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Selbstversuch im Sprachtraining mit Lingua TV

Berlin, März 2011 - Mit einem Online-Videotraining die Fremdsprachenkompetenzen verbessern? Das hört sich unterhaltsam und wenig strapaziös an. Lingua TV setzt auf Filmsequenzen, die in kleinen Häppchen von zwei bis drei Minuten entweder authentische Situationen aus dem Arbeitsalltag abbilden oder auch Lernkrimis, ebenfalls strategisch portioniert. "Die meisten Menschen sind stark visuell orientiert", erläutert Geschäftsführer Philip Gienandt.




Weil Lernen jedoch nichts mit Berieseln-lassen zu tun hat, gibt es hilfreiche Features zu den Videos und einen ausführlichen interaktiven Übungsteil zu jeder Sequenz. Lingua TV fokussiert auf das B2B-Geschäft: "Lebensecht und praxisrelevant" seien die Inhalte laut Gienandt. Lernstand und -Fortschritt werden gemessen. CHECK.point eLearning-Autorin Prem Lata Gupta hat den Selbstversuch gewagt und den Kurs Business English ausprobiert.

"Okay, normalerweise zählen Hotelketten, aber auch Hochschulen zu den Kunden von Lingua TV. Das aktuelle Portfolio umfasst Englisch, spezielle Inhalte für das Hotel- und Gaststättengewerbe, Französisch, Italienisch und Spanisch, dazu Deutsch als Fremdsprache. Ich persönlich denke, mein Business English aufpolieren zu müssen. Gleich bei der ersten Video-Sequenz fühle ich mich in eine Vorabend-Soap versetzt: Die junge Maria Martinez sitzt mit dicken Wollsocken auf dem Sofa und versucht sich in einem telefonischen Erstkontakt auf eine Stellenanzeige.


Weil Film eben Film ist, wird sie auch gleich zur Chefin durchgestellt und kann ihre berufliche Vorerfahrung und ihre Sprachkenntnisse ins Feld führen. Dieser Einspielfilm spiegelt wie etliche andere auch typische Dialoge wider: Die Macher haben in der Regel darauf geachtet, Schlüsselbegriffe und für diese Situation gängige Redewendungen einzubauen.


Die Transkription rechts vom Bild lässt sich ausblenden, auch die englischen Untertitel. Je nach Geschmack oder Anspruch. Mit einem Doppelklick auf ein Wort im Transkriptionsfeld wird die Übersetzung sichtbar. Allerdings haben Vokabeln auch unterschiedliche Bedeutungen. Nur durch einen weiteren Klick und Scrollen erfahre ich, dass "résumé and references" auf Deutsch Bewerbungsunterlagen heißt.























Neben dem Menüpunkt "Video" finde ich außerdem "Practise", hier auch "Tutorial". "Practise" enthält 15 Übungen, von leicht bis schwer. Beim Quiz in Multiple-Choice-Form lerne ich einige Höflichkeitsfloskeln, die ich bisher nicht kannte. Aber ich tippe wenigstens richtig und werde mit einem "Well done" belohnt. Als nächstes soll ich aus einer Liste den Begriff herausfiltern, der nicht zu einer Wortfamilie gehört. Jetzt tippe ich daneben. Und noch mal und noch mal. Am Ende kenne ich zwar die richtige Lösung. Leider fehlt an dieser Stelle eine Erklärung, das würde mir helfen und der Lernstoff würde sich besser einprägen.


Manches macht Spaß wie etwa das Spiel "Wordfall", bei dem nicht nur Wissen, sondern auch Schnelligkeit gefragt ist. Andere Aufgaben gestalten sich eher mühsam wie etwa das Videodiktat. Das liegt nicht an LinguaTV, sondern an mir. Ich hatte schamhaft verdrängt, dass ich noch nie besonders gut gleichzeitig zuhören und mitschreiben konnte auf Englisch. Dass ich vor lauter Alles-verstehen-wollen manche Feinheit nicht mitbekomme. Mir dämmert, dass die Online-Videos zwar ein netter Einstieg sind, auf den ersten Blick cool und easy. Aber wenn ich wirklich an meinen Schwächen arbeiten will, muss ich mich bei den dazugehörigen Übungen anstrengen.


Weiter mit dem "Tutorial": Zu dieser Sequenz gehören äußerst wohlklingende Formulierungen, wie man einen Bewerber ablehnen kann. Offensichtlich liefert Lingua TV nicht nur Lerninhalte für den Mitarbeiter, der sich weiterbilden will oder soll, sondern auch für die Personalabteilung: So schicke Absagen habe ich noch nie bekommen, weder auf Deutsch noch auf Englisch. Ebenso konstruktiv hören sich last but not least die resümierenden Bemerkungen an, die dem abgelehnten Bewerber wiederum helfen sollen, das Gesicht zu wahren.


Business English enthält noch etliche andere Bausteine: Dazu gehören unter anderem Small Talk mit auswärtigen Kunden, Verhandlungsgespräche, Aufgaben delegieren. Nicht jedes Kapitel wirkt tiefschürfend, etwa die Sequenz, bei der es um eine Reklamation geht. Das Setting erinnert von der Ausstattung an "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", manchmal schaut ein Darsteller auch schlicht in die falsche Richtung.


Dennoch: Der Ansatz ist frisch und wirkt verlockend. Die Sequenzen bauen aufeinander auf und können dennoch einzeln bearbeitet werden. Ein motivierter Nutzer kann Wissenslücken gezielt schließen oder an allgemeinen Schwächen wie beispielsweise mangelndem Hörverständnis arbeiten. Einziges echtes Manko: Der Lernende muss selbst nichts sagen, seine eigene Aussprache wird nicht über eine Spracherkennungssoftware trainiert, sondern indem er immer wieder Muttersprachlern zuhört. Andererseits - wer redet schon mit seinem Fernseher?"