aufzustellen.
- YouTube https://youtu.be/9Q2Aq1TNzGk
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