Weiterbildungstrend: Fernunterricht nimmt zu
Bonn, April 2008 - Die Trendanalyse zeigt: Es sind Aufwärtstrends zu erkennen. Die Weiterbildungsbeteiligung nimmt nach dem Einbruch der letzten Jahre zu, liegt aber in Deutschland weiterhin unter EU-Durchschnitt. Trotz bildungspolitisch beteuerter Wichtigkeit stagniert die öffentliche Gestaltung der Weiterbildung in Deutschland.
Rahmenbedingungen
Die EU besitzt zwar keine rechtliche Gestaltungskompetenz, doch durch Programme und die Vergabe von Fördergeldern nimmt sie zunehmend mehr Einfluss darauf, was in den einzelnen Mitgliedstaaten in Bereich der Weiterbildung passiert.
Die aktuelle Trendanalyse des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) stellt fest, dass sich mittlerweile durch die Lenkung von Finanzströmen ein beträchtlicher Teil der nationalen Förderpolitik an den Lissabon-Zielen Wachstum, Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt orientiert.
Die öffentliche Hand dagegen zieht sich finanziell aus vielen Bereichen zurück und legt es auch im Bereich der Weiterbildung zunehmend in die Verantwortung des Einzelnen, sich um seine Zukunft selbst zu kümmern. Obwohl es politisch erklärtes Ziel ist, die Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen, ist die staatliche Finanzierung seit Jahren rückläufig, während der Anteil privat finanzierter Weiterbildung wächst. Die größten Finanziers von Weiterbildung in Deutschland sind in den letzten zehn Jahren kontinuierlich die Unternehmen gewesen. Wenn aber die Finanzierung Privatsache ist - darauf weist die Analyse hin - werden Wachstums-, Qualifikations- und Partizipationschancen eingeschränkt.
Der Bildungsurlaub als bildungspolitisches Instrument greift nicht. Positive Signale kommen neuerdings durch tarifvertragliche Regelungen.
Weiterbildungsbeteiligung
Frauen haben bei der Weiterbildungsbeteiligung in den letzten Jahren aufgeholt und ziehen mit den Männern fast gleich. Erheblich öfter nehmen Frauen an Bildungsangeboten teil, wenn sie keine Kinder haben, Männer dagegen insbesondere, wenn sie mit einer Partnerin und zwei und mehr Kindern zusammenleben.
Frauen stellen auch den überwiegenden Teil der Teilnehmenden am Fernunterricht dar, eine Weiterbildungsform, die langfristig gesehen ebenfalls zunimmt.
Gerade die schulisch besser Gebildeten sehen für sich den größten Weiterbildungsbedarf, während die Gruppe ohne oder mit niedriger Berufs- oder Schulbildung weniger Bedarf sieht. Es wird deutlich: entscheidend für die Einschätzung dieser Frage ist, ob man einen persönlichen Nutzen darin erkennt, sich weiter zu bilden.
Personen ab 50 Jahre nehmen öfter als früher Lernangebote wahr. Allerdings zeigt sich auch hier: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine erwerbstätige Person dieses Alters an einer Weiterbildung teilnimmt ist sechsmal höher als bei nicht Erwerbstätigen.
Auch die Weiterbildungsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund steigt. So belegt die Volkshochschul-Statistik eine Zunahme der Unterrichtsstunden für "Deutsch als Fremdsprache" zwischen 2005 und 2006 um 15,4%.
Drastisch reduziert hat sich die Zahl der Teilnehmenden im Bereich SGB-Förderung. So sank zum Beispiel die Zahl der Eintritte in Maßnahmen zur Erlangung eines Berufsabschlusses von über 500.000 im Jahr 2000 auf rund 130.000 im Jahr 2005. Allerdings scheint hier die Talsohle wohl durchschritten zu sein, denn 2006 war wieder ein Anstieg auf knapp 245.000 zu beobachten.
Trotzdem wird im Rahmen der Studie darauf hingewiesen, dass im Vergleich zu europäischen Ländern die Weiterbildungsbeteiligung im unteren Bereich rangiert, auch wenn eine leichte Zunahme der Teilnahmequoten auszumachen ist.
Angebot
Weiterbildungsangebote werden zunehmend individualisiert und für geschlossene Teilnehmergruppen durchgeführt. Dies sind die zentralen Befunde im Untersuchungsbereich "Angebot". Unterricht in Gruppen dominiert zwar immer noch, wird aber in wachsendem Umfang durch beratungsnahe Dienstleistungen abgelöst. Insbesondere das Thema Coaching liegt mittlerweile ganz weit vorne. Maßgeschneiderte Angebote für Personen und Betriebe treten gerade in der beruflichen Weiterbildung in den Vordergrund. Hier sind nur mehr ein Viertel der Angebote "offene Seminare".
Einrichtungen
Durch den existenzbedrohenden Wegfall von öffentlichen Fördergeldern haben sich viele der mehr als 17.000 Bildungsanbieter in Deutschland ein neues Profil gegeben und sind vermehrt in der Beratung und Schulung für Unternehmen tätig geworden. Zunehmend stehen Einrichtungen in einem erhöhten Wettbewerb um Projekte, Aufträge und Lernende. Insgesamt beurteilt die Branche nach den Einschnitten der letzten Jahre die Zukunftsaussichten positiv.
Fazit
Der Weiterbildungsbereich scheint im Übergang zu einer Dienstleistungsbranche zu sein - für Lernende, Betriebe und den Staat. Das Feld ist nicht mehr angebots-, sondern nachfrage-orientiert aufgestellt. Zunehmend entfällt die inhaltliche und finanzielle Steuerung durch den Staat. In der Konsequenz könnten Teile der Bevölkerung beim Lebenslangen Lernen auf der Strecke bleiben.
Inhaltliche Anreize, gekoppelt mit finanzieller Förderung, kommen aus der EU.
Die Trendanalyse zieht verfügbare Daten aus verschiedenen Untersuchungen heran, um Entwicklungslinien aufzuzeigen und zu interpretieren. Dabei wird jeweils ein Zeitraum von zehn Jahren betrachtet. Die nächste Trendanalyse wird in zwei Jahren vorgelegt.
Trends der Weiterbildung, DIE-Trendanalyse 2008
139 Seiten, 34,90€, W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld 2008,
ISBN 978-3-7639-1958-1