Lernvideos

"Die Planungs- und Erstellprozesse werden auf den Kopf gestellt"

Anton Bollen, TechSmithBerlin / Michigan (USA), Januar 2025 - TechSmith ist dafür bekannt, Bilder- und Videoproduktion weitgehend zu vereinfachen und gleichzeitig den Bedürfnissen der Zeit anzupassen. So sollen Kommunikation, Schulungen, Tutorials und Kurse  in Unternehmen und an Universitäten effektiver ablaufen – besonders wenn der Zugriff auf Informationen zeitversetzt erfolgt. Mit Anton Bollen, der das Unternehmen seit Jahren im deutschsprachigen Raum vertritt, sprach CHECK.point eLearning über die Veränderungen und den Einfluss von KI auf die Videoproduktion.

Wie verändert sich der Einsatz von Lern-Videos unter dem – mittlerweile allgegenwärtigen – Einfluss von KI?

Anton Bollen: Der Einfluss von künstlicher Intelligenz zeichnet sich bei Lern-Videos sichtbar ab und verändert die Art und Weise, wie Lern-Videos erstellt, aber auch wie sie von den Lernenden konsumiert werden. 
Für die Erstellung von Lern-Videos ist die künstliche Intelligenz ein tolles Hilfsmittel, das einen von der Planung bis zur Aufnahme, Bearbeitung und Produktion solcher Videos unterstützt.  Viele Video-Tools im eLearning-Bereich, wie zum Beispiel Camtasia von TechSmith, verfügen schon heute über Funktionen, um Informationen zusammenzufassen, Entwürfe für Drehbücher zu schreiben, Videos mit KI-Stimmen zu vertonen und Avatare oder Bildsequeznzen zu generieren. Revisionen und Variationen sind dadurch schneller erstellt als zuvor und gerade vom Einsatz von KI-Stimmen versprechen sich viele Autoren im eLearning-Bereich erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse. 
Aktuelle und kommende Technologien werden die Produktion von Lern-Videos in Zukunft noch weiter vereinfachen und beschleunigen - und langfristig verändern: Das Generieren von Lern-Videos auf Basis weniger Prompts und Impulse rückt in greifbare Nähe. Die Planungs- und Erstellprozesse werden weiter auf den Kopf gestellt und der Aufwand der Trainers wird sich vermehrt auf das Korrigieren und Optimieren von KI-entworfenen Filmen und Clips verlagern. 

Aus Gesprächen mit vielen Video-Erstellern weiß ich auch, dass sich viele von KI in Zukunft erhoffen, dass die Technologie beim didaktischen Aufbau und beim Schneiden, Strukturieren und Verbessern der Videos hilft - ein realistischer Wunsch, wenn Sie mich fragen.  

Die Lernenden können sich zunächst über mehr Inhalte freuen, mit der Hoffnung, dass gerade trockene Themen oder Vortragsweisen mithilfe von KI etwas präsenter, ansprechender und kürzer dargestellt werden.  Inhalte werden dank KI auch barrierefreier, z.B. durch generierte Untertitel und Beschreibungen. Doch wird es in Zukunft auch schwerer werden, die besten und vor allem vertrauenswürdigen Inhalte zu finden. Laut einer Video-Studie aus dem Sommer 2024 sind zwar 75% der Lernenden für KI-erstellte Inhalte offen, aber 90% haben weiterhin Bedenken hinsichtlich Qualität, Quelle und Genauigkeit der Inhalte.  

Hier gilt es für Trainer, Dienstleister und Firmen, bei all dem KI-Hype die Qualitätskontrolle der erstellten Inhalte nicht zu vernachlässigen und sich langfristig als vertrauenswürdige Informations- und Videoquelle zu seinen Themen oder Produkten zu etablieren. 

Welche Neuerungen sind im Lernkontext dadurch eingetreten bzw. sind in absehbarer Zeit zu erwarten?

Anton Bollen: Meiner Meinung nach waren 2023 und 2024 große Jahre für Computerstimmen; und 2024 und 2025 sehe ich als Jahre der Computer-Avatare, also künstlichen Sprechervideos.  Die Konzepte sind nicht neu, aber die Qualität und Implementationsmöglichkeiten dieser Elemente haben in jüngster Zeit riesige Fortschritte gemacht und werden sich auch in Zukunft exponentiell verbessern.  Daher erwarte ich, dass genau jene KI-erzeugten oder geklonten Stimmen und Avatare bei vielen Lernvideos in den Vordergrund rutschen und eine neue Generation von Lern-Videos einläuten werden. Dies spiegelt sich auch in den Gesprächen mit meinen Partnern und Kunden wieder. Als Betrachter wird man sich mit diesem Stil noch mehr anfreunden müssen, was aber in Zukunft dank der vielen Qualitätsverbesserungen leichter fallen sollte. 

Für die Lernenden sind Informationen greifbarer, da mehr Videos verfügbar sind und viele Lern-Videos automatische Zusammenfassungen enthalten und dank Transkription durchsuchbar geworden sind.  Auch internationale Zielgruppen sollten sich freuen, da Videos mit KI leichter, schneller übersetzt und bereitgestellt werden können. Viele Anbieter arbeiten hier an passenden Lösungen, welche den Lokalisierungsprozess von Lern-Videos dank KI nachhaltig verändern werden.  

Was besteht und wächst, sind die in der vorherigen Frage angesprochenen Bedenken rund um KI-erstellte Inhalte und ob diese didaktisch, inhaltlich und faktisch akkurat, vertrauenswürdig und vollständig sind. Im Lernkontext werden Empfänger noch kritischer denken müssen und gefundene oder präsentierte Informationen hinterfragen, überprüfen und bestätigen müssen, bevor man sie als wahr einstuft und umsetzt. 

Welche Auswirkungen hat das auf den Einsatz in Schule und Hochschule?

Anton Bollen: Der Einsatz von KI wird sich auch bei Lern-Videos an Schule und Hochschule durchsetzen, da auch hier ein beschleunigtes und effizientes Erstellen und Aktualisieren von Videos wichtig ist. Dozenten sind und bleiben im Zentrum der Wissensvermittlung und werden von der KI beim Erstellen der Inhalte unterstützt, aber nicht ersetzt. Lange Vorlesungen lassen sich zum Beispiel mit KI automatisch zusammenfassen oder in kleinere Videos aufteilen, was den Dozenten als auch den Studierenden entgegenkommt. Da es für viele Lehrende auch wichtig ist, sich in den eigenen Videos zu präsentieren und eine menschliche Bindung zu schaffen, hilft die KI beim Verbessern des Erscheinungsbildes und des Audios. 

Für die Lernenden verändert sich die Wahrnehmung und der Umgang mit den Lerninhalten. Es werden mehr Informationen als je zuvor zur Verfügung stehen, doch wird es zur Herausforderung, die passenden Informationen zu finden. Zudem vergrößert sich durch die KI die Gefahr, dass falsche Informationen als Fakten präsentiert werden - und Lernende müssen bei der Recherche noch vorsichtiger als zuvor vorgehen. Die Frage, ob man KI-Inhalten auf der Bildungsebene vertrauen kann, bleibt im Raum und ist Herausforderung als auch Chance zugleich. 

Wie schätzen Sie den Markt für Lern-Videos im Jahr 2025 ein?

Anton Bollen: Um das zu beantworten, sollte man zuerst den allgemeinen Markt anschauen. Entwicklung und Fortschritt machen in der Industrie nicht halt: Täglich werden neue Prozesse ausgerollt, neue Richtlinien und Verordnungen vorgestellt, neue Produkte präsentiert und neues Wissen geschaffen. Diese Neuerungen werden auch in Zukunft effizient und nachhaltig dokumentiert und kommuniziert werden müssen - und für solche Wissensvermittlung ist und bleibt Video, laut der Videostudie, das wohl wichtigste und am häufigsten bevorzugte Medium. 

Daher schätze ich, dass 2025 ein sehr spannender Jahr für selbst erstellte und gekaufte Lern-Videos sein wird, da ein hoher Bedarf besteht, aber die Spielregeln und die Erwartungen für Videos neu ausgelegt werden.  

Wegducken ist wie immer keine Option und somit sollte man für sich, seine Organisation und seine Lernenden einen ausgeglichenen Weg suchen, der auf die neuen Möglichkeiten von KI eingeht und sich gewisse Vorteile schon heute zu nutzen macht, während man aber weiterhin das Menschliche im Blick behält und vor allem aktiv auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Lernenden eingeht.