Praxis-Beispiel

Kompetenzentwicklung mit ePortfolios: ein Konflikt

Berlin, November 2009 - An einem konkreten Beispiel macht Dr. Marcus Hildebrandt von Hildebrandt und Partner - Learning, Systems, Development, deutlich wie die unterschiedlichen Interessen in Bezug auf ePortfolios im Kontext einer internationalen Business School zu einem systemischen Konflikt führen. Standardisierung versus Individualisierung könnten die Positionen von Business School und Studierenden lauten. Der Einsatz eines Open-Source Tools entschärft die Konfliktlage nicht.




Der Kontext



Eine internationale aufgestellte Business School will ihre Attraktivität auf dem Markt der MbA-Studierenden und die interne Service-Qualität in der Betreuung steigern. Als zentraler Ansatzpunkt zur hierzu wird die Vermittlungsrate der Studierenden nach ihrem Abschluss in die Wirtschaft angesehen.
Aus diesem Grund soll der bisher allein auf persönliche Beratung basierende Career Service des Unternehmens um eine virtuelle ePortfolio-Komponente erweitert werden.


Die Idee dabei ist, die Studierenden über weitere Beratungsangebote in die Lage zu versetzen ein eigenes ePortfolio zur Selbstvermarktung aufzubauen und diese ePortfolios externen Recruitern zur Verfügung zu stellen.
Da die Business School nicht will, dass die Vermittlung von Studierenden an dem Unternehmen "vorbeigeht", soll das ePortfolio nicht öffentlich sondern nur über einen passwortgeschützten Login zugänglich sein.


An dieser Stelle zeichnet sich schon der systemische Konflikt ab: Im Interesse der Studierenden liegt es, sich möglichst breit zu vermarkten (für das gesamte Internet einsehbares ePortfolio) und sich individuell von anderen Studierenden abzuheben (individuelle Gestaltbarkeit des ePortfolios).


Auf der anderen Seite möchte die Business School möglichst viel Kontrolle über die Vermittlung von Studierenden an die Wirtschaft haben (Vermittlungsgebühren; Dokumentierbarkeit der eigenen Vermittlungsquote) und sich möglichst professionell gegenüber den externen Kunden, Headhuntern und Personal Recuitern, darstellen.


Technische Umsetzung und interner Workflow



Da das Unternehmen schon moodle als Lern- und Community Plattform besitzt wird eine weitere, integrierte Open Source-Lösung angestrebt. Als ePortfolio Software wird deshalb mahara ausgewählt und auf einer eigenen subdomain implementiert.


Innerhalb von moodle wird ein neuer Kurs "Career Services" angelegt und dort ein Link auf Aktivitäten-Level implementiert, der zu mahara weiterleitet. Über diesen Link kann der Studierende, ohne sich erneut einloggen zu müssen, von moodle zu mahara wechseln. Ausserdem werden von mahara die persönlichen User-Fotos aus dem persönlichen Profil nach moodle hinüber "gezogen".


Die Gestaltung des eigenen ePortfolios wird als "Lernprozess" im Kurs "Career Services" mit Präsenzberatungsphasen angelegt.
Als erster Baustein soll der eigene CV online eingespeist werden.


Der Systemische Konflikt



Die Business School will sich möglichst professionell nach außen darstellen. Dazu gehört z.B. das einheitliche Auftreten über das Corporate Design. Aus Sicht der Business School ist es deshalb klar, dass eine Formatvorlage für die Online-CVs innerhalb von mahara realisiert werden soll, die dann "nur" noch von den Studierenden ausgefüllt werden soll.


Dieses Vorgehen steht leider in krassem Gegensatz zur vorhandenen Open-Source Software-Architektur, für die die Implementierung von Corporate Design nicht in diesem Detaillierungsgrad vorgesehen ist. Sie hat ihre Stärken eher in der individuell, modularen Zusammenstellbarkeit von eigenen Informationsblöcken zu einem CV.


Auf der anderen Seite füllen die Studierenden den ePortfolio-Raum mit allen nur erdenklichen Informationen über sich und erzeugen so ein sehr buntes und individuelles, aber eben nicht sehr standardisiertes Erscheinungsbild für die externen Recruiter.


Dieser "Wildwuchs" auf Seiten der Selbstdarstellung der Studierenden und die daraus resultierende schlechte Suchfunktionalität für die externen Recruiter und der hohe Aufwand und die teilweise schiere Unmöglichkeit, das eigene CD zu implementieren - kombiniert mit dem unzureichenden Support des mahara providers, führen dazu, dass die Business School sich entscheidet, den Weg einer eigenen, maßgeschneiderten Programmierung für die Online-CVs zu gehen.

Das Beispiel zeigt, wie unterschiedlich und teilweise
widersprüchlich die Wünsche und Erwartungen an ePortfolios sind. Wer tiefer in das Thema einsteigen und Marcus Hildebrandt persönlich erleben möchte, hat dazu am 2. Dezember in Berlin Gelegenheit. Unter dem Motto "Kompetenzentwicklung mit ePortfolios" findet an der HTW Berlin ein Pre-Conference Workshop zur Online Educa statt.