Aufbruch

Zeit für ein neues Rollenverständnis & neue Lehrmethoden

Hamburg, August 2007 - Zum Wintersemester starten in Deutschland über 200 000 Erstsemester ihre Uni-Laufbahn. Mit prüfendem Blick auf diverse Rankings haben sie ihre Hochschule kritischer ausgewählt als je eine Generation zuvor. Viele mussten zudem aufwändige Aufnahmeprüfungen bestehen. Das schürt Ansprüche. Mit einer selbstbewussten Kundenmentalität fordert die neue Generation Student optimalen Lernservice nach neuesten Standards. Über die richtige Mischung aus Innovation und Tradition lässt sich streiten. Sicher ist: Als erfahrene Internet-User legen Studenten Wert auf das Arbeiten mit modernen Web-Tools.




Ein Trend, dem sich die Hochschulen noch nicht hinreichend geöffnet haben. Das soll sich ändern: Piet Kommers, Professor für Erziehungswissenschaften an der niederländischen Universität Twente und Honorarprofessor am UNESCO Institut in Kiew plädiert für ein neues Rollenverhältnis zwischen Hochschullehrern und Studenten und einen verstärkten Einsatz des Internets für experimentelles Lernen. Wie das aussehen kann, diskutiert er auf der gemeinsamen Tagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) und der Campus Innovation vom 12. bis 14. September in Hamburg in seiner Keynote Learning amongst the Young Generation in the New University. Hier die Thesen:



Immer einen Klick voraus


Das Vermitteln von purem Wissen sollte in der Hochschullehre einen zweiten Rang einnehmen. Vielmehr müssen Studenten lernen, Fragen zu stellen, sich selbst auf die Suche zu begeben und Bekanntes mit Neuem zu verknüpfen, fordert Kommers. Mit dem Internet als wichtigstem Dreh- und Angelpunkt der globalen Wissensspeicherung und -vermittlung sei die Professoren-Rolle als Gatekeeper zur Welt der Erkenntnisse hinfällig. Nicht selten seien versierte Studenten ihren Professoren in so mancher Fachdebatte einen Klick voraus.


Macht nichts, beruhigt Piet Kommers seine Kollegen. Hochschullehrer sollten sich als Coach verstehen, die ihre Schützlinge zu aktiven Lernern trainieren, zu Problemlösern und Teamplayern.


Selbstbewusste Kritiker


Die neue Generation Studenten ist bereit, viel zu leisten, will aber auch viel erreichen, betont Kommers. Das äußert sich auch in einer ausgeprägten Kritikfreudigkeit. Wer 13 Jahre zur Schule gegangen ist, traut sich zu, zu wissen, unter welchen Bedingungen er gut lernt, und unter welchen nicht. Viele Professoren scheuen allerdings noch immer die Rückmeldung ihrer Studenten, wie die laute Debatte um das Voting-Portal MeinProf.de gezeigt hat.


Kommers rät seinen Kollegen, die Kritik der Studierenden ernst zu nehmen und offensiv damit umzugehen. -žEine exzellente Lehre lässt sich nur dann erreichen, wenn beide Seiten, Hochschullehrer und Studenten, sich regelmäßig gegenseitig Feedback geben.


Auf Exkursion im Web 2.0


Das Internet bietet endlose Möglichkeiten, nackte Theorien mit eigenem Leben zu füllen und direkt in die Tat umzusetzen. Im Wochentakt sorgen studentisch geführte Web-Unternehmen für Schlagzeilen, weil sie mit neuen Geschäftsideen den großen Playern der Branche Druck machen, wie zuletzt im Bereich Social Commerce hitflip.de, deals.de oder edelight.de.


Was als experimentelles Spiel beginnt, kann mitunter zum dicken Geschäft werden, wie der Millionendeal um das Studentenportal StudiVZ gezeigt hat. Diese Neugierde und Lust am Experimentieren sollten Professoren sich bei der Vermittlung wissenschaftlicher Probleme zunutze machen, rät Kommers: Das auf Beteiligung angelegte Web 2.0 bietet zahllose Ansätze zu Simulation und gemeinsamem Lernen, aber auch zum Testen und Erweitern intellektueller Fähigkeiten. Höchste Zeit, dass Hochschullehrer mit ihren Studenten auf Exkursion ins WWW gehen.


Die gemeinsame Tagung von GMW und Campus Innovation Studieren neu erfinden Hochschule neu denken findet vom 12. bis 14. September 2007 in der Universität Hamburg statt.