IT-Ausbildung: Stefan Macke über zukunftsorientiertes Lernen
Aachen, September 2023 - Die IT-Branche sucht händeringend nach neuen Talenten – der Fachkräftemangel ist enorm und lag 2021 schon bei 137.000 offenen Stellen. Doch was tun? Die naheliegendste Lösung ist: Fachkräfte selbst auszubilden. Klingt auf dem Papier ganz einfach, ist aber oft mit einigen Hindernissen verbunden. Ausbildung in der Praxis – wie funktioniert es wirklich? Das ist das Thema des Interviews mit Stefan Macke, Ausbildungsleiter für Fachinformatiker:innen bei der ALTE OLDENBURGER Krankenversicherung AG. Er ist bekannt als Ausbildungsexperte und nutzt seine Expertise als IHK-Prüfer, Dozent sowie für seinen eigenen Blog und Podcast rund um das Thema IT-Berufe.
Wie gestaltest Du die Ausbildung, um sicherzustellen, dass deine Auszubildenden die notwendigen Fähigkeiten erlernen, um in der IT-Branche erfolgreich zu sein?
Stefan Macke: Die Ausbildung bei uns wird anhand des Ausbildungsrahmenplanes für das Berufsbild Fachinformatiker:in Anwendungsentwicklung gestaltet. Im betrieblichen Ausbildungsplan werden alle zu vermittelnden Fähigkeiten und Kenntnisse in konkrete "Maßnahmen" überführt, die im Laufe der drei Ausbildungsjahre durchgeführt werden. Das können gezielte Schulungen sein, aber auch Programmierprojekte, unsere regelmäßigen "Buchclubs" zu IT-Fachbüchern, Onlinekurse oder das Bearbeiten meiner eigenen Podcast-Episoden.
In unserem Unternehmen legen wir den Fokus in der Ausbildung auf die allgemeine berufliche Qualifikation und weniger auf das Erlernen der bei uns eingesetzten (Nischen-)Technologien. Wir wollen gute Software-Entwickler:innen ausbilden und keine Spezialisten für exakt die Technologiekonstellation, die wir selbst einsetzen.
Wie motivierst Du deine Azubis, sich neuen Herausforderungen zu stellen?
Stefan Macke: Meine Azubis müssen und dürfen sehr viel eigenverantwortlich lernen und umsetzen. Wir stellen ihnen verschiedene Lernmöglichkeiten zur Verfügung, z.B. Bücher, Onlinekurse, meinen Podcast, aber inzwischen auch die digitale Lernplattform eCademy.
Mit welchem Medium sie sich die nötigen Ausbildungsinhalte aneignen, ist mir am Ende egal. Ich kontrolliere abschließend in Form von Lernzielkontrollen das Verständnis bei meinen Azubis. Allerdings hilft es auch nicht weiter, alle Inhalte nur auswendig zu lernen. Daher müssen sie das Gelernte natürlich auch in Praxisprojekten umsetzen. So werden z.B. schon die Azubis im ersten Ausbildungsjahr mit den Azubis der höheren Ausbildungsjahre zusammen an ein komplexes Webprojekt gesetzt. Beim Pair Programming werden sie so direkt ins kalte Wasser geworfen und müssen gleich mit ran. Das funktioniert eigentlich sehr gut.
Auf welche Zukunfts-Kompetenzen legst Du bei der Ausbildung von Fachinformatiker:innen besonderen Wert, und wie vermittelst Du diese?
Stefan Macke: Dazu müsste ich natürlich erstmal wissen, was Zukunftskompetenzen sein sollen. Und das fällt mir ehrlich gesagt relativ schwer. Ich glaube aber, dass man die Ausbildung im IT-Bereich so gestalten kann, dass Azubis lernen, neue Technologien schnell zu verstehen und anzuwenden.
Es sollte weniger darum gehen, eine konkrete Programmiersprache zu lernen, sondern die grundlegenden Prinzipien dahinter. Dann wird es Azubis leichtfallen, Programmiersprache zu erlernen, die es heute noch gar nicht gibt. Ich maße mir nicht an, vorherzusagen, welche Technologien in Zukunft wichtig werden und welche nicht. Daher würde ich eher in Richtung der sozialen Fähigkeiten gehen. Denn die Interaktion mit Menschen ist sicherlich etwas, das auch in Zukunft nicht so einfach von einer künstlichen Intelligenz übernommen werden kann.
Nutzt Du hybride Lehrmethoden und wenn ja, wie integrierst Du diese in den Ausbildungsalltag?
Stefan Macke: In der heutigen Welt kann ich mir nicht mehr vorstellen, nur ein Medium für das Lernen einzusetzen. Jeder Azubi soll mit den Medien lernen, die sie/er für die geeigneten hält. Onlinekurs, Podcast, interaktive Plattform oder klassischer Frontalunterricht.
Hauptsache, der Azubi hat am Ende etwas gelernt. Dafür bekommen unsere Azubis natürlich Zeit während der täglichen Arbeitszeit. Sie können also durchaus am Arbeitsplatz mit Kopfhörern einen Online-Vortrag anhören oder sich mit einem IT-Fachbuch auf einen Sitzsack im Kickerraum setzen. Wann, wo und wie die Azubis lernen, ist mir am Ende egal.
Wie bereitest Du deine Azubis auf die Zwischen- & Abschlussprüfung vor?
Stefan Macke: Sehr intensiv. Wir fangen bereits im ersten Ausbildungsjahr damit an, regelmäßig alte IHK-Prüfungsaufgaben zu bearbeiten. Zusätzlich gibt es gemeinsame Buchclubs zu bestimmten Büchern zur Prüfungsvorbereitung, bei denen Azubis alles nachfragen können, was sie im Buch nicht verstanden haben. Mindestens einmal im Monat werden außerdem IHK-Aufgaben zu den Kerngebieten des Ausbildungsberufs bearbeitet und in einem gemeinsamen Termin im Detail besprochen.
Einige Monate vor den konkreten Prüfungen werden dann außerdem zahlreiche Lernzielkontrollen mit mir durchgeführt. Das heißt, ich frage unsere Azubis mündlich zu den Lerninhalten ab. Im täglichen Standup-Meeting mit allen Azubis beantworten wir außerdem einige zufällig gezogene Lernkarten für die Prüfungsvorbereitung. Das alles passiert selbstverständlich während der Arbeitszeit.
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