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Geografische Nähe ist nicht das Ausschlaggebende

Dr. Katja KantelbergBerlin, Juli 2014 - Galt es bislang als ehernes Gesetz, dass Coaching eine Präsenzangelegenheit sei, finden eCoaching-Ansätze immer mehr Anhänger. Einen sich abzeichnender Paradigmenwechsel beim Thema Coaching, meint Katja Kantelberg, Mit-Inhaberin von Learning.de zu erkennen. Sie findet es an der Zeit, in den Köpfen von Coaches und Coachees das Bild eines fruchtbaren Kontakts neu zu zeichnen.

Was unterscheidet eCoaching von herkömmlichen Coaching-Ansätzen?

Dr. Katja Kantelberg: Was heute eCoaching heißt, würden wir von learning.de lieber mit dem Begriff "bCoaching" bezeichnen – mit b für blended, aber das klingt ziemlich sperrig. Wir bieten neben dem ganzen Spektrum des systemischen in Präsenz auch die von mir präferierten blended-Varianten – also einem Mix aus Präsenzcoaching und unterschiedlichen, die digitalen Kommunikationsmedien nutzenden Interventionen an. Insgesamt haben wir es immer häufiger mit Menschen zu tun, die aus räumlichen Gegebenheiten heraus eine flexible Nutzung der Medienvielfalt zu schätzen wissen.

Wie stellt man sich eCoaching konkret vor?

Dr. Katja Kantelberg: Grundsätzlich sind alle Varianten möglich: online z.B. als Treffen im Chat oder im virtuellen Seminarraum, offline als Bearbeitung von zugesendeten Aufgaben, synchron per Telefon oder Skype oder auch asynchron z.B. durch Führung von Erfolgs- oder Eigenschaftsbüchern. Wichtige Voraussetzung sind immer eine gute Bildübertragung und eine stabile Internetnutzung, eine qualitativ hochwertige Telefonverbindung VOIP oder Festnetz als Basis.

Wie gewinnt ein Coach seinen Coachee für diese neue Form der Begleitung?

Dr. Katja Kantelberg: Das kommt zunächst sehr auf den Coach und seine Souveränität an! Er muss überzeugt sein, dass dieser Weg funktioniert und gewinnend argumentieren. Es braucht Übung, über Distanz Nähe zu erzeugen, in an sich kalten Medien einen warmen, einladenden Raum aufzuspannen sowie entspannt und geübt mit der Technik und ihren ganz normalen Fehlbarkeiten umzugehen. Auch ist nicht jeder Kanal für jede Intervention und jeden Coachee geeignet, hier braucht es eine gute Medienkompetenz. Zudem gilt es, unterschiedliche Lern-und Mediensozialisationen zu beachten. Übrigens: Coaching kann in jedem Raum scheitern – auch in einem virtuellen.

In welchen Themenfeldern ist eCoaching besonders wirksam?

Dr. Katja Kantelberg: ECoaching ist beispielsweise sinnvoll bei der Begleitung von Menschen direkt in Ihrem beruflichen Alltag – also akut situativ oder als "verteilte Impulsinjektion". Auch bei der Unterstützung substanzieller Verhaltensänderung oder zur Erweiterung der Handlungs- und Reflexionskompetenz im Professionskontext kann es eingesetzt werden. Menschen, die räumlich eingeschränkt sind, bringt es ebenso weiter, wie z.B. beim Thema "Führung aus der Ferne". Im interkulturellen Kontext beispielsweise kann man über Avatare arbeiten, wenn beispielsweise die Gefahr eines Gesichtsverlustes droht oder die Beteiligten anonym bleiben wollen. Auch Gruppencoaching vergleichbar mit den Settings von Kollegialer Beratung oder als Teamentwicklung sind möglich.

Kann virtuelle Nähe den persönlichen Kontakt zwischen Menschen ersetzen?

Dr. Katja Kantelberg: Der persönliche Kontakt hat keinerlei qualitative Bedeutung: Es gibt Menschen die sitzen tagtäglich zusammen in einem Büro, verspüren aber keinerlei Nähe zueinander. Ganz im Gegenteil: Sie können sogar eine eher feindliche Haltung einnehmen. Es geht weniger um die geografische Nähe als um das Gefühl, das man einem Menschen gegenüber hat.